Reinhard Pharmazeutische Biologie - Grundlagen für Studium und Praxis

von: Theodor Dingermann, Wolfgang Kreis, Karen Nieber, Horst Rimpler, Ilse Zündorf

Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2016

ISBN: 9783804735460 , 657 Seiten

8. Auflage

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 84,00 EUR

Mehr zum Inhalt

Reinhard Pharmazeutische Biologie - Grundlagen für Studium und Praxis


 

1

Zytologie


Wolfgang Kreis

1.1Morphologische Grundlagen der Zelle


Das Leben auf der Erde hat im Lauf der Evolution eine ungeheure Vielfalt von Organismen hervorgebracht. Die drei Domänen der Lebewesen (Bacteria, Archaea, Eukarya) haben vieles gemeinsam: Ablauf der Glykolyse (» Kap. 4.5.2), semikonservative Replikation der DNA (» Kap. 3.3), genetischer Code (» Kap. 3.1.3), Synthese von Proteinen durch Transkription und Translation (» Kap. 3.2.3), Besitz von Plasmamembranen (» Kap. 1.3), Ribosomen (» Kap. 1.4.9) und andere.

In Gestalt von Archaea, Bakterien, Protisten, Pilzen, niederen und höheren Pflanzen, den verschiedenartigsten Organismen im Tierreich begegnet uns das Leben in den unterschiedlichsten Organisations- und Differenzierungsstufen, in einer überwältigenden Formenfülle. Zudem begegnet man einer Vielfalt physiologischer Leistungen sowie der Anpassung an unterschiedliche Lebensbedingungen.

Alle Lebewesen sind aus Zellen aufgebaut, aus einer Zelle die Einzeller, z. B. Bakterien, aus vielen Zellen die Vielzeller. Die Zelle ist die kleinste, noch selbstständig lebensfähige morphologische Einheit. Auch im vielzelligen Organismus sind die einzelnen Zellen relativ selbstständig. Unter bestimmten Bedingungen können aus dem Verband herausgelöste Zellen in geeigneter Nährlösung lange weiterleben, sich teilen und vermehren. Viren, Viroide und Prionen zählen nicht zu den Lebewesen; sie nehmen eine Sonderstellung ein (» Kap. 6).

Einzelne Zellen eines vielfältig differenzierten Organismus können über die genetische Information des gesamten Organismus verfügen. Aus bestimmten, aus Pflanzen isolierten Zellen können wieder ganze Pflanzen regeneriert werden. Solche Zellen sind omnipotent.

Die Zelle steht mit ihrer Umgebung in einem stetigen Energie- und Stoffaustausch. Sie kann auf Änderungen ihrer Umgebung reagieren. Hierbei spielen vielfältige zelluläre Strukturen und Prozesse zusammen (Rezeptoren, Signaltransduktionskaskaden, Genexpressionskontrolle etc.). Zellen können sich durch Teilung oder Sprossung (Hefe) vermehren. Man kann die Zelle in Partikel aufteilen, welche außerhalb der Zelle in sogenannten zellfreien Systemen noch Teilfunktionen erfüllen können. Alle Funktionen, die einer lebendigen Substanz zugeordnet sind, können jedoch nur innerhalb der elementaren Funktionseinheit Zelle erfüllt werden.

Merke

Zellen können nur aus Zellen hervorgehen, entweder durch Teilung oder bei der Befruchtung durch Verschmelzung von Zellen. Stoffwechsel, Wachstum und Vermehrung sind charakteristische Eigenschaften der lebenden Zelle.

Zellen begegnen uns in den verschiedensten Differenzierungsformen. Bereits die einzelligen Lebewesen zeigen vielfältige, morphologische und physiologische Abwandlungen dieser Grundeinheit des Lebens. Noch vielfältiger abgewandelt ist die Zelle in den vielzelligen hochdifferenzierten Organismen. Hier begegnen uns Zellen als Leitelemente, als Nervenzellen, als Epidermiszellen, als Drüsenzellen, als Assimilationszellen, als Blutzellen usw.

Zellen können verschiedene Formen und Größen besitzen. Dies entspricht ihren unterschiedlichen Funktionen. Die kleinsten Zellen finden sich bei Bakterien. Mikrokokken haben einen Durchmesser von etwa 0,2 µm. Die Größe einer Tier- oder Pflanzenzelle liegt zwischen 10 und 200 µm. Jedoch gibt es von diesen Durchschnittsgrößen sehr starke Abweichungen (» Tab. 1.1, » Abb. 1.1).

Tab. 1.1 Zellgrößen

Zelle

Größe ca.

Lein (Fasern)

5 cm

Mark (Parenchymzelle)

0,4 mm

Epidermiszelle

0,05 mm (50 µm)

Escherichia coli

0,003 mm (3 µm)

Abb. 1.1 Größen­ordnungen von Zellen und Molekülen

Vereinfachend kann man sagen, dass die Größe von Viren im unteren Nanometer-, die von Bakterien im unteren Mikrometer- und die von Zellen höherer Lebewesen im oberen Mikrometer-Bereich liegt.

1.1.1Zellen der Bakterien, Samenpflanzen und Säugetiere


Eine Zelle ist vom Protoplasma erfüllt. Im Protoplasma von Eukaryonten lassen sich Zellkern und Zytoplasma unterscheiden. Das Zytoplasma besteht aus einer hyalinen, flüssigen Grundsubstanz, dem Cytosol, und den darin eingebetteten Zellorganellen und Einschlüssen. Eukaryontische Zellen besitzen in der Regel einen Zellkern, sie sind monoenergid. Dieser ist durch eine Doppelmembran, die Kernhülle, vom Zytoplasma abgetrennt und besteht aus Kernplasma (Karyoplasma), Chromosomen und Nukleoli. Manche Zellen haben mehrere Zellkerne, sind also polyenergid. Kernlose Zellen, wie Zellen in Siebröhren oder Erythrozyten, haben nur eine sehr kurze Lebensdauer. Prokaryonten besitzen nur sogenannte Kernäquivalente (Nukleoide). Diese lassen sich im Mikroskop nach entsprechender Anfärbung als unregelmäßig geformte Strukturen erkennen.

Das Protoplasma ist immer von einer Hülle umgeben, die es nach außen begrenzt, der Plasmamembran. Diese Plasmamembran ist eine Lipoproteidmembran, die in ihren Grundstrukturen und in ihrem chemischen Aufbau bei den Zellen aller Lebewesen weitgehende Übereinstimmungen zeigt. Bei tierischen Zellen ist der Plasmamembran eine sehr dünne Schicht von Glykolipiden, Glykoproteinen und Mucopolysacchariden aufgelagert. Diese Schicht, die Glykocalyx, trägt u. a. Antigenstrukturen und Hormonrezeptoren. Sie spielt eine wesentliche Rolle bei immunologischen Vorgängen, bei Wechselwirkungen zwischen Zellen und bei der Kommunikation der Zelle mit der Außenwelt. Tierische Zellen besitzen jedoch keine den pflanzlichen Zellen vergleichbare Zellwand (» Tab. 1.2).

Tab. 1.2 Beispiele für Unterschiede zwischen pflanzlichen und tierischen Zellen

Parameter

Tierische Zelle

Pflanzliche Zelle

Zellwand

+

Zentralvakuole

+

Plastiden

+

Streckungswachstum

+

Glykocalyx

+

...