Die Femminielli von Neapel - Zur kulturellen Konstruktion von Transgender

von: Marco Atlas

Campus Verlag, 2010

ISBN: 9783593408699 , 212 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 31,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Die Femminielli von Neapel - Zur kulturellen Konstruktion von Transgender


 

Repräsentationen von Femminielli: Zum Forschungsstand (S. 35-36)

Als Forschungsstand werden hier alle schriftlichen und visuellen Darstellungen von Femminielli zusammengefasst, die im Rahmen bisheriger Recherchen auffindbar waren. Das schriftliche Material umfasst sowohl kurze Erwähnungen als auch längere Artikel oder Kapitel in Texten verschiedener Genres, von wissenschaftlichen Arbeiten und literarischen Werken bis zu touristischen Stadtbeschreibungen. Zu den bildlichen Medien zählen vereinzelte Fotos. In diesen Darstellungen werden Femminielli aus sehr verschiedenen Perspektiven der jeweiligen Autorinnen und Autoren beschrieben beziehungsweise abgebildet. Im Folgenden erläutere ich zunächst meinen theoretischen Umgang mit den Sekundärmaterialien bevor dann in den anschließenden Unterkapiteln die einzelnen Femminielli-Darstellungen anderer AutorInnen ausführlich diskutiert werden.

Die sehr verschiedenen Darstellungen verstehe ich, einem konstruktivistischen Ansatz, wie ihn die Cultural Studies anwenden, folgend, als Repräsentationen und damit als konkrete Bedeutungszuschreibungen an Femminielli. Stuart Hall (1997) sieht Repräsentationsprozesse ausschlaggebend dafür, wie Bedeutungen hergestellt werden und zwischen den Mitgliedern einer Kultur kursieren.20 Es sei der symbolische Gehalt von Zeichen, der den Objekten, Personen und Ereignissen durch Repräsentationsprozesse Bedeutung verschaffen kann. Hall (1997: 21) schreibt:

»The meaning is not in the object or person or thing, nor is it in the word. It is we who fix the meaning so firmly that, after a while, it comes to seem natural and inevitable. The meaning is constructed by the system of representation.«

Da einzelne Repräsentationen stets bestimmten historischen Kontexten entspringen, welche das repräsentierte Phänomen zusammen mit speziellen Perspektiven der Repräsentierenden vorstrukturieren, müssen diese naturalisierenden Kontexte und Perspektiven kritisch dekonstruiert und als Repräsentationssysteme innerhalb eines Diskurses analysiert werden. Unter Dekonstruktion verstehe ich nach Birgit Wartenpfuhl, die (2000: 132–135) den Begriff ausführlich im Kontext der Arbeiten Derridas erläutert, »Aufmerksamkeit für den Kontext« (ebd.: 133) und Reflexion über das Perspektivische jeglichen Wissens. Foucaults Diskursbegriff beschreibt Hall (1997: 44) als:

»a group of statements which provide a language for talking about – a way of representing the knowledge about – a particular topic at a particular historical moment.«

Nach Hannelore Bublitz (2000: 10) meint Diskurs bei Foucault nicht nur die Rede über etwas, sondern schließt die produktive Macht dieses »Redens « ein, das, von dem gesprochen, geschrieben oder was abgebildet wird, mit zu erzeugen. Foucaults Diskurs wirkt auch auf Individuen produktiv. Er sagt (1978: 34f.):

»Der Grund dafür, daß die Macht herrscht, daß man sie akzeptiert, liegt einfach darin, daß sie nicht nur als neinsagende Gewalt auf uns lastet, sondern in Wirklichkeit die Körper durchdringt, Dinge produziert, Lust verursacht, Wissen hervorbringt, Diskurse produziert; man muß sie als ein produktives Netz auffassen, das den ganzen sozialen Körper überzieht, und nicht so sehr als negative Instanz, deren Funktion in der Unterdrückung besteht.«

Damit stehen Diskurse und soziale Wirklichkeit in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander, und beim Reden über sozial Wirkliches darf nicht außer Acht gelassen werden, dass dieses sozial Wirkliche über Diskurse entsteht. Paradoxer Weise stellen Diskurse nicht nur her, sie grenzen auch aus, sie sind produktiv und repressiv zugleich. Laut Judith Butler (1997: 173) bedeutet Anrufung die soziale Formierung zum Subjekt innerhalb von Diskursen. Anrufung sei (ebd.: 174) »eine einfache performative Äußerung «, ein »[Akt] des Diskurses, ausgestattet mit der Macht, das zu erschaffen, von dem die Rede ist.« Wie wir sehen werden, produziert der Diskurs Femminielli und ihre Geschlechtlichkeit, indem er sie wahrnimmt und repräsentiert. Im Sinne Halls steckt auch das Geschlecht nicht in einer Person, sondern es wird in Wahrnehmungs- und Repräsentationsprozessen von ihr selbst und anderen hergestellt.