Virale Werbung: Die Unterschiede von klassischer Werbung, Online-Werbung und Virus-Werbung

von: Benjamin Mayer

Diplomica Verlag GmbH, 2009

ISBN: 9783836627986 , 73 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: frei

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Preis: 53,00 EUR

Mehr zum Inhalt

Virale Werbung: Die Unterschiede von klassischer Werbung, Online-Werbung und Virus-Werbung


 

Kapitel 3, Virale Werbung

Basierend auf den im vorhergehenden Kapitel erarbeiteten Grundlagen der Werbung, wird in diesem Kapitel Grundlegendes speziell zum Phänomen virale Werbung dargestellt. Einleitend wird ein kurzer historischer Abriss über die Entstehung des Begriffs Viral Marketing geliefert. Daran anschließend werden einige Definitionen zu viraler Werbung und Viral Marketing vorgestellt, die diese Begriffe allerdings nicht immer einheitlich umschreiben (Kapitel 3.1). Auf Basis dieser Begriffsbestimmungen von Experten wird dann eine für diese Arbeit gültige Beschreibung, was unter viraler Werbung zu verstehen ist, festgehalten (Kapitel 3.2). In Kapitel 3.3 wird der Ausdruck virale Werbung von ähnlich verwendeten Wörtern des Marketings abgegrenzt. Ein Begriff, der dabei häufig im Zusammenhang mit viraler Werbung genannt wird, und der für dessen Umsetzung eine wichtige Rolle spielt, ist Mundpropaganda. Elementares zu diesem sozialen Phänomen wird im Folgenden genauer aufgeführt und zur weiteren Vertiefung die Begriffe Memetik, Tipping Point und Meinungsführer thematisiert (Kapitel 3.4). Im Anschluss daran werden die Kernelemente von viraler Werbung in Kapitel 3.5 näher untersucht, indem die Kampagnenarten und -ziele viraler Werbeaktionen kurz vorgestellt und die notwendigen Rahmenbedingung und Weiterempfehlungsanreize analysiert werden. Damit einhergehend werden die Aufgaben der Wirte und Überträger im Prozess der Weiterempfehlung erläutert und schließlich das zielgruppenspezifische Streuen des Kampagnenguts erklärt.

Da im Zusammenhang mit viraler Werbung häufig der Begriff Viral Marketing genutzt wird, werden bei den Ausführungen zur Entstehung und den Definitionen beide Begriffe verwendet. Dies ist in diesem Teil der Arbeit nicht als problematisch anzusehen, da hier die allgemeine Werbestrategie umschrieben wird, die bei beiden identisch ist. Da aber, wie schon erwähnt, Werbung nur ein Teil des Marketing-Mix ist, wird anschließend an die erarbeitete Definition von Viral Marketing in Kapitel 3.2.2 der Unterschied dieser Bezeichnungen verdeutlicht.

Kapitel 3.1, Entstehung des Begriffs Viral Marketing

Das Phänomen der virusartigen Werbung wurde erstmals 1989 in einem Beitrag der Zeitschrift PC User genannt, der die epidemische Ausbreitung des Apple Macintosh SE innerhalb eines Unternehmens zum Thema hatte. In seinem heutigen gebräuchlichen Zusammenhang mit dem WWW wird der Begriff erstmals 1996 in einem Artikel des US-Wirtschaftsmagazins Fast Company von Jeffrey Rayport verwendet. In der Folgezeit hatten viele virale Werbeerfolge, wie z. B. die von Hotmail und ICQ, großen Anteil an der raschen Verbreitung des Begriffs. Die Hotmail-Strategie, welche auch als die Geburtsstunde von geplanten Viral Marketing-Aktionen gilt, beinhaltete folgendes simples Konzept: Jeder über einen Hotmail-Account versendeten Email wird in der Fußzeile die Botschaft „Get your private, free email at http://www.hotmail.com“ angehängt. Somit konnte Hotmail innerhalb von 18 Monaten 12 Millionen neue Nutzer gewinnen, bei einem relativ kleinen Werbebudget von 500.000 US-Dollar. Weitere erfolgreiche Beispiele, wie zum Beispiel der Erfolg von „The Blair Witch Project“, Napster oder auch GMX führten dazu, dass im Jahr 2000 drei Publikationen aus dem Modewort der New Economy eine, zunächst allerdings nur im amerikanischen Raum, ernste Marketingdisziplin machten: The Tipping Point von Malcom Gladwell, Unleasing the Ideavirus von Seth Godin und The Anatomy of Buzz von Emanuel Rosen. Diese Werke werden häufig als Basis verwendet, wenn es gilt das Phänomen Viral Marketing in seinen Grundzügen zu erklären. Die erste nationale Epidemie in Deutschland, bei der ebenfalls mit geringem Aufwand ein enormer Verbreitungseffekt auftrat, löste im Jahr 2000 die „Moorhuhnjagd“ von Johnnie Walker aus. Dieser Spiele-Klassiker wurde seitdem über 40 Millionen Mal heruntergeladen.

Innerhalb der letzten zwei bis drei Jahre hat sich der Begriff Viral Marketing auch zunehmend im deutschen Sprachgebrauch etabliert und genießt seitdem einen äußerst positiven Ruf unter Online-Marketer.

Durch diese Entwicklung hat sich Viral Marketing mittlerweile zu einem Marketing-Trend entwickelt. Unzählige Online-Beiträge wurden bisher zu diesem Thema publiziert, spezielle Weblogs nur zum Thema Viral Marketing geschaffen und erste Agenturen, die sich auf Viral Marketing spezialisiert haben, gegründet. Zudem sind zwei erste deutschsprachige Bücher zu diesem Thema erschienen, und seit 2004 existiert ein internationaler Verband mit dem Namen „Viral &, Buzz Marketing Association“ (VBMA), der sich die Erforschung, Förderung und Entwicklung konsumentenfreundlicher Marketingtechniken zum Ziel gesetzt hat. Der aus anerkannten Experten aus Theorie und Praxis des Viral und Buzz Marketing bestehende Verband, soll es den Mitgliedern ermöglichen sich untereinander zu vernetzen, internationale Kooperationen zu fördern und Fallstudien auszutauschen.

Exkurs: Web 2.0 macht virale Werbung noch interessanter: Ein weiterer Grund der dazu führt, dass Viral Marketing manchmal als Marketing-Entdeckung des Jahrzehnts gepriesen wird, ist die Entwicklung des Internets zu einer immer stärkeren multimedialen und interaktiven Plattform. Hieraus resultiert eine immer gezieltere und effektivere Vernetzung der Nutzer und von Informationen. In diesem Zusammenhang taucht häufig das Schlagwort Web 2.0 auf.

Der von O’Reilly durch seinem Artikel „What Is Web 2.0“ geprägte Begriff beinhaltet eine Reihe neuer interaktiver Techniken und Dienste, die zu einer veränderten Wahrnehmung und Benutzung des WWW führen. Aufgrund verbesserte Software und Breitbandanschlüsse bietet das Internet mittlerweile mehr als Textinformationen. Dadurch, dass Benutzer in zunehmendem Maße Inhalte im WWW selbst erstellen oder bearbeiten können, entstehen ausgeprägte, soziale Vernetzung und Online-Kommunikationsmöglichkeiten werden erweitert. Allerdings ist der Begriff Web 2.0 nicht fest definiert oder scharf umrissen, weshalb zur Erklärung des „Internet in seiner zweiten, verbesserten Version“ (Turi, 2007a) häufig Beispiele dienen. Als Web 2.0 Anwendungen werden dabei häufig Weblogs, Wikis oder diverse Internetplattformen genannt, die sich durch hohe Flexibilität oder Leistungsfähigkeit auszeichnen, wie etwa YouTube, MySpace, Xing oder FlickR, um nur einige aufzuzählen. Diese Web 2.0 Applikationen werden auch als Social Software bezeichnet. Neben einer zwischenmenschlichen Kommunikation und Zusammenarbeit, fördern diese Systeme den Aufbau und das Selbstmanagement einer Community, der es möglich sein sollte, sich selbst zu regulieren.

Aufgrund dieser zunehmenden Vernetzung wird ein viraler Verbreitungsprozess von Werbebotschaften wesentlich begünstigt. Nicht mehr nur allein E-Mails oder Chats können für eine Online-Kommunikation genutzt werden, sondern viele weitere Web 2.0 Applikationen.

Kapitel 3.2, Begriffliche Differenzierung

Da die Strategie hinter Viral Werbung die Selbe ist wie bei Viral Marketing, aber die gebräuchlichen Definitionen meist den umfassenderen Marketingbegriff beschreiben, werden in diesem Kapitel zunächst auch die Ausführungen zu Viral Marketing analysiert. Daran anschließend wird der Unterschied, der speziell zwischen dem viralen Werbe- und dem viralen Marketingbegriff herrscht, kurz aufgezeigt.

Kapitel 3.2.1, Viral Marketing

Viral Marketing, auch virales Marketing oder manchmal Virus-Marketing genannt, stellt eine Sonderform des Marketings dar und genießt häufig den Ruf ein probates Mittel gegen die nachlassende Effektivität der klassischen Marketing-Anstrengungen zu sein. Der Term „viral“ verdankt seinen Namen dabei einer Assoziation aus der Medizin, denn wie ein Virus sollen sich Informationen über ein Produkt, Marken, Kampagnen oder eine Dienstleistung innerhalb kürzester Zeit von Mensch zu Mensch verbreiten. Dabei soll die Ausbreitung eine Eigendynamik entwickeln, indem die Werbebotschaft nach dem Schneeballsystem unter Freunden, Bekannten, Kollegen und Menschen mit gleichen Interessen weiterempfohlen wird. Perry und Whitaker formulieren diesen Vorgang dabei wie folgt: „I receive a piece of communication, I like what I see so I tell others by forwarding the electronic communication”.

Betrachtet man präzisere Ausführungen zu dem Begriff Viral Marketing, stellt man fest, dass sich hier diverse Unterschiede ergeben. So ist z. B. das Medium Internet als Werbeträger nicht immer Bestandteil der Definition. Frey etwa beschreibt Virus-Marketing als Strategien, die es Einzelpersonen erlaubt, Marketing-Meldungen weit zu verbreiten, aber im Gegensatz zum klassischen Marketing keine Massenbotschaften versendet, sondern Prozesse initiiert, durch die die Kommunikation der Kunden untereinander angeregt wird.

Nach dieser Definition wird richtigerweise unter Viral Marketing ein Prozess verstanden, bei dem die Werbebotschaft von Kunde zu Kunde weitergereicht wird und nicht, bzw. nur in einem ersten Schritt, vom Unternehmen an den Kunden herangetragen wird. Allerdings wird unter Viral Marketing fast immer eine internetspezifische Marketingstrategie verstanden, dem viele Definitionen damit gerecht werden, dass sie anschließend eine Zusatzformulierung wie mittels des Internets oder Medium Internet bestens geeignet ergänzen. Kirby und Marsden definieren Viral Marketing dementsprechend als The promotion of a company or its products and services through a persuasive message designed to spread, typically online, from person to person.

Manchmal wird die Übertragungsmöglichkeit der Botschaft allerdings nicht allein an das WWW geknüpft. Zorbach z.B. versteht unter Viral Marketing die geplante und gezielte Stimulation von Kommunikation in sozialen Netzwerken, von Mund zu Mund, Maus zu Maus oder von Mobile zu Mobile.

Laut dieser Definition ist Viral Marketing nicht nur eine reine Internetdisziplin, sondern ein Oberbegriff für mehrere Techniken und Methoden, die zum Ziel haben die Kommunikation der Kunden untereinander anzuregen: Offline, Online oder via Mobile.

Der Begriff Mobile ist in der heutigen Auffassung aber nicht strikt von Online abzugrenzen. Für Besitzer von mobilen Endgeräten wie Handys und Notebooks ist es zum einen heutzutage keine große Herausforderung mehr Zugang zum Internet herzustellen. Zum anderen ist es rein technisch gesehen nicht nur dem Medium Internet möglich eine Online-Kommunikation zwischen verschiedenen Endgeräten herzustellen. Eine Verbindung oder ein Netzwerk kann zwischen diesen auch durch eine Funkverbindung hergestellt werden, wie z. B. durch GPRS (General Packet Radio Service) oder Bluetooth. Dadurch ist eine Übertragung bspw. von SMS, Videos oder Musikdateien von Handy zu Handy sehr leicht möglich.

Wird eine Botschaft allerdings virusartig Offline übertragen, entspricht dies - wie eingangs der Arbeit schon erwähnt - im eigentlichen Sinne der klassischen Mundpropaganda. Hieraus ergibt sich das Problem, dass der Begriff Mundpropaganda oftmals nicht trennscharf von viraler Werbung abgegrenzt wird. Langner schreibt z. B. folgendes: „Viral Marketing umfasst das gezielte Auslösen und Kontrollieren von Mund-zu-Mund-Propaganda zum Zwecke der Vermarktung von Unternehmen und deren Leistungen“. Viral Marketing ist jedoch nicht gleich Mundpropaganda. Zwar beruht bei beiden die Verbreitungsweise der Information auf sozialen Netzwerken, doch Mundpropaganda nutzt dabei ausschließlich die Sprache als Überträger. Laut Definition der European Marketing Confederation wird unter Mundpropaganda die verbale Kommunikation zwischen (potentiellen) Käufern über ein Produkt, eine Marke oder eine Unternehmung verstanden. Da eine ausführlichere Abgrenzung der beiden Begriffe in Kapitel 3.3 erfolgt, soll hier nur ein kleines Beispiel den Unterschied verdeutlichen: Erzählt ein Freund von einem neuen, tollen Online-Spiel, kann man selbst dieses Spiel noch nicht spielen, geschweige denn sich selbst eine Meinung darüber bilden, um dann ggf. ebenso dieses Spiel weiterzuempfehlen. Wird der Hinweis auf dieses Spiel allerdings in einer E-Mail zusammen mit einem Link zu selbigem übermittelt, kann man diesem direkt folgen und sich von dem empfohlenen Spiel selbst überzeugen. Ist man von dem Spiel danach so begeistert, dass man es ebenfalls weiterleitet, ist ein viraler Werbeprozess entstanden.

Somit lässt sich Viral Marketing als eine besondere Art der digitalen Mundpropaganda bezeichnen, wofür, abgeleitet vom englischen Word of Mouth (WOM), stellenweise auch Begrifflichkeiten wie Word of Mouse oder Word of Modem verwendet werden.

Eine gute Definition zu Viral Marketing bietet Bryce (2005): Viral marketing is a marketing technique that aims to exploit the network effects on the Internet by offering a selected target audience an incentive relevant to their needs that encourages them to voluntary pass on an electronic message too peers with similar interests, thereby generating growing exposure of the message.

Viral Marketing hat also ein gezieltes Auslösen von sozialen Epidemien zum Ziel, wobei mit minimalem Aufwand ein maximaler Verbreitungseffekt entstehen soll. Dabei orientiert sich Viral Marketing an der wohl ältesten Werbeform: der Mundpropaganda. Für die Verbreitung von Informationen zu Marken, Produkten und Kampagnen wird dazu das Internet genutzt, welches die unterschiedlichsten sozialen Gruppen schnell, zuverlässig und inhaltlich autark miteinander vernetzt. Es werden existierende soziale Netzwerke ausgenutzt, um Aufmerksamkeit zu erregen, indem sich Nachrichten durch die Kommunikation zwischen Kunden und Konsumenten epidemisch, wie ein Virus ausbreiten.