Talent Management: Einem Führungskräftemangel mit zielgerichtetem Personalmanagement vorbeugen - Konzepte - Gestaltungsempfehlungen - Praxisbeispiele

von: Jan Winkler

Diplomica Verlag GmbH, 2009

ISBN: 9783836626613 , 210 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: frei

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Preis: 44,99 EUR

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Talent Management: Einem Führungskräftemangel mit zielgerichtetem Personalmanagement vorbeugen - Konzepte - Gestaltungsempfehlungen - Praxisbeispiele


 

Textprobe: Kapitel 3.2.3.3, Personalentlohnung: In das Talent Management-Konzept des Praxisunternehmens wurde kein zusätzliches finanzielles Anreizsystem für die Programmteilnehmer integriert. Die individuelle Förderung der Talente, der Gegenwert der Personalentwicklungsmaßnahmen sowie die Aussicht auf absehbare Aufstiegsmöglichkeiten, die mit einer entsprechenden Gehaltsentwicklung verbunden sind, stellen bereits einen sehr großen Anreiz für die Teilnehmer dar. Je nach Alter und Position der Nachwuchsführungskräfte beziehen sie ein Grundgehalt im Bereich der Tarifgruppen vier bis sieben des Banktarifvertrages. Darüber hinaus gewährt das Unternehmen eine leistungs- und erfolgsabhängige Vergütung, bei deren Ermittlung auch die Arbeitsergebnisse im Rahmen des Talentprogramms Berücksichtigung finden. 3.2.3.4, Personalbeurteilung: Wie bereits im Unterkapitel zur Personalkontrolle erläutert, erhalten die Nachwuchsführungskräfte regelmäßiges Feedback über ihre Entwicklung im Rahmen persönlicher Gespräche. Es werden sowohl Ein-Perspektiven- als auch Zwei-Perspektiven-Beurteilungen eingesetzt. Zum einen sind dies 'Halbjahresgespräche', die von den Unternehmensvorständen sowie einem Mitarbeiter der Abteilung Personalmanagement mit jedem einzelnen Programmteilnehmer in halbjährlichem Abstand durchgeführt werden. Zum anderen ist das 'Leistungs- und Entwicklungsgespräch' zu nennen, welches nach dem Praxiseinsatz als Urlaubsvertretung einer Führungskraft mit dem direkten Vorgesetzten des Talents gehalten wird und neben der Erfahrungsdiskussion auch der Eingruppierung für die leistungs- und erfolgsabhängigen Vergütung des Unternehmens dient. Darüber hinaus hat das Talent jederzeit die Möglichkeit, sich von seinem Paten weitere Feedbacks einzuholen. Gesonderte Beurteilungsinstrumente werden für die Feedbackgespräche nicht eingesetzt. Beim Leistungs- und Entwicklungsgespräch kommt der gleiche Dokumentationsbogen wie für alle anderen Mitarbeiter zum Einsatz. 3.2.3.5, Personalcontrolling: Das untersuchte Unternehmen wendet keine speziellen Kennzahlen zum Personalcontrolling an. Jedoch führt das Unternehmen zur Überprüfung der Effektivität des Talent Management-Konzepts sowohl vor als auch nach dem Programmdurchlauf bei jedem Teilnehmer einen Test zur Messung der Führungspotentiale, die sogenannte Management Potential Evaluation, durch. Mittels des Vergleichs der Testergebnisse lässt sich der Entwicklungsfortschritt der Teilnehmer exakt bestimmen. Als 'weicher' Effektivitätsindikator gilt auch der Verlauf der Beurteilungsergebnisse der über das gesamte Programm hinweg durchgeführten Feedbackgespräche. Dem Kostencontrolling wird eine eher nachrangige Priorität beigemessen, denn die Gesamtkosten wurden zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht exakt ermittelt. Jedoch wurde in der Kostenplanung eine überschlägige Kalkulation vorgenommen. Dabei fanden Tagessätze für externe Dozenten in einer Höhe von etwa 2.100,00 Euro sowie Kosten je MPE in Höhe von etwa 550,00 - 590,00 Euro (inklusive eines Gutachtens mit einer Entwicklungsempfehlung für den Testteilnehmer) Berücksichtigung. Hinsichtlich der Konzepterfolgs lässt sich sagen, dass bereits während der Programmlaufzeit eine Führungsposition in Form einer Stelle als Filialleiter dauerhaft mit einer Nachwuchsführungskraft besetzt werden konnte. Zum Befragungszeitpunkt, als gut die Hälfte der achtzehnmonatigen Laufzeit absolviert waren, hat keiner der Teilnehmer das Programm vorzeitig verlassen. Aufgrund der bisherigen positiven Erfahrungen aus diesem ersten Programmdurchlauf ist nach dessen Beendigung ein zweiter Durchgang geplant. 3.3, Konzeptbeurteilung: Das Talent Management-Konzept des analysierten Praxisunternehmens erfüllt eine Vielzahl der zuvor aus der Fachliteratur zusammengefassten Gestaltungsempfehlungen, bietet jedoch auch die Möglichkeit für einige Verbesserungsansätze. Nachfolgend wird, soweit dies anhand der vorliegenden Befragungsergebnisse möglich ist, eine kurze Konzeptbeurteilung für die bereits in Kapitel 3.2 vorgestellten Konzeptbausteine durchgeführt und es werden gegebenenfalls Möglichkeiten der Konzeptverbesserung aufgezeigt. Am Ende des Kapitels wird festgehalten, welche Anregungen dieses Talentprogramm für die Erstellung des Konzepts für den Praxispartner geliefert hat. 3.3.1, Basisüberlegungen: Der Planungs- und Entwicklungsprozess des Programms an sich ist nachträglich anhand des Interviews kaum beurteilbar. Jedoch fällt sehr positiv auf, dass sich der Unternehmensvorstand aktiv in die Konzeptgestaltung und -umsetzung einschaltet. Dies untermauert die Wichtigkeit des Projekts für den Vorstand und lässt die Möglichkeit zu, strategische Überlegungen oder Änderungen rasch in das Konzept zu übertragen. Zudem wird durch die Unterstützung von oberster Instanz ein enormer Imagegewinn für das Programm erzeugt. Zur 'Anwenderfreundlichkeit' des Konzepts lässt sich sagen, dass die Prozesse klar strukturiert und für die Beteiligten leicht nachvollziehbar sind. Positiv ist ebenfalls hervorzuheben, dass mit den Mitarbeitern des Personalmanagements Prozessverantwortliche festgelegt wurden, die sich für den planmäßigen Programmablauf verantwortlich zeigen. Die kontinuierliche Versorgung des Unternehmens mit Führungsnachwuchs ist durch die geplante Programmneuauflage ebenfalls gesichert. Woran es dem Programm allerdings mangelt ist die Unterstützung durch ein geeignetes IT-System, das die während des Programms gesammelten Personaldaten der Talente vorhält und allen am Talent Management-Konzept beteiligten Parteien für Analysen parallel zur Verfügung stellt, um ein barrierefreies Zusammenarbeiten zu ermöglichen. Dies ist jedoch bisher nicht negativ ins Gewicht gefallen. Für eine entsprechende Integration sorgt die durchgängige Einschaltung der Abteilung Personalmanagement bei nahezu allen Prozessen. 3.3.2, Kernprozesse: Bei der Beurteilung der Personalplanung fällt positiv ins Gewicht, dass mit den Führungskräfteleitlinien eine genaue Beschreibung idealen Führungsverhaltens vorliegt, die den Nachwuchsführungskräften als Vorbild und Entwicklungsziel gilt. Entsprechend den Gestaltungsempfehlungen für Talent Management-Konzepte wurde eine ausführliche mehrdimensionale Talentdefinition vorgenommen. Hierdurch wird Klarheit über die vom Unternehmen fokussierte Zielgruppe geschaffen und die Planung der Personalentwicklungsmaßnahmen erhält eine solide Basis. Durch die enge Einbindung des Vorstands ist sichergestellt, dass aufgrund strategischer Änderungen notwendige Anpassungen der Talentdefinition zeitnah durchgeführt werden können. Somit werden die Gestaltungsempfehlungen zur Personalplanung sehr gut erfüllt. Durch die uneingeschränkte Veröffentlichung der Talentdefinition ist sichergestellt, dass diese im Rahmen der Personalbeschaffung einheitlich über das ganze Unternehmen hinweg angewendet wird. Hierdurch erhalten die Mitarbeiter klare Anhaltspunkte, ob sie für das Programm geeignet sind und dem Suchraster des Unternehmens entsprechen. Aus Unternehmenssicht sind damit klare Auswahlkriterien formuliert, die die Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten erleichtern. Die eingeräumte Möglichkeit der Selbstnominierung ist sehr zu loben. Ebenfalls positiv fällt auf, dass die Führungskräfte auf die aus ihrer Sicht für das Programm geeignetsten Kandidaten zugehen und sie zur Bewerbung animieren. Auf diese Weise können Mitarbeiter für den Auswahlprozess gewonnen werden, die ihr eigenes Leistungsvermögen eventuell falsch einschätzen und deshalb von der Bewerbung abgesehen hätten Wertvoll ist darüber hinaus die Kontaktaufnahme des Personalmanagements mit dem direkten Vorgesetzten des Bewerbers, um sich eine Einschätzung über den Mitarbeiter geben zu lassen. Hierbei wird sowohl auf die Stärken als auch auf die Entwicklungsfelder und die Teamfähigkeit des Kandidaten eingegangen, was nach den Gestaltungsempfehlungen für Talent Management unbedingt in die Entscheidungsfindung einbezogen werden sollte. Ebenfalls den Gestaltungsempfehlungen entsprechend, wird bei der Eignungsdiagnostik der Teilnehmer sowohl der vergangenheits-, gegenwarts- als auch der zukunftsorientierte Blickwinkel eingenommen. So fließen bisher gezeigte Leistungen durch die Beachtung der letzten Beurteilungsergebnisse in den Entscheidungsprozess ein. Das vorhandene Führungspotenzial und die Startbereitschaft für die neue Herausforderung werden mittels der Management Potential Evaluation der CEVEYSYSTEMS GmbH getestet. Durch die Beauftragung dieser externen Instanz ist die nötige Objektivität gewährleistet. Das Testverfahren ist zudem wissenschaftlich geprüft und erfüllt die Gütekriterien der Reliabilität und Validität deutlich. Seit der ersten Testversion aus dem Jahre 1987 sind in das Verfahren mittlerweile Erfahrungswerte mit mehr als 10.000 Führungskräften eingeflossen. Die kontinuierliche Verbesserung des Verfahrens führte zu einem heutigen Reliabilitätswert des Gesamttests von 0,87 und einer Validität von 0,45. Damit sind die vorgeschriebenen Normen eingehalten oder sogar übertroffen. Trotz aller Begeisterung seitens des befragten Unternehmens über dieses Testverfahren kann das Vorgehen bei der Bewerberauswahl unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten verbessert werden: Das Unternehmen ließ alle 25 Bewerber das Potentialeinschätzungsverfahren durchführen, obwohl maximal zehn Plätze im Talentprogramm zu besetzen waren. Da das Testverfahren je Teilnehmer etwa 550,00 bis 590,00 Euro kostet, ist es ökonomisch sinnvoller, zunächst eine Vorselektion durch ein kostengünstigeres Verfahren durchzuführen. Dies könnte beispielsweise durch ein Interview mit jedem Bewerber zur Feststellung der Führungseignung sowie der Motivation und Beweggründe für die Bewerbung durchgeführt werden. Auf diese Weise können die Entscheidungsschwierigkeiten, von denen der Personalverantwortliche des Unternehmens berichtete, reduziert oder gar vermieden werden. Das befragte Unternehmen hat in der Konfrontation mit diesem Verbesserungshinweis geäußert, durch das beschriebene Vorgehen allen Bewerbern die gleiche Chance geben zu wollen. Im geplanten zweiten Programmdurchlauf soll jedoch eine Vorselektion durchgeführt werden. Obwohl keine speziellen Alternativprogramme für die abgewiesenen Bewerber ins Leben gerufen wurden, hat sich keine spürbare 'Verlierer-Problematik' entwickelt. Durch die Begründung der Entscheidung in einem persönlichen Gespräch mit dem Bewerber wird das Resultat nachvollziehbar gemacht. Außerdem bleibt dem Mitarbeiter durch die Vormerkung für die geplante zweite Programmrunde die Möglichkeit erhalten, zu einem späteren Zeitpunkt doch noch Berücksichtigung für das Programm zu finden, wenn die aufgedeckten Entwicklungsfelder auf ein entsprechendes Niveau geführt wurden. Dies stellt für den Mitarbeiter eine durchaus akzeptable und befriedigende Lösung dar. Den Gestaltungsempfehlungen zum Baustein Personaleinsatz wird wiederum durchgängig entsprochen. Die Entscheidung für eine nebenberufliche Programmabsolvierung zeigt hier mehrere Vorteile. Zum einen werden die Personalkosten vergleichsweise niedrig gehalten, zum anderen wird auch sichergestellt, dass die Talente auf Positionen eingesetzt werden, auf denen sie ihre Stärken ausspielen können. Für ihren angestammten Arbeitsplatz haben sie sich schließlich ein Expertenwissen angeeignet, das nun durch das Programm um zusätzliche Führungserfahrungen und -aufgaben erweitert wird. Durch die Praxiseinsätze als Urlaubsvertretung einer Führungskraft wird den Talenten zudem frühzeitig Verantwortung übertragen, was für deren Entwicklung sehr wichtig ist. Diese Einsätze können sogar in Fachbereichen sein, in denen sie kaum oder keine Erfahrungen haben, da es vorkommen kann, dass sie nach erfolgreichem Programmabschluss auch Führungsrollen in solchen Bereichen zu übernehmen haben. Horizontale Karrierewege werden demnach ebenfalls eingeräumt. Die Talente erhalten darüber hinaus in den zu bearbeitenden Projektaufgaben die Gelegenheit, eigene Ideen und Verbesserungsansätze umzusetzen, was der Teilnehmermotivation sehr zuträglich ist. Positiv ist ebenfalls die kontinuierliche Erfolgsüberwachung im Rahmen der Personalkontrolle zu werten. Durch die Absolvierung von Zwischentests, das Führen von Feedbackgesprächen und die Definition verschiedener Meilensteine sind genügend Gelegenheiten gegeben, um Leistungsdefizite frühzeitig aufzudecken und auf sie reagieren zu können, um das finale Entwicklungsziel mit Erfolg zu erreichen. Mit der Personalfreisetzung, d.h. der Möglichkeit, dass Talente das Programm vorzeitig wieder verlassen möchten oder müssen, hat sich das Unternehmen von Beginn an bewusst auseinandergesetzt, was abermals positiv herauszustellen ist. Zwar wurden keine speziellen Programme zur Entschärfung einer 'Verlierer-Problematik' ins Leben gerufen, doch hier erweist sich erneut die Konzeption als arbeitsbegleitendes Programm als hilfreich. Da der Haupteinsatzort unverändert bleibt, wird eine eventuell als unangenehm empfundene 'Rückkehrsituation' vermieden. Kritischer zu sehen ist jedoch, dass die Namen der Programmteilnehmer nicht veröffentlicht werden. Zwar soll dies die Abbrecher ebenfalls vor einem eventuellen 'Gesichtsverlust' schützen, jedoch ist davon auszugehen, dass sich die Namen auf inoffiziellen Kommunikationswegen sowieso verbreiten, da durch die öffentliche Ausschreibung des Programms das Interesse seitens der Belegschaft geweckt wird, wer letztendlich für das Programm ausgewählt wurde. Zudem wird durch die Praxiseinsätze der Talente als Urlaubsvertretung von Führungskräften einem größeren Personenkreis publik, wer die Programmteilnehmer sind. Eine offene Kommunikation der Namen würde diese Situation entmystifizieren und vertrauensbildend wirken. Ein eventueller 'Gesichtsverlust' bei vorzeitigem Abbruch kann auch genauso gut dadurch vermieden werden, dass bereits bei der Vorstellung des Konzepts ein allgemeines Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass es sich bei dem Programm um eine anspruchsvolle Herausforderung handelt und von Unternehmensseite uneingeschränktes Verständnis für den Fall eines vorzeitigen Abbruchs besteht.