Differentielle Psychologie - Persönlichkeitsforschung

von: Hannelore Weber, Thomas Rammsayer

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2011

ISBN: 9783840921728 , 289 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 26,99 EUR

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Differentielle Psychologie - Persönlichkeitsforschung


 

Die nomothetische Forschung stößt jedoch nach Stern (1911, S. 3) an ihre Grenzen, „je enger der Umkreis der Gruppe, je spezifischer die Typik ist, deren Wesen bestimmt werden soll. Der Einschlag des Besonderen in das Allgemeine wird immer stärker, und die Grenze ist dort erreicht, wo die einzelne Individualität selber zum Problem wird“. Individualität als „die Asymptote der Gesetze suchenden Wis­ senschaft“ ist nach Stern (1911, S. 4) aus allgemeinen Gesetzen nicht ableitbar. Daraus folgt für die Differentielle Psychologie, dass sie ihre nomothetischen Methoden um idiographische Methoden erweitern muss, die das einzelne Individuum oder die Individualität zum For­ schungsgegenstand haben. Auch für die idiographische Forschung ergeben sich nach Stern zwei Perspektiven, wobei er in beiden Fällen eine streng empirische Vor­ gehensweise fordert (vgl. Abbildung 2):
• Die Psychographie hat nach Stern die Aufgabe, die an einer ein­ zelnen Person feststellbare Merkmalsfülle zunächst umfassend zu beschreiben und im nächsten Schritt nach strukturellen, die Vielfalt wieder vereinigenden, übergeordneten Prinzipien zu suchen.
• Die Komparationsforschung beinhaltet den systematischen Ver­ gleich zwischen mehreren Personen, deren jeweilige Individualität nach den Richtlinien der Psychographie beschrieben wurde.

Die vier Teilgebiete der Differentiellen Psychologie, die William Stern entworfen hat, bieten auch heute noch eine hilfreiche Struktu­ rierung der Persönlichkeitsforschung. Der Schwerpunkt liegt gegen­ wärtig eindeutig auf dem nomothetischen Zugang, ohne dass jedoch die idiographische Perspektive gänzlich aus dem Blickfeld der Per­ sönlichkeitsforschung geraten ist. Welche künftigen Wege die Per­ sönlichkeitsforschung angesichts der Entwicklung in den Neurowis­ senschaften gehen wird, in denen personspezifische Besonderheiten wie im Falle der „individualisierten Medizin“ zunehmend Beachtung finden, bleibt offen. Spannend wird die weitere Fortentwicklung des Faches allemal.

Zusammenfassung

Gegenstand der Persönlichkeitsforschung sind interindividuelle Unterschiede, die sich in einem breiten Spektrum an affektiven, kognitiven, motivationalen und verhaltensbezogenen Merkmalen manifestieren, sowie ihre biologischen, psychologischen und so­ zialen Ursachen und Folgen. Die Persönlichkeitsforschung bedient sich einer Vielzahl unterschiedlicher Methoden, wobei in jüngerer Zeit die Methodenpalette vor allem um (neuro)biologische und molekulargenetische Verfahren erweitert wurde. Die Entwicklung der Persönlichkeitsforschung wurde durch viele Forscherpersön­ lichkeiten geprägt, die zugleich auch wichtige theoretische Bei­ träge geleistet haben. Von besonderer Bedeutung für die Differen­ tielle Psychologie war William Stern, der mit seiner Unterscheidung von je zwei nomothetischen und idiographischen Forschungsrich­ tungen eine grundlegende Strukturierung der Persönlichkeitsfor­ schung entworfen hat.