Kochen (fast) ohne Geld - 70 Genießerrezepte. Wie Sie preisgünstig kochen, ohne am Geschmack zu sparen

von: Hans Gerlach

Mosaik bei Goldmann, 2011

ISBN: 9783641563004 , 174 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 15,99 EUR

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Kochen (fast) ohne Geld - 70 Genießerrezepte. Wie Sie preisgünstig kochen, ohne am Geschmack zu sparen


 

Doppelnutzen (S. 36-37)

Einmal kochen, zweimal genießen


Sie kocht gerne. Sophia Loren hat zwei Kochbücher über die Küche ihrer neapolitanischen Familie verfasst und sogar die Hauptrolle in einem Film gespielt, in dem es – neben Familienstreitigkeiten, die sich in Wohlgefallen auflösen – vor allem um ein Gericht mit Doppelnutzen geht: In »Samstag, Sonntag, Montag« kocht Donna Rosa (Sophia Loren) Ragù alla napoletana, das klassische neapolitanische Sonntagsessen. Bei diesem Gericht entstehen gleichzeitig eine feine Tomatensauce mit Bratenaroma und geschmorte Rinderrouladen, die dieses Aroma liefern. Zuerst serviert Donna Rosa die Tomatensauce mit Pasta als »Primo«, ersten Gang, anschließend Rouladen als »Secondo«, Hauptgang. Man kann die beiden Gänge des Ragù aber natürlich auch zu zwei verschiedenen Mahlzeiten servieren.

Gerichte wie das Ragù alla napoletana entwickeln sich aus einer Haltung der Sparsamkeit. Eigentlich kein Wunder in einer Gegend, die in Literatur und Film in der Regel als arm und gefährlich beschrieben wird. Dabei war das reale Neapel schon im Mittelalter Handelsmetropole und königliche Residenz. Das Königreich Neapel erstreckte sich zeitweise sogar bis nach Sizilien. Wort und Methode für das »Ragù« stammen aus der Kultur französischstämmiger Herrscher Neapels.

Ragoût bedeutet »Gericht aus Fleisch- oder Fischstückchen« und leitet sich her von dem französischen Verb ragoûter – den Gaumen reizen, Appetit machen. Nach Auffassung der Accademia italiana della cucina hat sich jedoch aus den Schmorgerichten reicher Aristokraten in Italien eine Methode entwickelt, mit der mittellose Bauern auch noch kleinste Spuren von Geschmack aus ärmlichsten Fleischresten extrahieren konnten. Nicht nur in Neapel, sondern unter anderem auch in der Gegend um Bologna. Vergessen Sie deshalb scheinbar authentische Rezepte für Ragù alle napoletana oder Spaghetti con Ragù alla bolognese, die fünf verschiedene Fleischsorten vorschreiben – es ging bei beiden nie um die Jagd nach komplexer Verfeinerung, sondern um die Verwertung vorhandener Zutaten.

Und manchmal hatte der Metzger eben Reste von fünf verschiedenen Fleischstücken. Ähnliches gilt auch für Gerichte wie die französische Bouillabaisse – übrigens auch ein Gericht, das normalerweise in zwei Gängen serviert wird. Welche Fische in die Bouillabaisse kamen, richtete sich nach dem Angebot an kleinen, grätenreichen Fischen, die südfranzösische Fischer billig an arme Leute verkauften. Jedes genaue Rezept ist hier nur ein hilfloser Versuch, die lebendige Realität in ein museales Bild zu pressen.

Sowohl Ragù als auch Bouillabaisse sind immer ein Essen für Sonn- und Feiertage. Obwohl die Zutaten günstig sein müssen – oder zumindest sein mussten. Weil diese Rezepte ganz darauf ausgerichtet sind, die Aromen der verfügbaren Zutaten besonders gut in Szene zu setzen. Und so bildet auch hier Sparsamkeit keinen Gegensatz zu guter Küche.