»Solange das Imperium da ist«. - Carl Schmitt im Gespräch mit Klaus Figge und Dieter Groh 1971. Hrsg., kommentiert und eingeleitet von Frank Hertweck und Dimitrios Kisoudis in Zusammenarbeit mit Gerd Giesler. Mit einem Nachwort von Dieter Groh.

von: Dieter Groh, Dimitrios Kisoudis, Gerd Giesler

Duncker & Humblot GmbH, 2010

ISBN: 9783428534524 , 198 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 29,90 EUR

Mehr zum Inhalt

»Solange das Imperium da ist«. - Carl Schmitt im Gespräch mit Klaus Figge und Dieter Groh 1971. Hrsg., kommentiert und eingeleitet von Frank Hertweck und Dimitrios Kisoudis in Zusammenarbeit mit Gerd Giesler. Mit einem Nachwort von Dieter Groh.


 

Band 4: On s’engage, puis on voit (S. 94-95)

Kapitel 16 Die schöne Pilgerfahrt nach Goethe


Carl Schmitt:


Das wär’ die Zeit vom 30. Januar bis zum 24. März, bis zum Ermächtigungsgesetz. Versetzen Sie sich mal in die Lage: Das ist eine lange Zeit, wenn man in einer derartigen Spannung lebt, schon Monate lang vorher gelebt hat, und nun noch in Berlin mit solchen Bekannten und deren Interessen, und nicht nur theoretisch- wissenschaftlichen, sondern auch persönlichen Interessen. Ich muss noch bemerken, dass Marcks seine Stelle als Reichspressechef sofort niedergelegt hat, als die Nachricht kam, dass Schleicher entlassen ist und Hitler ernannt, also sofort. Aber er hätte sie, unter uns gesagt, noch viel schneller [schmunzelt] niedergelegt, wenn Hugenberg. . . Der Hass gegen Hugenberg war unvorstellbar bei diesen beiden, bei Schleicher und Marcks und auch bei Ott. Das war dann schließlich doch der eigentliche Feind und das eigentliche Unheil für diese nächste Umgebung von Schleicher in dem Moment.[1]

Ich muss aber etwas Privates noch erwähnen, nämlich: Ich hatte einen Ruf nach Köln, wie ich eben sagte, und meine arme Frau machte den Umzug von Berlin nach Köln mit einer großen Bibliothek. Meine Frau hatte ja auch ’ne sehr schwere Operation hinter sich, wir hatten ein Kind von zwei Jahren, meine Tochter ist im August ’31 geboren.[2] Es gehörte ja alles dazu. Sie fuhr dann nach Köln, suchte dort eine Wohnung, machte den Umzug usw.

Ich, mit dieser Egozentrizität des Wissenschaftlers und Gelehrten, verstehe erst heute, was die arme Frau da auf sich genommen hat, wie diese Arbeit ist. Ich saß da in Berlin und führte hochinteressante Gespräche, und die machte nun den ganzen Umzug. Ich habe mehrere Umzüge so gemacht, von Bonn nach Berlin, in Berlin dreimal umgezogen, von Berlin nach Köln, von Köln nach Berlin; also im Laufe weniger Jahre sechs bis sieben Umzüge. Ich bin keine Sekunde in meiner Arbeit gestört worden. Das hat die gute Frau Schmitt also einfach gemacht. Und ich, in meinem Gelehrtendünkel, habe das nichtmal bemerkt, was das eigentlich bedeutet. Heute weiß ich es also.

Schön, das war die Situation. Nun, ich wartete ab, bis ich in Köln eine Wohnung gefunden hatte. Da hatte sich in der Pfarriusstraße was gefunden, und dann ging der Umzug vor sich. Ich habe nichts gesehen. Ich begab mich auf eine höchstinteressante Reise, nämlich nach dem 5. März; also ununterbrochen fast tägliche Besuche, gegenseitige Besuche und Besprechungen, gemeinsames Mittagessen, Abendessen, Frühstück, oder bei Habel beim Wein mit Leuten wie Marcks und Popitz und Ott und deren Frauen. Das war die Zeit bis 24, was habe ich nun nach dem 24. gemacht?

Ich habe Ihnen eben auseinanderzusetzen versucht, wie das auf einen Juristen wirkt; und habe versucht, mich in die Situation. . . zu fragen: Was hätte Kelsen gemacht (wenn man mal so heuristisch fragen darf) in meiner Situation? Denn Kelsen hat ja auch bei Verfassungen mitgemacht, österreichische Verfassung gemacht. Dann gerät man, das ist unvermeidlich. . . Wenn da plötzlich von rechts oder links ein Stoß gekommen wäre (wann war das: 1920, als Kelsen die österreichische Verfassung. . . ?), weiß ich auch nicht, was er gemacht hätte.[3]