Studium ohne Abitur - Möglichkeiten und Perspektiven der akademischen Qualifizierung für Facharbeiter

von: Eckart Severing, Herbert Loebe, Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

wbv Media, 1949

ISBN: 9783763944019 , 200 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 19,90 EUR

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Studium ohne Abitur - Möglichkeiten und Perspektiven der akademischen Qualifizierung für Facharbeiter


 

Technische Fachkräfte dringend gesucht – Ursachen und Handlungsstrategien (Seite 31)
Lutz Galiläer, Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

1 Einleitung

Die konjunkturelle Aufschwungphase der vergangenen Jahre wurde begleitet von Berichten über einen zunehmenden Mangel an Fachkräften. Vor allem in Unternehmen aus volkswirtschaftlich bedeutsamen Branchen wuchsen die Schwierigkeiten, Stellen vor allem für Ingenieure und Techniker zu besetzen – in Großunternehmen ebenso wie in kleinen und mittelständischen Betrieben. Nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft hat der Fachkräftemangel auch gravierende finanzielle Auswirkungen. Danach kosteten die 165 000 unbesetzten Stellen für Ingenieure im Jahr 2006 die deutsche Volkswirtschaft 0,8 % ihres BIP, das entspricht ca. 18,7 Milliarden Euro (IW Köln 2007).
Obgleich die Knappheit von Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt vor allem Ingenieure bestimmter Fachrichtungen, IT-Spezialisten und andere technische Fachkräfte betrifft, gibt es auch aus anderen Beschäftigungssegmenten Meldungen über Personalengpässe und nicht besetzbare Stellen, etwa in der Altenpflege oder der ärztlichen Versorgung ländlicher Gebiete im Osten Deutschlands. Für diese Mangelsituationen werden so unterschiedliche Gründe verantwortlich gemacht wie die schlechte Abstimmung von Ausbildungs- und Beschäftigungssystem, stagnierende Absolventenzahlen, „qualifikatorischer Mismatch“ (Klös 2001), unattraktive Arbeitsbedingungen, eine plötzliche und starke Expansion der Nachfrage nach bestimmten Arbeitskräften sowie regionale Standortnachteile. Bei einigen Berufsgruppen wie den derzeit gesuchten Ingenieuren lassen sich wiederkehrende, temporäre Über- und Unterangebotszustände beobachten. So wurden beispielsweise Mitte der 90er-Jahre vergleichsweise wenige Ingenieure und Informatiker eingestellt, während nur wenige Jahre später der enorme Nachfrageüberhang mit der Anwerbung ausländischer Fachkräfte abgebaut werden sollte (Stichwort „Greencard“). Auch in der seit 2006 herrschenden Knappheitslage steht die Nutzung des Potenzials an Fachkräften aus dem Ausland wieder in der Diskussion.
Fachkräftemangel ist also ein vielschichtiges Phänomen. Die Verfügung über eine wachsende Anzahl hoch qualifizierter Fachkräfte ist eine entscheidende Bedingung für die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum in allen entwickelten Volkswirtschaften. In Deutschland – und einigen anderen europäischen Staaten – gibt es Anzeichen dafür, dass jenseits zyklischer, meist konjunkturell bedingter Knappheiten der Fachkräftemangel auch strukturelle Ursachen hat und daher mittel- und langfristig weiter zunehmen wird, wenn nicht gegengesteuert wird. Diese Diagnose und die daraus ableitbaren Gegenstrategien sind keineswegs neu (siehe etwa die Vorschläge der Bertelsmann Stiftung 2002, Eichhorst/Thode 2002 sowie Reinberg/Hummel 2002). Der Handlungsdruck – auf politischer Ebene wie in der Wirtschaft – besteht allerdings nach wie vor und wird größer: Während wirtschaftliche und technologische Entwicklungen zu einem steigenden Bedarf an gut qualifizierten Fachkräften führen, werden sozioökonomische Faktoren das Erwerbspersonenpotenzial für dieses Berufssegment in den nächsten Jahrzehnten weiter verknappen. Gefragt sind vorausschauende, präventive Strategien, die dieser Entwicklung entgegenwirken.
Angesichts der aktuellen Diskussion sowie der begrenzten Wirksamkeit bisheriger Aktivitäten zur Erhöhung des Reservoirs an hoch qualifizierten Arbeitskräften skizziert der Artikel den Status quo, sich abzeichnende Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sowie betriebliche wie überbetriebliche Handlungsoptionen gegen den Fachkräftemangel. Die Darstellungen in diesem Beitrag konzentrieren sich auf den Bereich technische Fachkräfte.