Die personenbedingte Kündigung wegen Krankheit

von: Renate Knauf

Diplomica Verlag GmbH, 2008

ISBN: 9783836608503 , 105 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: frei

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Preis: 43,00 EUR

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Die personenbedingte Kündigung wegen Krankheit


 

Kapitel 4.3, Krankheitsbedingte Leistungsunfähigkeit

Ist der Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit auf Dauer nicht mehr in der Lage, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, so kann dies ebenfalls eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen. Von einer dauernden Leistungsunfähigkeit ist auszugehen, wenn bei Kündigungszugang die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bereits längere Zeit bestanden hat und mit einer Genesung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Rechtsprechung setzt die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit jedenfalls dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann.

Bei der krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit ist im Rahmen der Prüfung der sozialen Rechtfertigung genauso wie bei den anderen Krankheitsgründen ein dreistufiges Prüfungsschema anzuwenden. Da jedoch hierbei die Ergebnisse der einzelnen Prüfungsschritte sehr offensichtlich sind, also kaum Besonderheiten aufweisen und demnach relativ kurz dargelegt werden können, ist auf eine gesonderte Untergliederung verzichtet worden.

Eine Begründung der negativen Prognose hinsichtlich zukünftiger Fehlzeiten ist in diesem Falle nicht erforderlich. Der dauernden Leistungsunfähigkeit liegt eine Negativprognose stets zugrunde.

Ändert sich nach Ausspruch der Kündigung der Krankheitsverlauf, so kann dieser Umstand die Prognose genauso wie bei der Kündigung wegen Langzeiterkrankung oder wegen häufiger Kurzerkrankungen weder bestätigen noch ändern.

Ist der Arbeitnehmer krankheitsbedingt auf Dauer arbeitsunfähig, so ist in der Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen auszugehen. Von einem Fehlen der betrieblichen Beeinträchtigung kann hierbei nur in den kaum vorstellbaren Fällen ausgegangen werden, wenn die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber keinerlei Wert hat. Diesen wohl sehr unwahrscheinlichen Tatbestand, der voraussetzt, dass der Arbeitgeber überflüssige Arbeitnehmer beschäftigen würde, muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen.

Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ist darin zu sehen, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit daran gehindert wird, sein Direktionsrecht auszuüben und den Arbeitnehmer im Rahmen der unternehmerischen Planung zu beschäftigen. Alleine der Umstand, dass der Arbeitnehmer zukünftig nicht mehr in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zeigt, dass das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis auf Dauer erheblich gestört ist. Steht also schon fest, dass der erkrankte Arbeitnehmer dauerhaft unfähig sein wird, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, so braucht der Arbeitgeber keine weitere erhebliche betriebliche Beeinträchtigung darzulegen. Ist die Genesung des erkrankten Arbeitnehmers also völlig ungewiss, so kann der Arbeitgeber auch ohne das Vorliegen hoher Entgeltfortzahlungskosten oder konkreter Störungen im Betriebsablauf kündigen.

Liegt eine dauernde Arbeitsunfähigkeit vor, so fällt die Interessenabwägung in der Regel zu Lasten des Arbeitnehmers aus. Der Arbeitgeber kann in diesem Fall nicht daran gehindert werden, auf Dauer einen anderen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsplatz des erkrankten Arbeitnehmers zu beschäftigen. Die Kündigung wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit ist aber nur dann sozial gerechtfertigt, wenn es nicht möglich ist, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz einzusetzen. Gegebenenfalls hat der Arbeitgeber für den betroffenen Arbeitnehmer einen gesundheitsgerechteren Arbeitsplatz freizumachen, wodurch zu erwarten ist, dass zukünftig krankheitsbedingte Fehlzeiten ausbleiben. Durch Ausübung seines Direktionsrechtes kann er eine Umorganisation des Personaleinsatzes bestimmen. Zudem muss er sich auch bemühen, die Zustimmung des Betriebsrats zu diesen Maßnahmen zu erhalten. Verweigert der Betriebsrat einer mitbestimmungspflichtigen Versetzung die Zustimmung, so ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG verpflichtet.

Ist es aber nicht möglich, den erkrankten Arbeitnehmer durch Umorganisation auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, so geht die Interessenabwägung in der Regel zu Gunsten des Arbeitgebers aus. Da das Arbeitsverhältnis auf Grund der dauernden Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht mehr vollzogen werden kann, ist es sinnentleert. Hierbei besteht kein schützenswertes Interesse des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber daran zu hindern, auf Dauer einen anderen Arbeitnehmer mit der Tätigkeit des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers zu beauftragen. Vielmehr überwiegt das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des sinnentleerten Arbeitsverhältnisses.Ist der Arbeitnehmer dauerhaft arbeitsunfähig, jedoch infolge einzelvertraglicher oder tarifvertraglicher Regelung nicht mehr ordentlich kündbar, kommt auch eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist in Betracht. Ist das Arbeitsverhältnis auf Dauer gestört, weil auf absehbare Zeit kein Leistungsaustausch mehr erfolgen kann, kann auch eine Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt sein.

Beispiel:

In einem entschiedenen Fall ging es um einen Bahnarbeiter, der tarifvertraglich unkündbar war. Er konnte lediglich aus wichtigem Grund gekündigt werden. In dem konkreten Fall fehlte der Bahnarbeiter 1985 in neun Fällen insgesamt an 105 Tagen, 1986 in acht Fällen an 57 Tagen, 1987 in zwei Fällen an 40 Tagen, 1988 in drei Fällen an 128 Tagen, 1989 in fünf Fällen an 90 Tagen und 1990 in zwei Fällen an 276 Tagen. Eine ärztliche Untersuchung ergab, dass auch zukünftig mit vermehrten Ausfällen gerechnet werden musste. Infolgedessen kündigte der Arbeitgeber fristlos mit einer sozialen Auslauffrist. Der Arbeitnehmer klagte jedoch gegen diese Kündigung mit der Begründung, dass er unkündbar sei und eine Krankheit keinen wichtigen Grund für eine Kündigung darstelle.Das BAG wies die Kündigungsschutzklage ab. Die Krankheit stelle zwar grundsätzlich keinen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung gemäß § 626 BGB dar, jedoch sei die Unfähigkeit, die Arbeit fortzusetzen, als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen, wenn durch die Krankheit die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. In diesem Falle seien die Grundsätze zur Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung, die für die ordentliche Kündigung gelten, auch bei einer außerordentlichen Kündigung anzuwenden...