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Das Innovationsportfolio: Produktstrategien für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung - Kombination unterschiedlicher Innovationsstrategien zur ausgeglichenen Streuung von Risiko und Rendite in der Innovationsentwicklung unter Berücksichtigung von


 

Textprobe: Kapitel 6.2 Innovations-Sphäre: Kapitel 6.2.1 Die drei Innovationsstrategien: In den nachfolgenden Kapiteln werden die drei Innovationsstrategien des Portfolios erläutert. Dabei wird auf deren generelle Vor- und Nachteile im ersten Kapitel der Pionier-Strategie detailliert eingegangen; die Konsolidierungs- und Bewahrer-Strategie lediglich durch strategiespezifische Merkmale ergänzt, die bei deren Verfolgung beachtet werden müssen. Die Kompaktansicht zu jeder Strategie gewährt einen schnellen Überblick zu deren besonderen, in Relation zu den anderen Strategien gesehenen Stärken und Schwächen. Kapitel 6.2.1.1 Die Pionier-Strategie: Wie schon in der Problemstellung erwähnt, bezeichnen sich Unternehmen gerne als innovativ und zukunftsorientiert. Gassmann et al. bringen dazu den treffenden Vergleich, dass das ständige Beteuern des Innovativ-Seins, des andauernden Hinweises gleichkommt, Humor zu besitzen. Während nur 10 % aller neuen Produkte wirklich innovativ sind, leisten Unternehmen bei ihren restlichen Entwicklungen keine echte Pionierleistung. Diese Leistungs-, Verbesserungs- oder Anpassungsinnovationen (Hauschildt et al. geben an, dass die Anzahl an Bezeichnungen inflationär und unübersichtlich ist ) werden im Kap. 6.2.1.3 genauer beschrieben. In diesem Kapitel geht es hingegen um die echten Innovationen - also um radikale Produkte, die vollkommen neu sind, für die bisher keine Märkte bestehen und somit neue Kundenbedürfnisse schaffen und befriedigen. Mit ihnen wird ein neutraler Bereich betreten, der weder dem Wettbewerb noch dem Unternehmen selber bekannt ist. Anders als bei den Stoßrichtungen der Bewahrer, wo auf das unternehmenseigene Portfolio zurückgegriffen wird, oder den Konsolidierern, in dem sich am fremden Portfolio des Wettbewerbs oder sonstigen externen Quellen bedient wird, stellt die revolutionäre Innovation eine neutrale Zone dar, die der für sich - zumindest zeitweise - beanspruchen darf, der sie als Erster erreicht. Kim et al. nennen diese auch 'Blauer Ozean' - also Märkte, in denen bisher keine Konkurrenz existiert. Diese Strategie wird als Pionier-, Leader-, First-Mover- oder First-to-Market-Strategie bezeichnet. Kapitel 6.2.1.1.1 Vorteile: (1) Differenzierung und Wettbewerb: Gassmann et al. fassen die Motivation für Innovationen in zwei wesentlichen Kernaspekten zusammen: Durch die Entwicklung von Innovationen entgehen Unternehmen einerseits einem harten und zersetzenden Preiskampf, der, auf Grund der Globalisierung, besonders durch Produkte aus Billiglohnländern hervorgerufen wird, gegen den die Industriestaaten mit ihren hohen Lohn- und Fixkosten nicht ankommen. Durch neue Produkte können sie es jedoch schaffen, sich von diesem aggressiv preisgetriebenen Wettbewerb zu differenzieren. Andererseits sollen durch Innovationen langfristig Kosten eingespart werden - sowohl beim Hersteller, wie auch beim Endkunden. Erst einmal setzen diese jedoch Investitionen voraus. Radikale Innovationen stellen somit eine Ausweichstrategie dar, indem Unternehmen völlig neue Produkte mit neuem Kundenutzen entwickeln. Eine Loslösung von der Denkweise des Wettbewerbs ist dabei essentiell, da sich diese meist darin erschöpft, dem Wirken der Konkurrenz nachzueifern. Die Paradigmen des Wettbewerbs müssen zu dessen Überflügelung stattdessen hinterfragt und aufgebrochen werden, anstatt sie als gegeben zu betrachten. [...] (4) Image: Da sich die meisten Unternehmen als innovativ bezeichnen, scheint die Entwicklung von Innovationen einen wesentlichen, positiven Beitrag zu deren Image zu leisten. Eine mögliche Erklärung dafür, kann die Innovation als soziales Phänomen sein: Die Gesellschaft sieht im Innovationsstreben, die herausfordernde Annahme zur Bewältigung des Neuen und Unbekannten und das Bestreben nach Fortschritt und Erneuerung, welches sie unterstützt. 'Neben Produktqualität, Kontinuität, Konstanz und Glaubwürdigkeit werden Faktoren wie Innovationskraft [...]' somit immer wichtiger, um ein positives Unternehmensbild zu schaffen. Kunden honorieren diese Bestrebungen durch besondere Markenloyalität und wandern nicht zu frühen bzw. späten Folgern ab. Das Unternehmen wird zu einem 'Innovationstreiber, Trendsetter und Marktgestalter.' Werbetechnisch wird dies schnell zum Selbstläufer und sorgt für positiven Gesprächsstoff. Einen weiteren Erklärungsansatz stellen die Begeisterungsfaktoren im Kano-Modell dar: Diese sind Produktfunktionen, die vom Kunden nicht erwartet werden, beim Fehlen somit logischerweise nicht zu Unzufriedenheit führen, aber bei Vorhandensein den Kunden umso mehr faszinieren. Da radikale Innovationen per Definition für Markt und Kunden neu sind, lassen sie sich als Begeisterungsfaktoren bezeichnen, die die positive Wahrnehmung des Unternehmens, bei zufriedenstellender Umsetzung, erheblich unterstützen. Kapitel 6.2.1.1.2 Nachteile: [...] (3) Entwicklungs- und Amortisationszeit: Stern et al. bemerken, dass radikale Innovationen einen erhöhten Entwicklungs- und Zeitaufwand benötigen, was sich auch auf deren ausgesprochen hohe Komplexität zurückführen lässt. Diese setzt ein hohes Maß an Ausdauer und Beharrlichkeit bei der Entwicklung voraus, welche in der Praxis meist fehlen. Einer der Hauptgründe dafür ist das sehr kurzfristige Ergebnisdenken des Managements, welches frühzeitig Erfolge sehen möchte. Zu Gunsten von Projekten, die kurzfristig Gewinne erwirtschaften, werden Ressourcen, in Form von Personal, Kapital und Sachgütern, von radikalen Innovationsprojekten abgezogen und den sicheren Projekten zugewiesen. Christensen identifiziert dabei das Problem, dass InnovaInnovationsprojekte weniger von der Unternehmensleitung, sondern vom mittleren Management getragen werden, welches sehr auf schnelle, finanzielle Erfolge fokussiert ist, wodurch radikale Projekte langsam im Sande verlaufen. Weitere Ursachen sind der zunehmende Markt- und Zeitdruck, auf Produkte der Konkurrenz zu reagieren. Freigestellte Zeit, um selber an neuen Produkten zu tüfteln, wird oft nicht zugelassen. (4) Wissen Vahs et al. sehen in der ständigen Aktualisierung des Wissens eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Innovationstätigkeit eines Unternehmens. Hauschildt et al. erkennen jedoch, dass es durchaus aufwendig ist, dieses Wissen zu identifizieren bzw. zu generieren. Sie bezeichnen die dafür nötigen Aktivitäten als Wissensmanagement. Dieses befasst sich mit der Wissensbeschaffung, welche einerseits durch Befragung von Experten oder Recherche in Datenspeichern, andererseits mit der 'Mobilisierung von verborgenem, vergessenem, geheim gehaltenem und nicht artikulierbarem Wissen' geschieht. Während dieser Prozess eine aufwändige Führungsaufgabe ist, ist auch der Aufbau von Datenbanken und deren Pflege durchaus mit hohen Investitionen und Kosten verbunden. Weiterhin besteht die Gefahr, dass langjährig gelerntes Wissen in den Innovationsprozess eingebracht wird, was für Routineaufgaben wertvoll ist, aber visionäre, kreative Innovationstätigkeiten unterbindet - was sich sowohl auf interne wie externe Wissensquellen bezieht. Als Alternative bietet sich der Einkauf von externem Wissen an, wobei ein klarer Nachteil die Investitionssumme Investitionssumme darstellt. Die Kooperationen mit Open-Innovation-Partnern oder Hochschulen kann jedoch ein günstiger Bezugsort zur Wissensbeschaffung sein. [...] (6) Organisation: Die Entwicklung radikaler Innovationen ist naturgemäß eine Abweichung zu den Routineprozessen der täglichen Arbeit des Unternehmens: Dies begründet sich aus deren Neuheits- und Unsicherheitscharakter und der dadurch schwierigen Integration des Innovationsprozesses in bestehende Organisationsstrukturen. Innovationen ziehen sich stattdessen durch alle Instanzen des Unternehmens und werden dadurch als störend empfunden, da die geregelten, effizienten Prozesse oft übergangen werden. An dieser Ineffizienz scheitern auch heute noch viele Unternehmen: Das Innovationsmanagement ist oft strukturell zu komplex angelegt - es setzt sich aus vielen Einzelabteilungen zusammen, die die Abläufe verkomplizieren und immer noch versuchen, Innovationsprozesse in die Routineprozesse zu drängen. Für die Entwicklung von radikalen Innovationen muss somit zuerst eine psychologische Hürde durchbrochen werden, um deren spezielle Bedürfnisse zu akzeptieren - denn viele Unternehmen beschränken Innovationen nur auf die Technologie und vergessen, dass sie auch organisationale Innovationen als Grundlage benötigt. Idealerweise wird dazu eine entsprechende Organisationseinheit geschaffen, die sich derer annimmt und sie von den effizienten Abläufen des übrigen Unternehmens trennt. Dies schützt auch davor, dass Innovationsprojekte aufgrund der dazugehörenden Fehlschläge vorschnell abgebrochen, oder ihnen Ressourcen entzogen werden. Diese separaten Einheiten werden als 'Skunk Works' bezeichnet. Sie arbeiten abgeschottet von der Mutterorganisation, organisieren sich eigenverantwortlich und treffen selbstständig ihre Entscheidungen, um den trägen Prozessen in der konventionellen Organisation zu entgehen. Während ein iterativer Lernprozess durch Versuch und Irrtum bei risikoreichen Projekten unumgänglich ist, wäre dies bei evolutionären Produktentwicklungen in den Routineprozessen undenkbar, da deren Kosteneffizienz einen wichtigen Faktor zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit darstellt. Trotzdem empfehlen O´Reilly und Tushman, dass eine gute und direkte Kommunikation zwischen Skunk Works und Mutterorganisation nicht zu vernachlässigen ist, damit sich diese nicht als Organisation zweiter Klasse fühlt und die Skunk Works boykottiert. Fördert ein Unternehmen keine eigenen Abteilungen, die sich um radikale Innovationen kümmert, kann es auch verdeckt von motivierten Mitarbeitern zu Eigenentwicklungen kommen, dem sogenannten 'Bootlegging'. Trotz der Bemühungen ist dabei jedoch oft nur mit inkrementellen Innovationen zu rechnen, ohne dass eine echte Pionierleistung erzielt wird.