Medizindidaktik - Ein Handbuch für die Praxis

von: Götz Fabry

Hogrefe AG, 2008

ISBN: 9783456945996 , 273 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 26,99 EUR

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Medizindidaktik - Ein Handbuch für die Praxis


 

"4 Unterrichtsmethoden: Welches Mittel zu welchem Zweck? (S. 118-119)

4.1 Vorlesung

4.1.1 Konzeptuelle Fragen: Die Rolle der Vorlesung in der ärztlichen Ausbildung


Lange Zeit galt die Vorlesung als die universitäre Lehrmethode schlechthin. Auch im Medizinstudium war sie meist die dominierende Unterrichtsform: Das Wort des Ordinarius, durch den das antike medizinische Wissen ex cathedra tradiert, interpretiert und disputiert wurde, galt bis in die Zeit der Aufklärung mehr als die eigene Beobachtung und Erfahrung. Diese Auffassung änderte sich mit der Verbreitung des systematischen klinischen Unterrichts am Krankenbett seit dem 18. Jahrhundert und mit der Einführung der experimentellen Praktika im Labor seit der zweiten Hälfte Aus der Reflexion auf die grundlegenden Herausforderungen, denen sich die ärztliche Ausbildung gegenüber sieht, und der Darstellung der wichtigsten Voraussetzungen universitären Lernens, haben sich zwei Aspekte als besonders wichtig herausgestellt: die stärkere Praxisorientierung auf der einen Seite und die Verschiebung vom dozentenzentrierten Lehren zum studentenzentrierten Lernen auf der anderen Seite.

Diese Themen sind folglich auch die wichtigsten Koordinaten, wenn es um die Frage nach den geeigneten Methoden für das Medizinstudiums geht. Die Approbationsordnung macht hinsichtlich der konkreten Gestaltung der Lehre insgesamt nur allgemeine Aussagen, etwa zu Gruppengrößen. Allerdings werden für bestimmte Fächer einzelne Unterrichtsformen vorgeschrieben (Kurse, Praktika, Seminare, Unterricht am Krankenbett, etc.) und deren Ziele und Aufgaben innerhalb des Gesamtcurriculums benannt. Die meisten dieser Lehrmethoden sind bereits traditionelle Bestandteile des Medizinstudiums bzw. des universitären Unterrichts überhaupt.

Sie werden in diesem Kapitel dargestellt, um dann aus medizindidaktischer Sicht zu fragen, welche Stärken und Schwächen diese Methoden haben und wie sie eingesetzt werden können, um zu einer praxisorientierten Wissensbasis beizutragen und das eigenverantwortliche Lernen der Studierenden zu fördern. des 19. Jahrhunderts. Durch den enormen Erfolg der Naturwissenschaften wurde der aus eigener Anschauung und Erfahrung neues Wissen schaffende Forscher zum paradigmatischen Typus auch der ärztlichen Ausbildung. Die Studierenden sollten die im Labor erlernten wissenschaftlichen Methoden auf ihre Tätigkeit am Krankenbett übertragen.

Daher musste ihnen möglichst viel Gelegenheit zu eigener praktischer Erfahrung gegeben werden. Dieser Anspruch scheiterte allerdings bereits nach wenigen Jahrzehnten an den Studentenzahlen, die sich zwischen 1870 und 1890 verdreifachten (Bonner 1995). Aus Kapazitätsgründen verdrängte daher zunehmend die klinische „Hauptvorlesung"" den Unterricht am Krankenbett und damit auch die Möglichkeit für die Studierenden, selbst Hand an den Patienten zu legen und eigene praktische Erfahrungen zum Ausgangspunkt ihres Lernens zu machen (Simmer 1970). Die negativen Auswirkungen dieser Veränderung auf die Qualität der ärztlichen Ausbildung wurden zwar immer wieder und teilweise sehr kontrovers diskutiert, die Hauptvorlesung durch den Ordinarius, deren Besuch schließlich obligatorisch vorgeschrieben wurde, blieb aber dennoch bis in die Bestallungsordnung von 1953 hinein die tragende Säule des Medizinstudiums (Pütter 1988).

Erst die Approbationsordnung von 1970, mit der das Studium umfassend reformiert und insgesamt praxisorientierter werden sollte, brachte eine grundlegende Veränderung in der Gewichtung der Lehrmethoden. Unterricht in kleinen Gruppen und die Unterweisung am Patienten wurden stärker betont. Zudem sollte die traditionelle Ausrichtung der Inhalte an der fachspezifischen Systematik zugunsten einer gegenstandsbezogenen Struktur aufgegeben werden. Stärker noch als diese didaktischen und inhaltlichen Veränderungen wirkte sich aber die Reform des Prüfungswesens aus:

Durch das jetzt zentral vom neugeschaffenen Institut für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) organisierte Staatsexamen verlor die Kenntnis der Lehrmeinung des Ordinarius vor Ort an Relevanz für die Studierenden, so dass die Vorlesung, deren Besuch zudem nicht mehr verpflichtend war, weiter an Attraktivität verlor (Pütter 1988). Gleichzeitig stellten die rasch ansteigenden Studierendenzahlen erneut ein Problem für die Umsetzung der von der Approbationsordnung vorgesehenen Unterrichtsgestaltung dar. Als Reaktion auf diese Entwicklung wurde die Rolle der Vorlesung mit der zweiten Novellierung der Approbationsordnung von 1978 wieder gestärkt. "