Selbstregulation erfolgreich fördern - Praxisnahe Trainingsprogramme für effektives Lernen

von: Meike Landmann, Bernhard Schmitz

Kohlhammer Verlag, 2007

ISBN: 9783170280601 , 344 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 28,99 EUR

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Selbstregulation erfolgreich fördern - Praxisnahe Trainingsprogramme für effektives Lernen


 

Teil II – Wirksame Trainingskonzepte in unterschiedlichen Anwendungsbereichen der Pädagogischen Psychologie


➪  Zielgruppe: Schüler und Studierende

3 Hausaufgaben-Training für Schüler der Sekundarstufe I: Förderung selbstregulierten Lernens in Kombination mit mathematischem Problemlösen bei der Bearbeitung von Textaufgaben


Franziska Perels

Martin schreibt in der nächsten Woche eine Mathearbeit. In der letzten Arbeit hat er eine Vier geschrieben, mit der sowohl er als auch seine Eltern keineswegs zufrieden waren. Noch während des Unterrichts nimmt er sich deshalb vor, heute gleich nach der Schule seine Hausaufgaben zu machen und anschließend noch ganz viel Mathe zu pauken.

Als er zu Hause ankommt, hat seine Mutter ihm schon das Mittagessen zubereitet. Es gibt Spaghetti mit Tomatensauce – sein Lieblingsessen. Nachdem er einen riesigen Berg Nudeln verspeist hat, erinnert er sich daran, dass er gleich nach dem Mittagessen seine Hausaufgaben machen wollte. So richtig Lust hat er aber irgendwie nicht. Also geht er erst noch einmal zum Kühlschrank, um dort nachzuforschen, ob noch irgendwo ein leckerer Nachtisch versteckt ist. Tatsächlich findet er einen Schokoladenpudding im obersten Fach, für den er sich noch einmal an den Küchentisch setzt, um ihn langsam und genüsslich zu verzehren. Während er seinen Schokopudding löffelt, sieht er neben sich auf dem Stuhl die neue „Bravo“ liegen. Also blättert er die Zeitung mal ein wenig durch, liest auch hier und da etwas, was er morgen seinen Freunden Lukas und Michi erzählen kann. Endlich rafft er sich auf und nimmt seinen Ranzen mit in sein Zimmer.

Als er hineinkommt, sieht er, dass sich Minka, seine Katze, auf seinem Bett aalt. Die hat’s gut, denkt sich Martin und spielt ein wenig mit ihr. Als er mit Minka auf dem Bett liegt, sieht er an seinem Nachttisch sein Buch liegen. „Mann, war das spannend gewesen. Und es waren ja auch nur noch ein paar Seiten bis zum nächsten Kapitel … Ob er diese jetzt nicht noch schnell lesen sollte? Das geht ja schnell“, denkt er sich, und nimmt sich das Buch zur Hand …

Einleitung


Das Training zur Förderung selbstregulierten Lernens ist ein Interventionsprogramm für Schüler der fünften Klasse des Gymnasiums1. In dem Training werden Strategien vermittelt, die die Schüler (siehe Martin im oben beschriebenen Fallbeispiel) dazu befähigen sollen, sich bei der Bearbeitung der Hausaufgaben bzw. dem außerschulischen Lernen selbst Ziele zu setzen, sie zu verfolgen und ihr Vorgehen zur Erreichung der Ziele zu reflektieren. Dabei sollen die Schüler lernen, auch dann weiterzulernen, wenn sie keine Lust mehr haben oder attraktive Ablenkungen sie vom Lernen abzuhalten drohen. Nach dem Lernen sollen die Schüler dazu angehalten werden, ihr Lernen zu reflektieren, um so realistische Konsequenzen für den nächsten Lernprozess zu ziehen. Da es schwierig ist, in einem Training diese Strategien selbstregulierten Lernens (Zielsetzung, Motivation, Konzentration, volitionale Strategien, Reflexion, …) ohne einen fachspezifischen Inhalt zu vermitteln, wird in dem hier vorgestellten Training die Vermittlung der Selbstregulationsstrategien an mathematische Strategien gekoppelt, die den Schülern das Lösen mathematischer Problemstellungen im Zusammenhang mit Textaufgaben erleichtern sollen.

1 Zielsetzung des Trainings


Zielsetzung des Schülertrainings ist es, das eigenverantwortliche, selbstregulierte Lernen von Schülern zu Beginn der Sekundarstufe I zu fördern. Aufbauend auf den Erfahrungen eigener früherer Studien mit vergleichbaren Schülertrainingsprogrammen in der achten Jahrgangsstufe am Gymnasium (z. B. Perels, Schmitz & Bruder, 2003) werden bei diesem Training die fächerübergreifenden Selbstregulationsstrategien mit fachspezifischen mathematischen Problemlösestrategien für die Bearbeitung von Textaufgaben kombiniert. Um eine möglichst frühe Förderung zu gewährleisten, insbesondere vor dem Hintergrund einer erfolgreichen Bewältigung des Übergangs von der Grundschule in die Sekundarstufe I, wird das Trainingskonzept für die achte Gymnasialklasse auf die 5. Klassenstufe (10- bis 12-Jährige) übertragen.

Der Bedarf einer solchen Fördermaßnahme kann aus den Ergebnissen internationaler Schulleistungsstudien geschlossen werden. So bringt die TIMS-Studie (Third International Mathematics and Science Study; Baumert, Lehmann, Lehrke, Schmitz, Clausen, Hosenfeld, Köller & Neubrand, 1997) die festgestellten Leistungsdefizite deutscher Schüler mit einer mangelnden Bereitschaft zum selbstgesteuerten Lernen in Zusammenhang und auch die PISA-Studie (Programme for International Student Assessment; Baumert, Klieme, Neubrand, Prenzel, Schiefele, Schneider, Stanat, Tillmann & Weiß, 2001) diagnostiziert Defizite hinsichtlich fächerübergreifender Kompetenzen.

In dem Projekt, in dem das Schülertraining durchgeführt und evaluiert wurde, kam aufgrund der besonderen Bedeutung des elterlichen Einflusses für das außerschulische Lernverhalten der Kinder zusätzlich ein Elterntraining zum Einsatz. Die Konzeption dieses Elterntrainings, allerdings übertragen auf die 4. Klasse, wird von Otto (2007, in diesem Buch) beschrieben. Aus diesem Grund wird auf die Darstellung an dieser Stelle verzichtet. Die Ergebnisse der Evaluation des Schülertrainings lassen jedoch auch Aussagen zu, die sich auf das Elterntraining beziehen.

2 Theoretische Grundlagen


2.1 Trainingsmodell

Grundlage für die Konzeption des Schülertrainings bildet das Prozessmodell der Selbstregulation nach Schmitz (2001), das von Schmitz und Schmidt (2007, in diesem Buch) ausführlich dargestellt wird. Entsprechend der in diesem Modell postulierten Unterteilung des Lernprozesses in die drei Phasen – vor dem Lernen, während des Lernens und nach dem Lernen – untergliedert sich auch das Trainingsmodell nach diesen Phasen (s. Abb. 3.1, vgl. Perels, Bruder, Bruder & Schmitz, 2004).

Abb. 3.1: Phasen des selbstregulierten Lernens mit Zuordnung von Selbstregulations- und Problemlösestrategien (entnommen aus: Praxis Schule 5–10, Heft 5/2004, S. 10–14 © Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel Diesterweg Schöningh Winklers GmbH, Braunschweig)

Die Phasen des Selbstregulationsansatzes bilden sowohl die Grundlage für die Strukturierung der Problemlöseinhalte als auch der Selbstregulationsinhalte des Trainings. So können alle im Training vermittelten Strategien den Phasen des Lernprozesses zugeordnet werden. Entsprechend dem Modell werden somit auf Seiten der Problemlöseinhalte in der präaktionalen Phase – der Phase vor dem Lernen bzw. der Problembearbeitung – die Strategien „Skizze“ (Anfertigung einer graphischen Darstellung der Problemstellung), „Überschlag“ (grobe Überschlagsrechnung) und „Selektion“ (Trennung von relevanten und irrelevanten Informationen bei der Aufgabenstellung) vermittelt. Bezogen auf die Selbstregulationsinhalte thematisiert das Training die Strategien Zielsetzung und Strategieplanung (Planung des Vorgehens zur Erreichung des angestrebten Ziels). In der aktionalen Phase – der Phase während des Lernens – geht es um die Strategieanwendung („Ausführen und Beobachten“). Hier wird bezogen auf die Problemlöseanteile des Trainings die Strategie „Zerlegung“ (Unterteilung einer komplexeren Problemstellung in Komponenten) eingeführt. Durch die Bearbeitung der Teilkomponenten des Problems kann dann auch eine Lösung der Gesamtproblemstellung erfolgen. Im Hinblick auf die Strategien selbstregulierten Lernens fokussieren die Trainingseinheiten zur aktionalen Phase auf Konzentration, Motivation und Volition/Willensstrategien (Umgang mit Ablenkern von innen und außen, Strategien gegen das Aufschieben von Aufgaben, Strategien zum „Dranbleiben“ an einer Aufgabe). In der postaktionalen Phase geht es darum, das Lernergebnis zu bewerten und Konsequenzen zu ziehen. Bezogen auf das mathematische Problemlösen bedeutet dies, mit Hilfe der Probe zu überprüfen, ob die gefundene Lösung Sinn macht, um ggf. Veränderungen vorzunehmen. Auch bei den Komponenten der Selbstregulation steht in der Phase nach dem Lernen die Reflexion im Zentrum. Darunter sind der Umgang mit Fehlern sowie Attribution (Ursachenzuschreibung für das erzielte Ergebnis) und individuelle Bezugsnormorientierung (Vergleich des eigenen Lernergebnisses...