Schmerztherapie - Ein Leitfaden für Pflegende in Praxis und Weiterbildung

von: Güven Braune, Stefanie Adler, Thomas Fritzsche, Doris Grünewald, Anja Heymann, Eva Hoffmann, Ulrike Knipprath, Eveline Löseke, Uta Stege, Hilde Urnauer

Kohlhammer Verlag, 2013

ISBN: 9783170279742 , 250 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 25,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Schmerztherapie - Ein Leitfaden für Pflegende in Praxis und Weiterbildung


 

4 Medikamentöse Schmerztherapie


Stefanie Adler

4.1 Einführung in die medikamentöse Schmerztherapie


Medikamente stellen eine wichtige Säule der Schmerztherapie dar. Analgetika werden in der Schmerztherapie zur Symptomkontrolle (Symptom = Schmerz) eingesetzt. Nur im Falle der NSAR zum Einsatz bei entzündlichen rheumatologischen Erkrankungen besteht eine kausale Therapiemöglichkeit.

Die Auswahl der Medikamente erfolgt mechanismenorientiert, d. h. nach der Pathogenese der Schmerzen. So werden neben den eigentlichen Analgetika auch bestimmte andere Substanzgruppen (z. B. Antidepressiva, Antikonvulsiva) eingesetzt, die im speziellen Fall analgetisch wirksam sind.

Vor dem Einsatz dieser Medikamente ist eine ausführliche Schmerzanamnese zur Erfassung der Schmerzart, des Chronifizierungsgrades, der Vorbehandlungen und -erkrankungen wesentlich. Bei einer chronifizierten Schmerzerkrankung sollte die medikamentöse Therapie in multimodale Therapiekonzepte eingebettet sein.

Es gibt eine Subgruppe von Patienten mit chronischer Schmerzerkrankung, die nicht von der Gabe analgetisch wirksamer Medikamente profitiert oder bei der intolerable Nebenwirkungen zum Absetzen dieser Schmerzmedikamente zwingen. Daher ist es notwendig, in regelmäßigen Abständen die Wirkung und Nebenwirkungen der eingesetzten Medikamente zu kontrollieren und ggf. Medikamentenentzüge durchzuführen. Die Prophylaxe und Therapie medikamentenbedingter Nebenwirkungen gehört ebenso in den Aufgabenbereich dessen, der Schmerzmedikamente einsetzt.

Es besteht ein entscheidender Unterschied zur Therapie akuter Schmerzen: Beim akuten Schmerz ist es notwendig, rechtzeitig eine adäquate Schmerztherapie durchzuführen. Zum einen besteht die Pflicht zur Hilfestellung, zum anderen ist starker Akutschmerz ein Prädiktor für die Chronifizierung von Schmerzen (► Tab. 4.1).

Tab. 4.1: Therapie akuter und chronischer Schmerz

Akutschmerztherapie

Therapie chronischer Schmerzen

bedarfsabhängige Titration

langwirksame Substanzen

kurzwirksame Substanzen mit raschem Wirkeintritt

Retardpräparate mit verzögerter Freisetzung

gut steuerbar

gleichmäßige Blutspiegel

geringe Metabolisierungsrate

vorrangig i. v. Gabe

vorrangig orale/transdermale Gabe

Wichtige allgemeingültige Regeln der Analgetikatherapie werden von C. Maier und D. Kindler (S. 338–391) wie folgt zusammengefasst:

  • Es sollen nur wirksame Analgetika in adäquater Dosierung verschrieben werden.
  • Bei unzureichender Wirksamkeit ggf. höher dosieren oder Wechsel auf höher potentes Analgetikum.
  • Ein nicht wirksames Analgetikum ist abzusetzen.
  • Die analgetische Effektivität ist anhand von Patientenangaben zu kontrollieren.
  • Bei dauerhaften Schmerzen sind Substanzen mit langer Wirkdauer oder retardierter Freisetzung vorzuziehen.
  • Für jedes Analgetikum ist die geringste noch ausreichende Dosis anzustreben.
  • Bei gleicher analgetischer Wirkung ist die Substanz (oder Substanzkombination) mit dem geringsten Risiko und der besseren Verträglichkeit vorzuziehen.
  • Auch Nebenwirkungen sind regelmäßig zu dokumentieren und zu therapieren.
  • Die Indikation für eine Fortführung der Therapie ist dauerhaft zu überprüfen.

Tab. 4.2: In der Schmerztherapie eingesetzte Substanzgruppen

Analgetika

Koanalgetika

Nichtopioide

Antidepressiva

Opioide

Antiepileptika

Relaxantien

Sonstige

Adjuvantien

Kortikosteroide

Antiemetika

Kalzitonin

Laxantien

Bisphosphonate

Neuroleptika

Serotoninergika

4.2 Wirkmechanismen der Analgetikawirkungen


(► Tab. 4.3 und ► Abb. 4.1)

Tab. 4.3: Wirkmechanismen der Analgetikawirkungen

Schmerzart

Beteiligte Struktur

Wirkung der Medikamente

Medikamente

nozizeptiv

Enzyme COX 1/2

Verhinderung der Bildung von Schmerzmediatoren (Prostaglandinsynthesehemmung) Aktivierung der endogenen Schmerzhemmung

NSAR

Coxibe

Metamizol

Paracetamol

Opioide

neuropathisch

Kanäle

Ca-Kanal

Na-Kanal

Änderung von Aktionspotenzialen

Antikonvulsiva

NA-Transporter

Blockade der Wiederaufnahme von Neurotransmittern

Antidepressiva

Rezeptoren

Opioidrezeptoren

Aktivierung der endogenen Schmerzhemmung

Opioide

dysfunktional

Rezeptoren

NA-Transporter

Blockade der Wiederaufnahme von Neurotransmittern

Antidepressiva

Abb. 4.1: Unterbrechung der Schmerzleitung

4.3 Nichtopioidanalgetika


Wirkweise:

  • Hemmung der Zyclooxygenase, darüber Hemmung der Prostaglandinsynthese und
  • Verringerung der Entzündungsmediatoren peripher und spinal,
  • zentrale Wirkung für Metamizol und Paracetamol beschrieben.

Charakteristika:

  • im Verhältnis zu Opioiden niedrigere Potenz,
  • Indikation bei schwachen bis mittleren Schmerzen,
  • bei Überschreiten der Maximaldosierung keine Wirkverbesserung, jedoch Zunahme der Nebenwirkungen,
  • weder analgetische Wirkung noch Wirksamkeit verändern sich bei Langzeitanwendung,
  • wenn möglich keine Dauerbehandlung mit lang wirksamen Substanzen,
  • Einzeldosis so niedrig wie möglich, aber so hoch wie nötig,
  • keine Kombination von NSAR/Coxiben untereinander,
  • keine intramuskuläre Gabe von NSAR,
  • bei Patienten im höheren Lebensalter (> 65/70 Jahre) bevorzugt NSAR/Coxibe mit kurzer HWZ – geringere Kumulation, regelmäßige Überwachung von GI-Trakt, Nierenfunktion und Herz-Kreislauf.

Wirkspektrum der Nichtopioidanalgetika: (► Tab. 4.4)

Tab. 4.4: Wirkspektrum der Nichtopioidanalgetika

analgetisch

antiphlogistisch

antipyretisch

spasmolytisch

ASS

+++

+

+++

0

Ibuprofen

...