Rahmungen informellen Lernens - Zur Erschließung neuer Lern- und Weiterbildungsperspektiven

von: Gabriele Molzberger

DUV Deutscher Universitäts-Verlag, 2008

ISBN: 9783835054936 , 259 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 42,25 EUR

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Rahmungen informellen Lernens - Zur Erschließung neuer Lern- und Weiterbildungsperspektiven


 

1 Einleitung (S. 17)

Im Fokus dieser Untersuchung steht eine interpretative Analyse der Beschreibungen informeller Lernhandlungen von Beschäftigten in betrieblichen Kontexten. Die Arbeit entstand vor dem Hintergrund meiner Mitarbeit in dem Forschungsprojekt „Informelles Lernen in modernen Arbeitsprozessen" („In-IT") (vgl. DEHNBOSTEL/MOLZBERGER/OVERWIEN 2003). Diese empirische Untersuchung verwies auf den hohen Stellenwert, den informelles Lernen für die Bewältigung von Arbeitsaufgaben und -projekten hat.

Ergebnis dieser Studie war eine theoriegeleitete Deskription des sich auf vielfältige Weise vollziehenden informellen Lernens. Es konnten erste begriffliche und theoretische Klärungen vorgenommen werden, sie deuteten aber auch auf weitere Forschungsfragen hin. Die Arbeit nimmt Ergebnisse dieser Studie auf und bettet sie in einen erweiterten theoretischen Kontext, wobei weiteres Datenmaterial die Reanalyse komplettiert.

Die Fragestellung der Arbeit ist auf den Zusammenhang zwischen den Erscheinungsformen informellen Lernens und betrieblichen Rahmungen gerichtet: Welche Zusammenhänge gibt es zwischen den Erscheinungsformen und Praktiken informellen Lernens und spezifischen betrieblichen Rahmenbedingungen? An dieses Erkenntnisinteresse schließt sich die Frage nach der möglichen Zuständigkeit der betrieblichen Weiterbildung und Weiterbildungsforschung in Bezug auf informelles Lernen an. Die Erkenntnisse und das Datenmaterial aus der Studie „In-IT" werden auf diese Weise mit einer besonderen theoretischen Fragestellung erneut in den Blick genommen.

1.1 Grundlagen und Fragestellung der Arbeit

Die Begriffe „informelles Lernen", „lebenslanges Lernen", „selbstgesteuertes Lernen" und „selbstorganisiertes Lernen" sind relativ moderne Termini der Berufs- und Weiterbildungsforschung. Die aktuelle Diskussion um diese Begriffe und um die mit ihnen verbundenen Konzepte und Theorien steht zunächst für eine Erweiterung der pädagogischen Blickrichtung: Lernen findet nicht nur in Bildungseinrichtungen statt, sondern auch, und vielleicht sogar überwiegend, außerhalb der Bereiche pädagogisch professioneller Einflussnahme.

Nicht nur die ‘Produkte’ des Lernens, wie spezifizierbares Wissen, Bildung, Können und Qualifikationen, sondern auch der Prozess des Lernens und die Integration von Lernen und Anwenden stehen im Mittelpunkt der Betrachtung. Der Gegenstandsbereich der wissenschaftlichen Betrachtung wird um neue Ausschnitte der sozialen Wirklichkeit erweitert.

Als Reaktion auf diese Entwicklung warnen kritische Stimmen manchmal vor einer Überlastung des Lernbegriffs und vor einer Auflösung von pädagogischen Konzepten, von Bildung und Erziehung im Lernbegriff: „Erziehungswissenschaft ist dabei, sich als Lernwissenschaft zu verpuppen" (MEYER-DRAWE 2003, S. 506). Besonderes Unbehagen im disziplinären Selbstverständnis löst die Fokussierung auf informelles Lernen aus, wenn es den Kernbereich pädagogisch angeleiteten Lernens in professionellen Bildungseinrichtungen zu verdrängen droht.

Wenn es egal wäre, wann wo und wie gelernt wird, dann könnten auch die Bildungsinstitutionen an Legitimität verlieren. Das relationale Verhältnis zwischen informellem Lernen, den Aufgaben und Funktionen eines sich ausdifferenzierenden Bildungssystems sowie Pädagogik als Handlungswissenschaft ist neu zu bestimmen. Informelles Lernen galt lange als „Restkategorie" (OVERWIEN 2003, S. 65) und erscheint in der berufspädagogischen Diskussion als „etwas geradezu Unerhörtes" (ARNOLD/PÄTZOLD 2003, S. 108) und im weiteren Kontext der Weiterbildungsforschung als „Verheißung" und „Hoffnung" (KIRCHHÖFER 2001, S. 96).

Gleichzeitig wird informellem Lernen in jüngeren Publikationen eine „Karriere" (WITTWER 2003, S. 15) bescheinigt. So unterschiedlich wie diese Zuschreibungen sind, sind auch die Definitionen und begrifflichen Bezüge zum informellen Lernen. Ein zentrales Anliegen dieser Arbeit ist es, Merkmale, spezifische Kontexte, Bedingungsfaktoren und, zumindest in Ansätzen, Muster informellen Lernens auf einer empirischen Grundlage zu beschreiben.