Bis er uns umbringt? - Wie Stress Körper und Gehirn attackiert - und wie wir uns schützen können

von: Olpe, Seifritz

Hogrefe AG, 2014

ISBN: 9783456954462 , 240 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 16,99 EUR

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Bis er uns umbringt? - Wie Stress Körper und Gehirn attackiert - und wie wir uns schützen können


 

2. Gehirne im Stress (S. 23-24)

Selbsttäuschung

Noch nie standen die Chancen, ein glückliches Leben führen zu können, so gut wie heute. Wenn es uns gesundheitlich einmal nicht so gut geht, dann steht uns eine erfolgreiche Medizin zur Seite, und laufend werden neue medizinische Erkenntnisse gewonnen, die das therapeutische Potenzial sogar noch erweitern. Auch in materieller Hinsicht geht es vielen von uns gut bis sehr gut – wenn auch nicht allen. Unser Lebensstandard ist hoch, und große Teile der Bevölkerung geben in Befragungen an, dass sie mit ihrer Gesundheit und ihrem Befinden zufrieden, wenn nicht gar sehr zufrieden sind. Das ist das Fazit eines kürzlich veröffentlichten Berichts des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums, aus dem hervorgeht, dass sich 74 Prozent der Schweizer Bevölkerung (sehr) häufig voller Kraft, Energie und Optimismus fühlen [1]. Einige, vor allem unser seelisches Befinden betreffende, Fakten stehen allerdings in frappantem Widerspruch zu diesen optimistischen Selbsteinschätzungen. Da sind diverse psychische Störungen wie Depressionen, Angstzustände, Panikattacken, Burnout und Persönlichkeitsstörungen zu nennen, die gesellschaftlich zunehmend wahrgenommen werden.

Eng damit verknüpft ist der belastende und omnipräsente Stress, der kaum jemanden unberührt lässt. Im Gegenteil: Er hält uns tagtäglich auf Trab und ist mitverantwortlich für weit mehr gesundheitliche Probleme und Krankheiten, als gemeinhin bekannt ist. Im Rahmen einer umfassenden Studie zur Stressexposition der Schweizer Bevölkerung bemerkte R. M. Steinmann [2] in seinem Bericht Psychische Gesundheit Schweiz, den er im Auftrag der Stiftung Gesundheitsförderung – Schweiz verfasste, dass verschiedene Altersgruppen besonders exponiert sind: «Bestimmte Bevölkerungsgruppen, insbesondere 15- bis 24-jährige Menschen, 45- bis 54-jährige Frauen sowie Männer über 50, leiden mit steigender Tendenz an mangelnder psychischer Ausgeglichenheit und tiefer Kontrolle über das eigene Leben oder konsumieren regelmäßig Schlaf- und Beruhigungsmittel.» Steinmann kam in diesem 2005 veröffentlichten Bericht zu folgendem Schluss: «Der psychische Gesundheitszustand der Bevölkerung hat sich im Erwerbsalter deutlich verschlechtert. Seit 1986 hat sich die Anzahl der Invaliden-RentnerInnen verdoppelt, und die infolge psychischer Beeinträchtigung ausgesprochenen Renten haben sich fast vervierfacht.»

In einer Medienmitteilung der OECD vom 23. Januar 2014 wird die Schweiz aufgefordert, sich mehr um die psychischen Probleme der arbeitenden Bevölkerung zu kümmern. Diesem Bericht zufolge leidet etwa jeder dritte Bezieher von Arbeitslosengeld, Invalidenversicherungsleistungen oder Sozialhilfe an einer psychischen Störung. Der Bericht schätzt die Gesamtkosten auf 19 Milliarden, was 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmacht. Auch der relativ weit verbreitete, oft die Gesundheit gefährdende Konsum von Alkohol und Tabakwaren lässt Zweifel an der sehr positiven Selbsteinschätzung aufkommen. Alkohol führt zwar kurzfristig zu einer Entspannung, löst jedoch nicht das Problem, das den exzessiven Alkoholkonsum provoziert hat. Auch das Rauchen dient oft der Entstressung. Noch immer raucht gut ein Viertel unserer Bevölkerung. Exzessiver Alkoholkonsum und Rauchen stehen in engem Zusammenhang mit Stress. Neben dem Drogenproblem, das unsere Gesellschaft nach wie vor belastet, machen insbesondere das Rauschtrinken