Lebensstrategien - Ein Simulationsmodell zur Früherkennung von Suizidalität und Optionen zur Stärkung der Lebensfähigkeit

von: Jörn Oldenburg

DUV Deutscher Universitäts-Verlag, 2007

ISBN: 9783835054653 , 214 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 49,44 EUR

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Lebensstrategien - Ein Simulationsmodell zur Früherkennung von Suizidalität und Optionen zur Stärkung der Lebensfähigkeit


 

2 Suizidalität (S. 11)

„Der Selbstmord ist ein Ereignis der menschlichen Natur, welches, mag auch darüber schon soviel gesprochen und gehandelt sein als da will, doch jeden Menschen zur Teilnahme fordert und in jeder Zeitepoche wieder einmal verhandelt werden muß."

(Johann Wolfgang von Goethe)

Der Suizid berührt schon lange das Forschungsinteresse verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. So versuchten und versuchen vorwiegend Mediziner, Psychologen, Psychoanalytiker und Epidemiologen aber auch Soziologen, Philosophen, Theologen und Biologen Erklärungs- und Verstehensansätze für die Suizidalität aus ihrer jeweiligen Perspektive zu entwickeln. „Heute ist daher eine Übersicht über die Publikationen zum Suizid kaum noch möglich, da diese zu zahlreich sind und das Gebiet zu unübersichtlich geworden ist." (Gerisch et al. 2006).

Im Rahmen und unter der Zielsetzung dieser Arbeit kann es nicht darum gehen, eine vollständige Übersicht über den aktuellen Stand der Suizidforschung zu liefern. Hier sollen die etablierten Forschungsbereiche mit ihrer historischen Entwicklung und ihren aktuellen Hauptvertretern kurz beschrieben werden. Um den aktuellen Stand der Forschung zu gewährleisten, war die Dokumentation der Frühjahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention im März 1999 hilfreich.

Zum Thema ,Entstehungsbedingungen für Suizidalität‘ wurden Referenten aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen eingeladen, die „aufgrund ihrer jahre- bis jahrzehntelangen klinischen und wissenschaftlichen Erfahrungen kompetent über ihr Thema Auskunft geben konnten" (Bronisch et al. 2002, V). Die Referenten sollten hierbei den auf empirischen Studien basierenden aktuellen Forschungsstand mit einer persönlichen Wertung vortragen.

Die Aktualität konnte am 27. 2. 2007 auf einer weiteren Fachtagung zum Thema Suizidalität und Suizidprävention überprüft werden, zu der das Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf führende Experten in die Ärztekammer Hamburg eingeladen hatte. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Tagungen und der Auswertung aktueller wissenschaftlicher Arbeiten werden im folgenden die wichtigsten Begriffe und Erklärungsansätze für Suizidalität skizziert.

2.1 Begriffe

Während sich Motive und Anlässe für Suizidalität im Zeitablauf kaum gewandelt haben, wurde die Beurteilung einer Suizidhandlung immer wieder geändert, was sich auch in unterschiedlichen Begriffen widerspiegelt.

Suizid

Der aus dem Lateinischen stammende Begriff ,sui caedere‘ [sich selbst töten] wird heute im englischen [suicide] und deutschen [Suizid] wissenschaftlichen Sprachgebrauch als wertfreier Begriff verwendet. Suizid beschreibt eine Handlung, mit der ein Mensch willentlich durch eigenes Tun seinen Tod herbeiführt.

Selbstmord

Der im Einflussbereich der christlichen Kirche entstandene Begriff ,Selbstmord‘ drückt ein moralisches Werturteil aus, das die Selbsttötung als Mord ablehnt und verurteilt. In Deutschland waren Selbsttötungsversuche bis zum Ende des 18. Jahrhunderts strafbar, in Großbritannien noch bis in die 1960er Jahre. Heute werden in Deutschland die Begriffe Suizid und Selbstmord weitgehend synonym verwendet, wie die wertfreie Definition von Durkheim unterstreicht:

„Man nennt Selbstmord jeden Todesfall, der direkt oder indirekt auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die vom Opfer selbst begangen wurde, wobei es das Ergebnis seines Verhaltens im voraus kannte. Der Selbstmordversuch fällt unter dieselbe Definition, bricht die Handlung aber ab, ehe der Tod eintritt." (Durkheim 1999, 27).

Freitod

Der Begriff Freitod stellt die eigene Freiheit und Möglichkeit des Menschen heraus: Jedem ist es erlaubt, sein Leben frei zu gestalten und zwar soweit, dass auch der Tod als Ziel gewählt werden kann. Der Philosoph Amery (1976) definiert den Freitod „als letzte und höchste Möglichkeit des Menschen, seine individuelle Freiheit zu erleben und zu verwirklichen".