Banken auf der Suche nach strategischem Profil - Beiträge des Duisburger Banken-Symposiums

von: Hans Tietmeyer, Bernd Rolfes

Gabler Verlag, 2007

ISBN: 9783834992239 , 156 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's

Preis: 49,44 EUR

Mehr zum Inhalt

Banken auf der Suche nach strategischem Profil - Beiträge des Duisburger Banken-Symposiums


 

Von den Sozialsystemen bis zur Bankenpolitik: Wohlstand durch Veränderung (S. 32-34)

DR. GUIDOWESTERWELLE
Bundesvorsitzender FDP


Meine sehr geehrten Dannen und Herren, verehrte Gastgeber,

herzlichen Dank für die freundliche Einführung und herzlichen Dank dafür, dass ich einem so kompetenten Gremium vortragen darf. Ich freue mich sehr darüber, dass Sie mit mir den Vertreter einer vorübergehend kleineren Partei eingeladen haben. Gemäß unseren Vereinbarungen werde ich Ihnen zunächst etwas mehr als eine halbe Stunde meine Gedanken vortragen und hoffe, dass wir im Anschluss daran miteinander ins Gespräch kommen. Da wir heute nicht durch die Mattscheibe getrennt sind, glaube ich, es ist vernünftiger, dass wir hier miteinander einen Dialog führen.

Ich möchte zunächst einmal aus meiner Sicht sagen: Das Entscheidende, was wir in Deutschland machen müssen, ist eine strukturelle Veränderung. Mein persönlicher Albtraum ist es, dass wir im nächsten Jahr vielleicht eineinhalb, vielleicht auch zwei Prozent Wirtschaftswachstum bekommen werden - wie in diesem Jahr. Und dass dann Entwarnung in der deutschen Gesellschaft herrscht - auch Entwarnung bei denen, die ökonomische Vernunft für sich in Anspruch nehmen. Dass man dann im Grunde genommen die Meinung vertritt, jetzt sei reformiert worden, mit der Agenda 2010 und Hartz eins, zwei, drei, vier - und jetzt sei Deutschland aus der Krise raus.

Wenn das die Reaktion der Deutschen auf ein Wirtschaftswachstum von eineinhalb oder zwei Prozent wäre, dann wird Deutschland scheitern. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns in Deutschland nicht in einer konjunkturellen Schwierigkeit befinden, wir Deutschen befinden uns vielmehr in einer nachhaltigen, strukturellen Schwierigkeit. Meiner Meinung nach wird dieses Land auch mit einem Wirtschaftswachstum von eineinhalb Oder zwei Prozent nur weiter abgehangt und wird nicht wieder eine Spitzenposition in Europa für sich erobern können. Meiner Meinung nach wird ein solches schwaches Wachstum nur bewirken, dass sich der Abstand zu unseren internationalen Mitbewerbern - zu unseren Wettbewerbern im Rahmen der Globalisierung - weiter vergrößert. Schauen wir uns einmal an, was sich in den letzten zwanzig, fünfundzwanzig Jahren getan hat. 1980 habe ich Abitur gemacht. Wir brauchen uns nur mal anzusehen, wie die Lage damals war und wie sie heute ist.

Wir hatten einen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Es gab ja eine Zeit vor Helmut Kohl. Bundeskanzler Helmut Schmidt wurde in Karikaturen international, vor allem aber in Europa oft als der Lehrmeister dargestellt. Zusammen mit dem Vizekanzler Hans Dietrich Genscher trat er bei europäischen Gipfeln auf und verkündete stolz: „So müsst ihr es machen, dann geht es euch auch so gut wie Deutschland." Stellen Sie sich bitte vor, heute würde ein deutscher Bundeskanzler auf einen europäischen Gipfel fahren und sagen: „So müsst ihr es machen, dann geht es euch so gut wie Deutschland." Das hatte realsatirische Ausmaße.

Wir reden da nicht über Beispiele von vor hundert oder zweihundert Jahren, sondern über einen Zustand, den ich persönlich mit meinen 42 Jahren ganz bewusst miterlebt habe. Wenn wir den Zeitraum noch etwas großzügiger fassen, nehmen wir zum Beispiel meinen Lebenszeitraum insgesamt, dann reden wir über das Jahr 1961. 1961 hatte Deutschland eine Staatsquote von etwa einem Drittel. Im Jahr 2004 ist ein sehr interessantes Buch von Herrn Prof. Sinn veröffentlich worden, das Sie zweifelsohne kennen, ansonsten würde ich mir erlauben, es Ihrer Aufmerksamkeit zu empfehlen. Danach wird die Staatsquote mittlerweile auf etwa 56 % geschatzt. Jetzt mögen sich die Damen und Herren Professoren darüber streiten, ob die Zahl 56 % stimmt oder ob es doch nur 49,5 % sind und ob man das am Bruttoinlandsprodukt oder an einer anderen Große messen müsse.