Den Rücken stärken - Grundlagen und Programme der betrieblichen Gesundheitsförderung

von: Bernhard Zimolong, Gabriele Elke, Hans-Werner Bierhoff

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2007

ISBN: 9783840921094 , 236 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 26,99 EUR

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Den Rücken stärken - Grundlagen und Programme der betrieblichen Gesundheitsförderung


 

5 Prävention von Rückenerkrankungen (S. 139-140)

Kapitel 5 im Überblick

Rückenschmerzen nehmen den ersten Rang bei den „Volkskrankheiten" ein. Zunächst behandelt das Kapitel die Ursachen, den Verlauf und die Krankheitskosten. Die Entstehung und insbesondere die Chronifizierung von Schmerzen ist in den meisten Fällen ein multidimensionaler Prozess, der erst im Rahmen eines biopsychosozialen Modells verständlich wird. Die evidenzbasierten Risikofaktoren, also die nachgewiesenen Einflussgrößen für den Rückenschmerz, werden nach arbeitsplatzbezogenen, psychosozialen und individuellen Faktoren geordnet und ausführlich dargestellt. Die Präventionsstrategien lassen sich in die beiden Teilstrategien Verhaltens- und Verhältnisprävention unterscheiden.

Zur Verhaltensprävention zählen u. a. Rückenschulen. Die Schulen alter Art scheinen wirkungslos zu sein, dagegen versprechen Rückenschulen neuer Art, die aus einer Kombination von Gesundheitsinformation und Bewegungsmodulen bestehen, recht wirkungsvoll zu sein. Auch Verhaltensprogramme, die einen Schwerpunkt auf kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze legen, haben positive Auswirkungen auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten. Nicht ganz so eindeutig ist die Befundlage bei den ergonomischen und arbeitsorganisatorischen Interventionen. Sie bilden das Rückgrat der Verhältnispräventionen. Als isolierte Maßnahmen scheinen sie nur einen geringen Einfluss zu haben, in Kombination mit verhaltensorientierten Interventionen ist ihr Einfluss nachweisbar. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass zur Prävention von Rückenproblemen am Arbeitsplatz am ehesten Verhaltens- und multidimensionale ergonomische Verhältnispräventionen geeignet sind.

5.1 Ätiologie, Verlauf und Krankheitskosten

Rückenerkrankungen bzw. das Symptom „Rückenschmerzen" mit seinen Konsequenzen gehört in Deutschland, wie in allen westlichen Industrienationen, zu den „Volkskrankheiten" mit erheblichen Konsequenzen für den Betroffenen wie auch für die Gesellschaft. Unter den Ursachen für Arbeitsunfähigkeitstage, Rehabilitationsmaßnahmen und Frühberentungen nehmen sie, als vorherrschende Subgruppe der Diagnosegruppe muskuloskelettale Erkrankungen (MSE) jeweils den ersten bzw. zweiten Rangplatz ein.

Mit „Rückenschmerzen" werden in Deutschland Schmerzen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins bezeichnet. Man spricht vom „Rücken" und meint die Brustwirbelsäule. Mit dem „Kreuz" ist die Lendenwirbelsäule gemeint. He xenschuss und Ischias sind typische Kreuzschmerzen an unterschiedlichen Stellen. Abgegrenzt werden Schmerzen in der Nackenregion, den Schultern und den Hüften. Den größten Anteil an Muskel-Skelett-Beschwerden haben Rückenschmerzen mit 60 % aller Fälle. Im Gegensatz hierzu wird im angloamerikanischen Sprachgebrauch häufig der Begriff „Low Back Pain" verwendet. Dieser bezieht sich auf die Region zwischen dem Unterrand der 12. Rippe und einem Teil des Kreuzbeins (Glutealfalten). Der obere Anteil des Rückens wird nicht miteinbezogen.

Aus ätiologischer Sicht werden „spezifische" und „unspezifische" Formen von Rückenschmerzen unterschieden. Spezifische Rückenschmerzen sind solche, bei denen somatische Ursachen als Auslöser der Beschwerden diagnostiziert werden können. Hierzu gehören traumatische, entzündliche und tumoröse Veränderungen an der Wirbelsäule, systemische Erkrankungen (z.B. Osteoporose), aber auch Bandscheibenvorfälle, die Druck auf Nervenwurzeln ausüben. Unspezifische Rückenschmerzen liegen dann vor, wenn sich für die Beschwerden kein somatischer Auslöser findet und sich kein zentraler Pathomechanismus erkennen lässt.

In etwa 80 bis 85 % der Fälle lassen sich die Rückenschmerzursachen nicht klären (Burton, Eriksen & Leclerc, 2004), sie sind als unspezifisch (im englischen Sprachgebrauch auch als „mechanical", „idiopathic" oder „common") zu klassifizieren (ICD10: M 54.9). Im US-amerikanischen Sprachgebrauch werden am Arbeitsplatz aufgetretene unspezifische Rückenschmerzen auch unter dem Begriff „back injuries" geführt. Dies geschieht vor dem Hintergrund des amerikanischen Versicherungswesens, wonach Arbeitern nur nach arbeitsbedingten „Verletzungen" Lohnersatzleistungen zustehen.