Der T-Faktor - Mäßigungskonzepte in der Sozialen Arbeit

von: Frederic Fredersdorf, Wolfgang Heckmann

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2010

ISBN: 9783531921709 , 240 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 36,99 EUR

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Der T-Faktor - Mäßigungskonzepte in der Sozialen Arbeit


 

4 Mehr Spaß mit Maß in Vorarlberg (S. 143-144)
In Zusammenarbeit mit Pascale Roux

Ein bis dato einzigartiges Projekt der alkoholbezogenen Verhältnis- und (in geringerem Umfang) Verhaltensprävention wurde zwischen 2004 und 2008 in Vorarlberg umgesetzt. Im westlichsten österreichischen Bundesland bildete sich während einer etwa zweijährigen Vorprojektphase eine große Allianz an gesellschaftlich relevanten Gruppen, die das gemeinsame Ziel verfolgten, jugendlichem Alkoholmissbrauch auf breiter Basis entgegenzuwirken. Denn seinerzeit konnten in Österreich und Vorarlberg dieselben Phänomene wie in weiten Teilen Westeuropas beobachtet werden, teilweise sogar in verschärftem Ausmaß:

Auf der Skala des Pro-Kopf-Verbrauchs an Reinalkohol lag Österreich Anfang des Jahrtausends im internationalen Vergleich von 53 Ländern an elfter, bezüglich des Anteils Jugendlicher mit regelmäßigem (mindestens wöchentlichem) Alkoholkonsum sogar an fünfter Stelle (Uhl u.a. 2002, S. 115, 121). Alkopops fanden neue Zielgruppen und verbreiteten sich vor allem in Kreisen junger Mädchen – 30 Prozent der österreichischen Mädchen hatten im Alter von 15 Jahren bereits wiederholte Alkoholräusche gehabt (ebd., S. 125). So waren beispielsweise die jüngsten Alkoholpatienten in der Wachstation einer Salzburger Suchtklinik elf Jahre alt. Pro Monat behandelten deren Ärzte etwa zehn Kinder mit Alkoholvergiftungen aufgrund von Binge Drinking – durchschnittlich mit 1,2 bis 2 Promille (Haller 2006).

Binge-Drinking wurde ebenfalls in der Vorarlberger Presse thematisiert und trat damit als neues Jugendphänomen ins regionale Bewusstsein (z.B. Wann & Wo 2004; Der Standard 2004; VN Online 2005). Teile der Vorarlberger Gastronomie organisierten nach internationalem Vorbild, unterstützt durch zugkräftige Markennamen und Getränkevergünstigungen, spirituosenbezogene Clubbing-Events im Stil der „Happy Hour“ oder der „Flatrate- Party“, welche besonders auf junge Menschen abzielen. 28 Eine unreflektierte Alkoholkultur war in den Dörfern weit verbreitet. Übermäßiger Alkoholkonsum zeigte sich auf den beliebten dörflichen Vereinsfeiern, Zeltfesten und Faschingsumzügen auch unter Jugendlichen. Er wurde bis dato kaum thematisiert, moralisch sanktioniert oder gar präventiv unterbunden.

Infolgedessen konnte zu Beginn des neuen Jahrtausends u.a. eine hohe Zahl junger Männer zwischen 18 und 24 Jahren konstatiert werden, die vor allem zur beliebten „Disco-Zeit“ unter Alkoholeinfluss Auto fuhren. Die österreichische Verkehrsunfallstatistik 2002 wies in der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen die höchste Zahl alkoholisierter Beteiligter aller Altersklassen nach sowie die Tatsache, dass Alkoholunfälle im Straßenverkehr hauptsächlich von männlichen Jugendlichen und Männern aller Alterstufen begangen werden (Kuratorium für Verkehrssicherheit 2002, S. 69). 29 Vorarlberg lag im Jahr 2002 mit 7,3 Prozent alkoholbedingter Verkehrsunfälle an dritter Stelle im Vergleich aller österreichischen Bundesländer (Tirol = 7,9%, Burgenland = 9,2%; vgl. ebd., S. 71). Die Vorarlberger Stiftung Maria Ebene 30 und die ihr angegliederte Werkstatt für Suchtprophylaxe (SUPRO) fassen auf der Homepage zum Projekt „Mehr Spaß mit Maß“ die damaligen Fakten über die besondere Gefährdung Jugendlicher wie folgt prägnant zusammen: