Embryonale Humanstammzellen - Eine rechtsvergleichende Untersuchung der deutschen, französischen, britischen und US-amerikanischen Rechtslage

von: Hinner Schütze

Springer-Verlag, 2007

ISBN: 9783540712817 , 370 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 71,93 EUR

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Embryonale Humanstammzellen - Eine rechtsvergleichende Untersuchung der deutschen, französischen, britischen und US-amerikanischen Rechtslage


 

2. Teil: Regelungen in ausländischen Rechtsordnungen (S. 21-23)

A. Rechtslage in Großbritannien

I. Grundlagen und Besonderheiten des britischen Rechtssystems

In Großbritannien gibt es im Unterschied zu den in vorliegender Arbeit untersuchten Ländern Frankreich, USA und Deutschland keine geschriebene Verfassung und ein anderes Verständnis des Zusammenspieles von Parla ment, Verwaltung, Gerichtsbarkeit und den Bürgern. Auch wenn es keine geschriebene Verfassung gibt, bedeutet dies selbstverständlich nicht das Fehlen jeglicher Ordnung auf dieser Ebene. Eine be sondere praktische Relevanz haben überkommene Gewohnheiten, welche funktional den in anderen Ländern in schriftlich fixierten Verfassungen enthaltenen Regelungen entsprechen. So wird allgemein als grundlegender Verfassungsgrundsatz die Parlamentssouveränität („sovereignty of Parlia ment" oder „supremacy of Parliament") eingeordnet.

Demnach hat das Parlament nahezu vollkommene Macht, jedes für richtig erachtete Gesetz zu erlassen. Grundfreiheiten der Bürger, wie sie in anderen Ländern garantiert und die ganz oder wenigstens teilweise dem Zugriff des einfachen Gesetz gebers entzogen sind, können im Vereinigten Königreich durch das Parlament gestaltet, sie könnten sogar abgeschafft werden. Gleichwohl gibt es auch Grenzen der Parlamentssouveränität. Es wird angenommen, dass ein Gesetzgeber nicht die zukünftigen Parlamente binden könne, weshalb immer das spätere Gesetz den früheren Normen vorgehe.

Daneben gibt es aber auch noch „Souveränität" der Gerichte . So haben die königlichen Gerichte über die Auslegung und Anwendung des Rechts zu wachen, was der Gerichtsbarkeit insofern auch eine souveräne Stellung einräumt, weil der Gesetzgeber diesen Grundsatz nicht umgestalten können soll. Der Richter hat zudem über das Institut des Common Law die Mög lichkeit auch selbst Recht zu schöpfen. Dies vollzieht sich aber nur in engen Bahnen, weil dies zum einen eine Regelungslücke voraussetzt und er zum anderen an frühere Entscheidungen der Obergerichte in ähn lich gelagerten Fällen gebunden ist („stare-decisis-Doktrin").

Letztlich kann die Gerichts barkeit immer vom Gesetzgeber gezwungen werden, eine dem Gesetzgeber nicht genehme Auslegung aufzugeben, indem ein neues Gesetz, insbesonde re mit einer bestimmten Auslegungsvorgabe erlassen werden kann – dies sogar mit Rückwirkung, der Gesetzgeber wird also nur gezwungen, sich klar darüber zu werden, dass er „Zugriff" auf (vormalige) Rechte nimmt. Ein Instrument, um die Macht des Gesetzgebers zumindest mittelbar zurüc kzudrängen, liegt darin, dass sich die Richter bei der Auslegung strikt an den Wortlaut halten, dieser Zugang wird als „literal", teilweise sogar überspitzt als „wooden approach" bezeichnet.

So ging man ursprünglich davon aus, dass die grammatikalische Ausle gungsmethode den Vorrang – vor den in Deutschland sonst gleichberechtig ten anderen Auslegungsmethoden – habe, dagegen werde die historische Auslegungsmethode, bei der äußere Faktoren an das Gesetz herangetragen werden, in Großbritannien nicht angewendet96, was unter anderem damit begründet wird, dass die Gesetzgebungsmaterialien ursprünglich gar nicht frei zugänglich waren. Selbstverständlich ist aber diese Form der Auslegungsmethode auch in Großbritannien durchaus bekannt98. So ist es möglich, über den Begriff „literally’ intended" auch außerhalb des Wortlauts stehende Erwägungen bei der Interpretation einzubeziehen99. Ausgangspunkt für die Auslegung stellt nämlich der gesetzgeberische Wille dar, wie er im Wortlaut des Gesetzes seinen Ausdruck gefunden hat („legislative intention"). So ist schon länger anerkannt, dass so genannte „White papers" und „Official reports" (Kommissionsberichte) als Auslegungshilfe dienen können.

Dabei ist im Ausgangspunkt die grammatikalische Auslegung vorrangig, aller dings wird diese durch die Möglichkeiten ausdehnender Auslegung („strained con struction") ergänzt. Dazu gibt es eine Vielzahl von Fallgruppen und im Einzelnen ist es umstritten, ob der Richter die Kompetenz hat, den Willen des Gesetzgebers zu verwirklichen, obwohl der Wortlaut diesen Willen nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht hat.