Rationelle Diagnostik und Therapie bei Herzinsuffizienz

von: Heribert Schunkert, Joachim Weil

Springer-Verlag, 2005

ISBN: 9783540279068 , 334 Seiten

Format: PDF, OL

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Preis: 33,26 EUR

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Rationelle Diagnostik und Therapie bei Herzinsuffizienz


 

9 Chronisches Cor pulmona (S. 277)

Der Begriff chronisches Cor pulmonale bezeichnet die in Folge einer Lungenerkrankung oder Erkrankung der Lungengefäße auftretende pulmonale Hypertonie mit Rechtsherzbelastung bis hin zur Rechtsherzinsuffizienz. Erkrankungen, die sekundär zu einer Schädigung des rechten Ventrikels führen, wie z. B. eine Linksherzinsuffizienz, Klappenvitien oder kongenitale Vitien, sind per definitionem vom Cor pulmonale abzugrenzen. Die Häufigkeit des chronischen Cor pulmonale beträgt etwa 5–10% aller Herzerkrankungen. Anhand verschiedener Kriterien kann man zwischen einem latenten, manifesten und schweren Cor pulmonale unterscheiden (. Tabelle 9.1). Bei der Behandlung des Cor pulmonale ergeben sich, im Vergleich zu Linksherz- und Globalinsuffizienz, einige Besonderheiten, die im Folgenden näher erläutert werden sollen.

9.1 Ätiologie
Ursache für ein chronisches Cor pulmonale ist eine pulmonale Druck- oder Volumenbelastung. Stärkster Stimulus für eine Vasokonstriktion im Gefäßbett der Lunge ist eine Hypoxie. Diese kann durch eine alveoläre Hypoventilation (Euler-Liljestrand-Reflex), aber auch durch eine arterielle Hypoxämie hervorgerufen werden. Pathophysiologisch stellt dieses Phänomen einen sinnvollen Reflex dar, da die Durchblutung nicht oder schlecht ventilierter Lungenabschnitte gedrosselt wird. Damit soll das Ventilations-Perfusions- Verhältnis optimiert und damit der pulmonale Gasaustausch ökonomisiert werden.

Bei der Regulation des pulmonalen Blutflusses spielen darüber hinaus viele vasokonstriktorische oder -dilatierende Mediatoren eine Rolle. Insbesondere Endothelin (Vasokonstriktion) und Stickstoffmonoxid (NO, Vasodilatation) scheinen eine Schlüsselrolle bei der hypoxievermittelten Vasokonstriktion zu spielen. Folge der chronischen Hypoxie im Gefäßbett der Lunge sind phänotypische Veränderungen der Gefäßwände (Hyperplasie der glatten Muskulatur, Zunahme des Bindegewebes), die auch als »remodelling« bezeichnet werden. Die strukturellen Veränderungen der Gefäßwand (Querschnittsverlust, verminderte Elastizität) begünstigen langfristig die Entstehung eines Cor pulmonale.

Die Ätiologie der pulmonalen Hypertonie lässt sich formal in pulmonale, vaskuläre und extrapulmonale Ursachen unterteilen ( folgende Übersicht). Die kapillär verursachte pulmonale Hypertonie spielt praktisch keine Rolle, da die Kapillaren nicht an der Regulation des pulmonalen Widerstandes teilnehmen. Nur eine massive Erhöhung des intraalveolären Druckes (z. B. bei der maschinellen Beatmung mit erhöhtem endexspiratorischem Druck, PEEP) kann zu einer Kompression der Kapillaren führen.

Extrakardiale Ursachen der pulmonalen Hypertonie

. Pulmonal

– COPD

– Asthma bronchiale

– Emphysem

– Bronchiektasen

– Zystische Fibrose

– Idiopathische Fibrose, Sklerodermie

– Allergische Alveolitis

– Kollagenosen (progressive Sklerose)

– Medikamente (z. B. Amiodaron, Bleomycin, Busulfan)

. Vaskulär

– Rezidivierende Lungenembolien

– Vaskulitis (SLE, Periarteritis)

– Primäre pulmonale Hypertonie

– HIV-Infektion

– Kongenitale intrapulmonale Shunts

– Medikamente (Fenfluramin, Appetitzügler)

. Extrapulmonal

– Schlafapnoesyndrom

– Thoraxdeformität (Kyphoskoliose, Trichterbrust)

– Neuromuskuläre Erkrankungen (Borreliose, Poliomyelitis, Muskeldystrophie, Myasthenia gravis, amylotrophe Lateralsklerose)

– Thorakoplastik

– Lungenresektion

– Beidseitige Zwerchfellparalyse (iatrogen, nach Trauma)

– Parasitäre Erkrankungen (Schistosomiasis, Sichelzellanämie)

9.1.1 Präkapilläre pulmonale Hypertonie
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung zählt zur häufigsten Ursache einer pulmonalen Hypertonie. Sie umfasst eine Reihe von ätiologischen Faktoren (chronische Bronchitis, Emphysem), die durch eine Bronchokonstriktion und eine chronische Entzündung der Bronchien gekennzeichnet sind.