Rechtshandbuch Medizinische Versorgungszentren - Gründung, Gestaltung, Arbeitsteilung und Kooperation

von: Franz-Josef Dahm, Karl-Heinz Möller, Rudolf Ratzel

Springer-Verlag, 2005

ISBN: 9783540280897 , 279 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 42,25 EUR

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Rechtshandbuch Medizinische Versorgungszentren - Gründung, Gestaltung, Arbeitsteilung und Kooperation


 

Kapitel VII. Berufsordnungsrecht im medizinischen Versorgungszentrum (S. 135)

I. Ärzte
1.1 Das medizinische Versorgungszentrum wird in der MBO bislang nicht ausdrücklich erwähnt, dies ist vor dem Hintergrund verstandlich, dass es sich derzeit nur um eine vertragsarztrechtliche Versorgungsform handelt. Es liegt auf der Hand, dass dieses ,,versorgungstechnische Gebilde" gleichwohl Anlass für viele der jetzt beschlossenen Anderungen der MBO i.d.F. der Beschl. des 107. Deutschen Ärztetages 2004 in Bremen gewesen ist. Schon in der kurzen Zeit seit seiner Einfuhrung ist eine reichhaltige Literatur zur Entstehungsgeschichte, Gründung, Zulassung und Struktur erschienen, auf die aus Raumgriinden zunachst verwiesen werden muss. Berufsrechtlich sind Fragen zu klären, die über die in den vorausgehenden Kapiteln behandelten Probleme bei sonstigen Kooperationen hinausgehen konnen, weil sie speziell vertragsarztrechtlich gepragt sind. Auf der anderen Seite wird die vertragsärztrechtliche Diskussion zum Teil über Fragen gefiihrt, die aus berufsrechtlicher Sicht klar sind.

1.2 Versorgungszentren unterliegen nicht unmittelbar dem ärztlichen Berufsrecht, wohl aber die in ihm tatigen Arzte, unabhangig davon, ob es sich um ein ,,Freiberufler- MVZ" oder ein Versorgungszentrum mit angestellten Arzten handelt. Da die Berufsordnung sich nur an Arzte und nicht an juristische Personen, z.B. einen nichtärztlichen Trager eines MVZ oder eine juristische Person des Privatrechts richtet, ist umstritten, nach welchen Grundsatzen sich ein nichtarztlicher Inhaber, der einen derartigen Betrieb leitet, zu richten hat.

Eine restriktive Auffassung will der Berufsordnung in diesen Fallen eine Reflexwirkung beimessen. Zwar richte sich die Berufsordnung nicht an eine juristische Person als Arbeitgeberin der Arzte. Die juristische Person durfe aber die ihr verbundenen Ärzte nicht hindern, ihren Berufspflichten gerecht zu werden, diese Pflicht binde die juristische Person mittelbar. Die Gegenansicht sieht die Berufsordnung als reines "Binnenrecht", welches, da von der ärztlichen Selbstverwaltung beschlossen, keine auBenstehenden Dritten binden konne. Nur dort, wo vom Gesetzgeber entsprechende Einschrankungen vorgesehen seien (wie z.B. im HWG), konnten entsprechende Sanktionen greifen.

Einen anderen Ansatz wählt der BGH5: Dieser sieht bereits in der Duldung der berufswidrigen Handlung durch den Arzt den WettbewerbsverstoB, den sich die juristische Person (bzw. in dem hier interessierenden Zusammenhang der nichtarztliche Träger des MVZ) zu eigen macht. Insoweit ist die juristische Person schon als "Störer" i.S. von § 1 UWG a.F. anzusehen. Das bedeutet im Ergebnis, dass MVZ sozusagen nicht vollig losgelost vom arztlichen Berufsrecht agieren konnen. Verleitet oder zwingt ein MVZ seine filr das MVZ tatigen Ärzte zu berufsrechtswidrigen Handlungen bzw. Unterlassungen, kann es wettbewerbsrechtlich als Störer in Anspruch genommen werden.

Halt sich das MVZ hingegen z.B. bei seiner Informationspolitik an die mittlerweile vom BVerfG weit gezogenen Grenzen, ist der Vorteil fur den Arzt dann ein Reflex, der fur sich alleine nicht berufsordnungswidrig ist. Der im MVZ tätige Arzt kann sich im Falle eines Verstoßes gegen das ihn bindende Berufsrecht nicht darauf berufen, er habe auf Weisung des Tragers des MVZ handeln miissen bzw. im Falle der Weigerung hatten ihn Sanktionen getroffen. Dieses Problem mag im Rahmen der zu treffenden berufsrechtlichen MaBnahme eine Rolle spielen, stellt aber keinen Rechtfertigungsgrund dar, insofern steht dem Arzt wie jedem anderen Arbeitnehmer das (sanktionslose) Recht zur Remonstration zu.