Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts

von: Christoph Stein, Peter Itzel, Karin Schwall

Springer-Verlag, 2005

ISBN: 9783540266839 , 471 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 69,99 EUR

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Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts


 

B. Weitere wichtige Fallgruppen (alphabetisch geordnet) (S. 373)

Amtshaftungsrecht ist überwiegend Fallrecht. Dementsprechend werden weitere für das Verwaltungshandeln, die anwaltliche Beratungspraxis und die Rechtsprechung wichtige Fallgruppen nachfolgend dargestellt, wobei lediglich die jeweiligen Hauptproblembereiche erläutert werden.

I. Altlasten
Verantwortlich für so genannte Altlasten ist zunächst einmal der eigentliche Verursacher (Störer). Zur Verantwortlichkeit der (bau-) planenden staatlichen und kommunalen Behörden s.o. Rn. 571 ff., wobei nochmals hervorzuheben ist, dass für das Entstehen einer Amtspflicht hinsichtlich überplanter Altlasten stets Voraussetzung ist, dass die handelnden Amtsträger Kenntnis von tatsächlichen Anhaltspunkten für das Vorliegen einer derartigen Belastung (mit Deponiegut, Abfällen, Chemikalien, Bergwerksstollen usw.) des überplanten Bereichs hatten oder sich hätten verschaffen können.

Für die Praxis bedeutet dies, dass in allen Stadien der Bauleitplanung, des Baugenehmigungsverfahrens und der Bodenordnung stets Vorbelastungen (Altlasten) durch abgeschlossene oder bestehende Nutzungen der Grundstücke aber auch Beeinflussungen durch natürliche Gegebenheiten mit zu berücksichtigen, aufzuklären und in den Entscheidungsvorgang mit einzustellen sind.

Beispiele:
BGHZ 123, 363 ff. – Chemiefabrik, Gaswerk –

Hat die Gemeinde Kenntnis davon, dass im Plangebiet (auch Jahrzehnte zuvor) eine Chemiefabrik und ein Gaswerk betrieben wurden, hat sie die Pflicht, sich über das Schadstoffrisiko zu vergewissern (bis hin zu Bodenuntersuchungen). – BGHZ 142, 259 ff. – Einstürzen von stillgelegten Bergwerksstollen (Tagesbrüche) –

In konsequenter Erweiterung der „Altlastenrechtsprechung" ist Ersatz für Schäden zu leisten, die auf die erkannte oder erkennbare Überplanung von bergschadengefährdeten Bereichen (unterirdischer Braunkohleabbau, mangelhafte Verfüllung, Absicherung der unterirdischen Stollen und Hohlräume, massive Einsturzgefahr mit Einsturztrichtern bis zur Erdoberfläche) zurückzuführen sind. Auch hier besteht eine akute Gefahr für Leben und Gesundheit, so dass die im Plangebiet arbeitenden und wohnenden Menschen in jedem Fall „geschützte Dritte" sind.

Geschützt sind in erster Linie die Grundstückseigentümer und Inhaber dinglicher Rechte, jedoch ist eine starke Ausweitungstendenz ersichtlich und deren Notwendigkeit auch evident (Grundstückserwerber, Mieter, Arbeitnehmer). Geschützte Rechtsgüter sind vom Ausgangspunkt her Leib, Leben und Gesundheit der gebietsbezogenen Wohn- und Arbeitsbevölkerung.

Nicht geschützt werden nur mittelbar Betroffene, die mit dem jeweils betroffenen Grundstück nicht unmittelbaren Kontakt haben (z.B. Kreditgeber), deren Interessen allenfalls mittelbar (geringerer Verkaufswert eines nicht verseuchten Grundstücks in nur teilweise kontaminiertem Gebiet u.a.) berührt werden oder die überhaupt nicht bauwillig sind. Zu weiteren Einzelheiten der Haftung, auch zur Beschränkung über Schutzzwecküberlegungen s. o. Rn. 572 f..

II. Aufsichtsbehörden (Anlagen-, Wirtschafts-, Banken-, Bauaufsicht usw.)
Staatliche Aufsicht über gefährliche Betriebe und Anlagen (Seilbahnen, Kernkraftwerke, Flugzeuge, Kraftfahrzeuge usw.) diente ursprünglicher Ansicht nach nur dem öffentlichen Interesse, ein Drittschutz der entsprechenden gesetzlichen Grundlagen staatlicher (und kommunaler) Aufsicht (Gesetzesnormen, Amtspflichten) wurde früher durchweg abgelehnt. Heute wird dieser Problembereich „Staatlicher Aufsicht" differenzierter gesehen, was jedoch die Berechenbarkeit des „Drittschutzes" und damit auch der von gerichtlichen Entscheidungen relativiert.

Herausgebildet hat sich eine schwer überschaubare Kasuistik, klare Linien fehlen. Als Tendenz kann wohl formuliert werden, dass staatliche Aufsicht nicht nur dem öffentlichen Interesse dient sondern auch privaten Rechtsgütern Schutz bieten soll (Ausweitung des Drittschutzes), wobei je nach Norm und Sachgebiet der Schutzbereich (eng) zu bestimmen ist (Einengungstendenz, Restriktion).