Führung und Management im Krankenhaus. 2., vollst. überarb. Aufl.

von: Hans-Wolfgang Hoefert

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2007

ISBN: 9783840920837 , 295 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, OL

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Preis: 30,99 EUR

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Führung und Management im Krankenhaus. 2., vollst. überarb. Aufl.


 

Ganzheitlichkeit, Humanität und Patientenorientierung – ethische Leitziele oder Marketingbegriffe? ( S. 139)

Hans-Wolfgang Hoefert
Viele Krankenhäuser lassen in ihrer Selbstdarstellung den Eindruck entstehen, sie hätten einen „humanen" Anspruch, das Pflegekonzept sei „ganzheitlich" aufgebaut bzw. sie seien insgesamt „patientenorientiert". Die folgende Darstellung geht der Frage nach, wie diese Begrifflichkeiten historisch zustande gekommen sind und warum man es für erforderlich hält, diese zu verwenden.

Es wird verdeutlicht, dass insbesondere die Pflegekonzepte bei der Verwirklichung entsprechender Ansprüche auf das Verhalten der Pflegenden gegenüber den Patienten abzielen, während es Sache der Krankenhausleitung ist, die dafür geeigneten (baulichen, materiellen) Verhältnisse zu schaffen. Zur Diskussion wird die Frage gestellt, inwieweit die Betrachtung des Patienten als „Kunden" geeignet ist, humanere Verhältnisse herzustellen oder ob sich diese Perspektive womöglich als kontraproduktiv erweist.

1 Zur Geschichte der Krankenpflege
Insbesondere der Pflege und ihrem gewandelten Berufsverständnis haben wir heute eine Diskussion zu verdanken, in der Begriffe wie „Ganzheitlichkeit" oder „Humanität" für konzeptionelle Umorientierungen im Umgang mit Kranken ebenso wie in den Arbeitsabläufen im Krankenhaus stehen. Zugleich sind diese Begriffe im Wege der Selbstprofilierung der Pflege-Berufe zeitweise auch als „Kampfbegriffe" in Abgrenzung zur Medizin benutzt worden. Die heutige Diskussion wird verständlicher, wenn man einen kurzen Blick auf die Geschichte der Krankenpflege wirft.

Im Vordergrund steht dabei die für unser heutiges Krankenhauswesen prägende Epoche zum Ausgang des 19. Jahrhunderts, welche zugleich auch die bisher intensivste Epoche des Krankenhausbaus ist. Sieht man einmal ab von den historischen Vorläufern von „modernen" Krankenhäusern in der Antike und im mitteleuropäischen Mittelalter sowie ihrem Heilpersonal, dann kann man die Anfänge einer Professionalisierung der Krankenpflege in Deutschland auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts datieren.

In diesem Zeitraum erlebte die Medizin auch noch für unsere Zeit entscheidende Fortschritte in der Anatomie, Physiologie, Pathologie und – nicht zuletzt – in der Hygiene. Einer der Pioniere der Seuchenlehre und Hygiene, nämlich Rudolf Virchow, war es, der sich 1866 in seiner Rede „über Hospitäler und Lazarette" der Geschichte der „Sorge um Kranke" widmete (vgl. Virchow und v. Holtzendorff 1869).

Sie zeige, wie auch die Humanität in dem Maße voranschreite, in dem die Politik durch Kriege neue Brutalitäten gebiere (vgl. die Fortschritte der Krankenversorgung in Kriegszeiten sowie die durch Florence Nightingales Einsatz im Krimkrieg herbeigeführten Verbesserungen der Versorgung Verwundeter). Ähnlich berühmt ist die Rede des Marburger Chirurgen Ernst Küster über „die Krankenpflege in Vergangenheit und Gegenwart" (1895) geworden.

Diese Rede, die vermutlich dem Zeitgeist (der Medizin) im ausgehenden 19. Jahrhundert entspricht, knüpft zunächst an Virchow an, wendet sich dann aber konkret der Krankenpflege zu: So emp- fiehlt er die Ausweitung der Krankenpflege zur Lösung der Frauenfrage (gemeint waren damalige Emanzipationstendenzen, u. a. der Zugang von Frauen zu den Universitäten). Krankenpflege sei die „getreue Schwester der praktischen Medizin, welche still und geräuschlos ihr Werk thut, welche demuthsvoll bei Seite steht, wenn ihre Schwester Triumphe feiert" (gemeint ist die „Schwester" Medizin).

Weiterhin betrachtet Küster die Krankenpflege als „mächtigen Hebel" gegen die „Lehren des Umsturzes", die seiner Meinung nach immer nur in den „schmutzstarrenden, verkommenen Wohnungen gewisser Bevölkerungsklassen" entstehen könnten.