Flugmechanik der Hubschrauber - Technologie, das flugdynamische System Hubschrauber, Flugstabilitäten, Steuerbarkeit

von: Walter Bittner

Springer-Verlag, 2006

ISBN: 9783540275411 , 238 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, OL

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Preis: 76,99 EUR

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Flugmechanik der Hubschrauber - Technologie, das flugdynamische System Hubschrauber, Flugstabilitäten, Steuerbarkeit


 

11 Flugtechnische Stabilitäten (S. 174-175)

Aus dem zunächst unbeeinflussten Zusammenspiel aller Kräfte und Momente an den verschiedenen Bauteilen des Hubschraubers ergibt sich, wie in Kap. 10.2 dargestellt, dessen systemtypische Dynamik und damit auch dessen flugtechnischen Stabilitätseigenschaften. Diese stehen in Wechselwirkung mit den Steuereigenschaften, die in den Kapiteln 12 und 13 behandelt werden. Durch geeignete Auslegung, sowohl des Systems Hubschrauber in seiner Konfiguration als auch des Steuerungssystems, möglichst stabilen Flug zu erreichen ist ein wesentliches Ziel bei der Optimierung der Flugeigenschaften. Mangelhafte Stabilitäten können zum Verlust der Steuerbarkeit führen. Bewegungen, hervorgerufen durch zu starke Instabilitäten, desorientieren den Piloten, entstehende Luftkräfte können die Struktur der Maschine überfordern. Stabilität entlastet also den Piloten, erhöht die Sicherheit der Einsätze, besonders im Blindflug und bei bodennahen Manövern.

11.1 Die statische Längsstabilität

Ein Hubschrauber wird als statisch längsstabil bezeichnet (eigentlich müsste es geschwindigkeitsstabil heißen), wenn er einer Störung seines stationären (ausgetrimmten) Fluges unmittelbar tendenziell entgegenwirkt, gleichgültig welche Reaktionen sonst noch auftreten. Für den Piloten bedeutet statische Längsstabilität gefühlsmäßig richtiges Sticknach- vorn-drücken, um höhere Vorwärtsgeschwindigkeiten einzusteuern. Jeder Knüppelstellung ist dann eine Fluggeschwindigkeit eindeutig zugeordnet, in positivem und stetigem Abhängigkeitsverhältnis. Bei einer positiven Fluggeschwindigkeitsstörung im Vorwärtsflug (also etwa einer Bö von vorn) muss demnach der Hubschrauber selbständig die Nase heben, um die vermeintlich zu hohe Geschwindigkeit abzubauen. Das Nickmoment der Gesamtmaschine muss also positiv sein.

Das bereits bekannte Derivativum Mu, erzeugt durch die Schlagbewegung der Rotorblätter und immer stärker angeregt durch die Geschwindigkeitssteigerung, ist hier das relevante, es hat diese verlangte Tendenz. Das Kriterium, das den Schwebeflug instabil macht, erzeugt im Vorwärtsflug die für die Zulassung wichtige statische Stabilität. Destabilisierend wirken vor allem der Rumpf und der angesteuerte Rotor. Durch andere Hubschrauberbauteile, vor allem mit dem Höhenleitwerk, kann der Gradient des Nickmomentes eingestellt werden. Ein verstärkt negativ angestelltes Höhenleitwerk wirkt zusätzlich stabilisierend.

Die Destabilisierung durch den angesteuerten Rotor entsteht durch das für die Steuerung benötigte Moment aus dem Schubvektor mal dem Abstand von dessen Wirklinie zum HS-Schwerpunkt. Im Schwebeflug gibt es zunächst kein Gegenmoment, weshalb alle Hubschrauber in diesem Flugzustand instabil sind. Der Gradient des Nickmomentes pro Steuerausschlag darf nicht zu flach werden, sonst reicht der Steuerweg des Stick möglicherweise nicht aus. Ein zu steiler Gradient erzeugt unangenehm abrupte Steuerwirkungen. Statisch instabile Hubschrauber sind fliegbar, erfordern aber dauernden Eingriff des Piloten zur Einhaltung der gewünschten Geschwindigkeit und beanspruchen damit höchste Aufmerksamkeit. Zur Geschwindigkeitsaufnahme muss bei solchen Hubschraubern der Stick zunächst nach vorn gedrückt und nach Erreichen der gewünschten Geschwindigkeit wieder in die Nähe der Trimmstellung gezogen werden. Für die Zulassung entsprechend IFR muss zusätzlich zum Weg- auch der Kraftgradient am Stick stetig und positiv sein.

11.2 Die Anstellwinkelstabilität

Die Anstellwinkelstabilität zeigt sich als Manöverstabilität, also vor allem im Kurvenflug. Ist dabei „Ziehen" am Stick erforderlich, spricht man von positiver Manöver- oder Anstellwinkelstabilität. Der Pilot agiert zur erfahrenen Flugsituation „richtig". Manöverstabilität ist also wichtig für den Lastvielfachenflug, der zyklisch einzusteuern ist, unter Beibehaltung der Geschwindigkeit und ohne Änderung der kollektiven Ansteuerung. Die Lastvielfachen entstehen durch Anstellwinkelerhöhung an den Blattelementen, erzeugt durch leichten Sinkflug. Die zur erforderlichen Schubsteigerung und zum Geschwindigkeitserhalt benötigte Mehrleistung wird der Potentialenergie der Gesamtmaschine entnommen. Der angesteuerte Hauptrotor wirkt auch hier destabilisierend. Im gleichen Sinn wirkt der Rumpf. Die zyklische Ansteuerung verstärkt die Schlagreaktion der Blätter und damit das gegensteuernde Mu.