Suchen und Finden
Management von Geschäfts- und IS-Architekturen (S. 585-586)
Robert Winter
Universität St. Gallen
Jede Organisation ist permanent gezwungen, ihre strategischen Planungen, Abläufe, Strukturen und Anwendungsssysteme an veränderte Markt- und Umweltbedingungen anzupassen. Darüber hinaus wird proaktiv versucht, durch Veränderungen Innovationspotenziale (z. B. neuer Informations- und Kommunikationstechnologien) zu erschließen. Eine wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit all dieser Transformationen ist dabei, dass Strategieänderungen erst wirksam werden, wenn sie in Form veränderter organisatorischer Abläufe und / oder Strukturen sowie, soweit diese automatisierbar sind, in Form entsprechender Veränderungen der Anwendungssysteme umgesetzt werden.
Strategische Planungen, organisatorische Abläufe / Strukturen und Anwendungssysteme folgen jedoch unterschiedlichen Lebenszyklen. Während für strategische Veränderungen gerade in den letzten Jahren eine schnelle Entwicklung und Umsetzung gefordert wird (z. B. innerhalb eines Jahres), rechnet man bei größeren organisatorischen Veränderungen (z. B. großen Restrukturierungsprogrammen) mit Projektlaufzeiten bis zu zwei Jahren. Die grundlegende Strukturierung der Anwendungssysteme geht dagegen teilweise noch auf die 1980er oder sogar 1970er Jahre zurück, d. h. wurde häufig während mehr als zwanzig Jahren nicht fundamental verändert.
Wenn fachliche und technische Strukturierung unterschieden werden, sind selbst innerhalb der Systemebene zwei unterschiedlich lange Lebenszyklen zu beobachten: Während die technische Architektur seit den 70er Jahren ein- bis zweimal grundlegend verändert wurde (z. B. von zentralen, Hostorientierten Strukturen zu Client-Server-Strukturen und / oder zu Serviceorientierten Strukturen), dominiert als fachliche Architektur immer noch die ursprünglich aus den 1970er und 1980er Jahren stammende, Silo-artige Funktionalintegration.
Der unterschiedlich lange Lebenszyklus von Geschäfts- und Prozessarchitekturen auf der einen Seite und IT- sowie insbesondere Applikationsarchitekturen auf der anderen Seite führt zu einem sukzessiven Auseinanderklaffen der jeweils realisierten Strukturen. Vernetzungs- und Spezialisierungsstrategien sowie entsprechende Reorganisationsprogramme spiegeln in vielen Unternehmungen den aktuellen Stand der betriebswirtschaftlichen Diskussion wieder, während gleichzeitig eine Applikationsarchitektur beklagt wird, die als veraltet wahrgenommen wird und die durch permanente Umbauten zunehmend komplexer und heterogener wird.
Handlungsbedarf für Architekturmanagement entsteht nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Lebenszyklen auf den verschiedenen Gestaltungsebenen der Unternehmensarchitektur, sondern auch durch buy-before-make- und best-of-breed- Strategien sowie durch Mergers &, Acquisitions. Nach einer eher Architektur-feindlichen Zeit vor einigen Jahren, als im E-Hype Schnelligkeit als wesentlich wichtiger bewertet wurde als Nachhaltigkeit, ist nun eine Renaissance von Architekturthemen zu beobachten, die als Rückbesinnung auf Globalziele wie Nachhaltigkeit und Flexibilität interpretiert werden kann.
Die Brückenfunktion der Wirtschaftsinformatik zwischen Betriebswirtschaft und Informatik prädestiniert unsere Disziplin, Architekturvisionen zu entwickeln, die die oben skizzierten Probleme überwinden helfen. Neben geeigneten Artefakten (Gestaltungsregeln, Referenzlösungen) werden auch geeignete Methoden und Modelle für das Management von Geschäfts- und IS-Architekturen entwickelt, konsolidiert und / oder validiert. Da Mensch-Maschine-Systeme und nicht technische Artefakte betrachtet werden, sind neben den eigentlichen Konstruktionsprozessen auch die Kommunikation und die Durchsetzung von Architekturen zu berücksichtigen.
Alle Preise verstehen sich inklusive der gesetzlichen MwSt.