Kinderwunschsprechstunde

von: Michael Ludwig

Springer-Verlag, 2005

ISBN: 9783540267355 , 198 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 34,99 EUR

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Kinderwunschsprechstunde


 

4 Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren (S.58-59)

4.1 Einleitung

Kurzüberblick

Die Besonderheit der Anamneseerhebung bei Kinderwunschpaaren liegt in der Tatsache, dass es sich stets um zwei Partner handelt, die zum einen individuell abgeklärt, zum anderen aber immer in der Gesamtschau betrachtet werden müssen. Nur so wird es möglich sein, dem einzelnen Paar in Diagnostik und Therapie gerecht werden zu können. Vergleichbar ist die Situation des Kinderwunschpaares im Bewusstsein des behandelnden Arztes mit einem Mosaikbild, welches sich aus vielen einzelnen Bausteinen zusammensetzt.

Beim Austauschen nur eines dieser Bausteine wird sich das Gesamtbild schnell ändern und zu einem anderen Vorgehen oder einer anderen Empfehlung führen. Wie wahrscheinlich in keinem anderen Gebiet bedingt die Kombination aus zahlreichen anamnestischen Faktoren sowie diagnostischen Befunden schlussendlich das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen.

! Hier ist auch zu beachten, dass sich tatsächlich im Rahmen der Diagnostik und Therapie stets nur Empfehlungen ableiten lassen. Keiner der Schritte, der wegen des Kinderwunsches unternommen werden kann, stellt ein »Muss« dar.

Es wird sich niemals um eine lebensbedrohliche Situation handeln, die eine sofortige Intervention erfordert. Insofern muss jeder Schritt, und das gilt es bereits bei der Anamneseerhebung festzuhalten, vom Paar selber entschieden und gemacht werden. Bereits bei der Anamneseerhebung muss man das Paar durch eine »non-direktive« Beratung in die Lage versetzen, durch Kenntnis von Chancen und Risiken selbstbewusst eigene Entscheidungen zu fällen. Das ist die Grundlage aller weiteren Ausführungen in diesem Kapitel. Es geht um die evidenz-basierte Reproduktionsmedizin, bei der der Arzt, gestützt auf Studienergebnisse, seine Empfehlung für Diagnostik und Therapie anhand der ganz individuellen Paarkonstellation ausrichtet.

Es muss in der heutigen Zeit möglich sein, Entscheidungen auf der Basis eben solcher Zahlen zu treffen und nicht aus dem Bauch heraus Empfehlungen abzugeben oder aber – schlimmer noch – einen standardisierten Ablaufplan jedem Paar, unabhängig von der individuellen Situation, anzubieten und durchzuziehen. Der reproduktionsmedizinisch tätige Arzt wird insofern nicht nur gynäkologisch/geburtshilfliches Wissen, sondern darüber hinaus Wissen über die Andrologie, Humangenetik, Endokrinologie, Reproduktionsbiologie und Epidemiologie ansammeln müssen, um seiner Verantwortung gerecht zu werden.

4.2 Anamneseerhebung

Die Anamneseerhebung umfasst im wesentlichen vier Punkte:

1. Individuelle Anamnese der Partner
2. Familienanamnese der Partner
3. Zyklusanamnese
4. Sexualanamnese

Die individuelle Anamneseerhebung darf sich dabei nicht nur auf mögliche reproduktionsmedizinisch relevante Punkte, wie z. B. abdominelle Voroperationen oder stattgehabte Adnexitiden beschränken. Sie muss insbesondere bei der Frau auch berücksichtigen, inwieweit sich aus der Anamnese relevante Faktoren für Schwangerschaft und Geburt eruieren lassen. So kann es z. B. sein, dass die Patientin über ein Hüfttrauma, eine Beckenringfraktur im Rahmen eines Autounfalls berichtet, die nachfolgend traumatologisch versorgt worden war. Dies wird für die eigentliche Kinderwunschbehandlung kaum Relevanz haben, sollte jedoch insoweit bereits prä-therapeutisch abgeklärt werden, um zu prüfen, inwieweit sich daraus eventuell Konsequenzen für die Geburt eines Kindes ergeben. Vor der Behandlung können durchaus Röntgenuntersuchungen aktualisiert werden – dies wird in der Schwangerschaft und kurz vor der Geburt nicht mehr so möglich sein.