Modellbildung und Simulation hochdynamischer Fertigungssysteme - Eine praxisnahe Einführung

von: Oliver Zirn, Sascha Weikert

Springer-Verlag, 2006

ISBN: 9783540292791 , 374 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 89,91 EUR

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Modellbildung und Simulation hochdynamischer Fertigungssysteme - Eine praxisnahe Einführung


 

2.1.2 Thermisches Modell (S.72-73)

Um sicherzugehen, dass der Servoantrieb im vorgesehenen Betrieb nicht durch Überhitzung ausfällt, muss auch das thermische Verhalten der Servoantriebe für eine kostenoptimale und zuverlässige Antriebsdimensionierung betrachtet werden. Speziell bei Antrieben mit enger mechanischer Ankopplung an die Maschinenstruktur, wie Linearmotoren und Einbaumotoren für rotative Direktantriebe (sog. Torque-Motoren), ist auch der Wärmeeintrag und die resultierende Ausdehnung der mechanischen Bauteile von Interesse. Meist kann dieser Effekt durch wicklungsnahe Flüssigkühlung weitgehend unterdrückt werden. Hier stellt sich die Frage nach der erforderlichen Kühlleistung. Neben dem Motor gibt es auch noch weitere Wärmequellen (Lager, Übertragungsglieder, Bearbeitungsprozess), die neben der Antriebsdimensionierung die erforderliche Kühlleistung bestimmen. Diese Fragestellungen können – wenn sie nicht messtechnisch an geeigneten Prototypen untersucht werden können – mit einem ausreichend detaillierten thermischen Modell beantwortet werden.

Grundsätzlich ist die genaue Ermittlung der thermischen Verhältnisse an einer kompletten Werkzeugmaschine sehr komplex. Verschiedentlich wird versucht, das thermische Verhalten mit Hilfe der FEM nachzubilden (Müller u. Groth 1999, Jungnickel 2000). Da jedoch die Strömungen von Medien im Arbeitsraum von vielen Einflüssen abhängen, die dazu noch zeitvariant sind und oft nur durch grobe Abschätzungen quantifiziert werden können, ist die Beurteilung des thermischen Maschinenverhaltens auf rein simulativer Basis heute aufwändig und von begrenztem Aussagewert.

Daher beziehen sich die hier dargestellten Modellbildungsansätze auf eine Beschreibung der thermischen Verhältnisse im Nahbereich des Motors. Hier kann der Wärmefluss durch eine weitgehende Diskretisierung von Bauteilen in thermische Widerstände und Kapazitäten recht anschaulich und mit ausreichender Genauigkeit beschrieben werden. Die thermischen Zeitkonstanten von Werkzeugmaschinen und Robotern liegen meist mehrere Größenordnungen über den mechatronischen Zeitkonstanten. Hier kann die Erwärmung mit vergleichsweise geringem Aufwand aus der statischen Betrachtung des thermischen Netzwerkes gewonnen werden (statische Modellierung). Systeme mit hohen Anforderungen an die Genauigkeit und gleichzeitig hoher Packungsdichte von Antrieben und Prozessen bedürfen einer exakten thermischen Analyse hinsichtlich des Zeitverhaltens der Erwärmung.

Dabei stellt sich neben dem Temperatur- und Ausdehnungsverhalten im Verharrungszustand die Frage nach dem zeitlichen Einschwingverhalten („Wärmegang"). Daher steht hier die dynamische Modellierung im Vordergrund. Die Analyse anhand eines Mehrkörpermodelles ist mit deutlich weniger Zeitaufwand machbar als die messtechnische Untersuchung von Prototypen. Allerdings erfordert die Modellierung mit diskreten Teilkörpern Vereinfachungen, deren Randbedingungen bei jeder Anwendung zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen sind (s.a. Stölting u. Kallenbach 2001). Zur Erhöhung der Modellsicherheit ist zumindest ein Plausibilitätstest mit Hilfe der FEM anhand eines Lastfalles oder eine messtechnische Validierung anhand geeigneter (verwandter) Prototypen wünschenswert.

1 Vorgaben sammeln Die wesentlichen Vorgaben zur thermischen Modellbildung sind:

• Ort und Zeitverlauf der in das System eingebrachten thermischen Leistungen (z.B. Verlustleistungen von Motoren, Übertragungsgliedern, ...);
• Ort und Zeitverlauf der aus dem System abgeführten thermischen Leistungen (z.B. Kühlwasserkreisläufe, Umgebungsluft, Klimatisierung,...);
• Materialdaten, Massen und geometrische Maße der Systemkomponenten (z.B. spezifische Wärmekapazität, spezifischer Wärmeleitwert, thermisch wirksame Längen, Querschnittsflächen, geometrisch wirksame Längen, ...);

 Die geometrisch wirksame Länge ist die Länge eines Bauteiles, die für die thermische Ausdehnung wirksam ist. Sie kann im Allgemeinen aus den Konstruktionsdaten einer Maschine entnommen werden, ist jedoch gegebenenfalls abhängig von der jeweiligen Schlitten- bzw. Achsposition. Vereinzelt ist der Wärmeübergangswiderstand sowie die thermische Zeitkonstante in den Produktunterlagen von Standard-Servomotoren angegeben. Aufgrund der unterschiedlichen möglichen Einbauverhältnisse vermeiden die Antriebshersteller diese Angaben jedoch oft. Im Anhang A sind die wichtigsten thermischen Stoffdaten tabellarisch aufgeführt. Ausführliche Kennzahlen und Berechnungshinweise für technisch relevante Oberflächengeometrien, Strömungsverhältnisse und Medien sind im VDI-Wärmeatlas (VDI 2002) zusammengefasst.