Handwerk in der Ergotherapie

von: Imke Winkelmann

Georg Thieme Verlag KG, 2009

ISBN: 9783131510419 , 440 Seiten

Format: PDF, OL

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Preis: 49,95 EUR

Mehr zum Inhalt

Handwerk in der Ergotherapie


 

5 Handwerk in der Praxis (S. 254-255)

5 Klinisches Reasoning

5.1.1 Begriffsdefinition


Klinisches Reasoning kann als der gedankliche Prozess bezeichnet werden, den Therapeuten anwenden, wenn sie praktisch arbeiten, „wenn sie Therapie planen, durchführen, Patienten anleiten, Angehörige beraten und wenn sie über ihre ergotherapeutische Arbeit reflektieren. Es ist ein Prozess, bei dem Therapeuten an vieles denken, über vielerlei nachdenken und unterschiedliche Standpunkte mit einbeziehen" (s. Feiler 2003, S. 2). Mattingly u. Fleming (1994, S. 10) beschreiben klinisches Reasoning als das „praktische Know-how, das uns befähigt, theoretisches Wissen in die Praxis umzusetzen.

Es ist eine sehr komplexe Art zu denken, die uns veranlasst genau die therapeutische(n) Maßnahme(n) auszuwählen, die am besten für unseren Patienten geeignet ist (sind)". Unsworth (2004, S. 359) bemerkt: „Für mich ist klinisches Reasoning die Art, wie ich denke und Entscheidungen treffe, wenn ich eine Therapiestunde plane, wenn ich dann mit dem Klienten zusammenarbeite und auch wenn ich anschließend über mein Tun reflektiere. Es beinhaltet: Wissen, Intuition, Urteilsfähigkeit, Empathie und Hausverstand." Es wird nun bereits seit mehr als 20 Jahren über klinisches Reasoning geforscht und wir beginnen immer mehr zu verstehen, wie wichtig es für unsere praktische ergotherapeutische Arbeit ist.

Entstehung des Begriffs ,- Rogers u. Masagatani führten 1982 die ersten Studien über klinisches Reasoning durch und Rogers präsentierte diese bei der Eleanor Clarke Slagle Lecture 1983. Sie definierte dabei die 3 entscheidenden Fragen, die Therapeuten bei ihrem therapeutischen Arbeiten immer leiten, nämlich: Was ist der gegenwärtige Zustand meines Patienten? Was kann getan werden, um diesen Zustand zu 2. verbessern? Klinisches Reasoning und evidenzbasierte Praxis 5.1 in Bezug auf die Auswahl des richtigen Therapiemittels Maria Feiler Was muss getan werden? 3. Eine nach diesem Vortrag an Fleming und Mattingly in Auftrag gegebene groß angelegte Studie hatte vorerst zum Ziel, die „Praxistheorie" unseres Berufs zu erforschen. Vor allem sollten sie mehr über das sogenannte „Tacit Knowledge" heraus- finden.

Dabei geht es um jenes Wissen, das Therapeuten offensichtlich haben, das bestenfalls von Therapeut zu Therapeut mündlich weitergegeben wird und das trotzdem vielfach den eigentlichen Anhaltspunkt für Therapeuten bei ihrer täglichen Praxis darstellt. In ihren Berichten über Ergebnisse aus dieser Studie unterschieden Mattingly (1994) und Fleming (1994) zwischen „theories in use" und „espoused theories". „Theories in use" – sie nannten sie auch „praktische Theorien" – sind solche, die aus der Praxis abgeleitet werden. Viele dieser von den Ergotherapeuten angewandten „Gebrauchstheorien" sind in der Regel gekoppelt mit einem großen Fundus an unausgesprochenem Wissen. Therapeuten haben Mühe zu erklären, warum sie etwas machen. Sie sprechen von „Erfahrung" oder „Intuition", sie „wissen einfach", dass diese Maßnahmen etwas bewirken.

Ihr Wissen bleibt aber undokumentiert und kann deshalb nicht zum Fundus des beruflichen Wissens beitragen. Mit „espoused theories" bezeichnen sie die Theorien, die von unserem Beruf als gültig angesehen werden. Diese Theorien sind intelligente Spekulationen über die Sichtweise eines bestimmten Phänomens, die normalerweise ausgetestet und/oder durch Forschung bestätigt werden. Mattingly (1994) beschreibt, dass sich Ergotherapeuten gedanklich gewissermaßen zwischen zwei Praxissphären bewegen.