Risikoeinstellungen in internationalen Konflikten

von: Carsten Giersch

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2009

ISBN: 9783531914022 , 377 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 42,25 EUR

Mehr zum Inhalt

Risikoeinstellungen in internationalen Konflikten


 

6 Strukturelle Faktoren von Risikoeinstellungen (S. 125-126)

In den bisherigen Kapiteln wurde erörtert, wie Risikoeinstellungen von individuellen politischen Akteuren und Gruppen repräsentiert werden. Hauptsächlich ging es dabei um intrinsische Vorgänge, wobei rationale und kognitiv-psychologische Ein.ussfaktoren unterschieden wurden. Das letzte Kapitel behandelte kritische Aspekte der Informationsverarbeitung und des Lernens, die ebenfalls auf die Konstruktion von Risikoeinstellungen einwirken.

Damit wurde zudem der Tatsache Rechnung getragen, dass internationale Beziehungen und Kon.ikte eine Funktion organisatorischer Entscheidungsprozesse sind. Inwieweit einzelne Führungspersonen, ein.ussreiche Gruppen und Bürokratien diese Entscheidungsprozesse bestimmen, ist eine der zentralen Fragen der außenpolitischen Analyse.

Die Unterscheidung von Analyseebenen – einzelne Führungspersonen, Bevölkerung, Bürokratien und Interessengruppen, Staaten und Regierungen, das internationale System – ist für die Gewinnung di.erenzierter Vorstellungen von den gestaltenden Kräften in den internationalen Beziehungen unerlässlich. Diese Unterscheidung geht häu.g mit konkurrierenden Theorien der internationalen Beziehungen – Realismus, Liberalismus, Konstruktivismus – einher und mit einer Vielzahl dabei angewendeter Methoden. Für die Analyse internationaler Kon.ikte wird hier der Versuch unternommen, die verschiedenen Aktionsebenen, Theorien und Methoden in einem zentralen Konzept miteinander zu verbinden, nämlich der kritischen Rolle von Risikoeinstellungen als Schlüssel zum Verständnis strategischer Interaktionen.

Dafür ist nun zu klären, welche extrinsischen Faktoren auf die Repräsentation der Risikoeinstellungen Einfluss nehmen. Relevante strukturelle, situative und interaktive Faktoren werden in diesem Kapitel und in den beiden folgenden Kapitel 7 und 8 systematisiert. Die Aufgabe besteht darin, einen theoretisch sinnvollen wie praktisch zweckmäßigen Zusammenhang herzustellen zwischen bestimmten kriegs- oder friedensfördernden Systemeigenschaften, typischen Konflikt- oder Kooperationssituationen sowie risikofreudigen oder risikoaversen Interaktionen. Sowohl strukturelle Variablen auf der Makroebene als auch Ereignisse auf der Mikroebene sind wichtig für die Analyse internationaler Prozesse.

Diese Informationen können als Daten gesammelt, durch statistische Verfahren ausgewertet, sogar durch formale Modelle miteinander verbunden werden.3 Mit solchen Untersuchungen kann vieles beschrieben und erklärt werden. Um jedoch zu verstehen, was im Einzelfall geschieht oder geschehen wird, müssen die Einstellungen der Akteure berücksichtigt werden, die teils intrinsisch und teils extrinsisch unter dem Ein.uss der Bedingungen und Ereignisse als risikofreudige oder risikoaverse Präferenzen konstruiert werden.4

6.1 Von Kriegsursachen zu Faktoren des Friedens

Internationalen Kriegen gehen normalerweise Krisen voraus, in denen ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Seite latent oder o.en mit Gewaltanwendung droht.5 Solche militarisierten Krisen müssen zwar nicht zum Krieg führen. Die bedrohte Seite kann auch nachgeben, es besteht die Möglichkeit, eine politische Kompromisslösung zu .nden, etwa durch internationale Vermittlung, eventuell bleibt die Verstärkung des militärischen Drucks aus, und die Angelegenheit wird ausgesessen oder vertagt. Militarisierung ist jedoch als wichtiges Merkmal hervorzuheben, weil mit der Androhung von Gewalt häu.g eine kritische Schwelle zur Eskalation eines Kon.ikts überschritten wird.