Sepsis und MODS

von: Karl Werdan, Hans-Peter Schuster, Ursula Müller-Werdan

Springer-Verlag, 2005

ISBN: 9783540265870 , 628 Seiten

4. Auflage

Format: PDF, OL

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Preis: 2,99 EUR

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Sepsis und MODS


 

12 Die akute respiratorische Insuffizienz im Rahmen des multiplen Organdysfunktionssyndroms (S. 360-361)

H. Burchardi, M. Sydow

Vor mehr als 30 Jahren wurde erstmalig auf eine akute respiratorische Insuf. zienz aufmerksam gemacht [11, 109], die seitdem unter verschiedenen Bezeichnungen (Schocklunge, adult respiratory distress syndrome (ARDS), und neuerdings acute lung injury (ALI) [14] bzw. im deutschen Schrifttum akutes Lungenversagen (ALV)) in der Intensivmedizin eine erhebliche Bedeutung spielt. Diese akute respiratorische Insuffizienz beruht auf einer schweren diffusen Schadigung des Lungenparenchyms.

Sie ist funktionell gekennzeichnet durch: 1. arterielle Hypoxamie unterschiedlichen Schweregrades, 2. diffuse rontgenologische Infiltration, 3. verminderte Dehnbarkeit (Compliance) der Lunge und 4. eine erniedrigte funktionelle Residualkapazitat (FRC).

Ätiologie
Das akute Lungenversagen ist eine typische Reaktion der Lunge auf die Mechanismen der Entzundung (bakteriell oder nichtbakteriell), bei der freigesetzte Entzundungsmediatoren eine ma©¬gebliche Rolle spielen. Dabei ist es unerheblich, ob die Entzundungsmechanismen primar pulmonal oder nichtpulmonal, also systemisch ausgelost werden. Das Lungengewebe reagiert offenbar stets in recht stereotyper Weise [61].

Insbesondere Sepsis oder SIRS (systemic inflammatory response syndrome) sind als systemische Reaktionen einer Entzundung zu verstehen [23], die ein akutes Lungenversagen zur Folge hat, aber auch zu Funktionsversagen anderer Organe fuhren konnen.

Klinisches Bild
Das klinische Bild des ALV ist gekennzeichnet durch eine akute, progrediente respiratorische Insuffizienz: Rasch und zunehmend entwickeln sich Gasaustauschstorungen mit Hypoxamie und erhohter Totraumventilation. Die Compliance der Lunge wird reduziert, und die Atemarbeit steigt erheblich an. Um den pulmonalen Gasaustausch aufrecht zu erhalten, ist die Erhohung des Lungenvolumens (FRC) durch PEEP oder CPAP und meistens die apparative Beatmung erforderlich.

Übersicht 12-1
Auslösende Ursachen für das akute Lungenversagen (ARDS) ,
- Sepsis (z. B. Bakteriämie, Endotoxinämie, Fungämie),
- Kreislaufschock, Massivtransfusion,
- Aspiration (Säureaspiration, Ertrinkungsunfall),
- Polytrauma, thorakal (Lungenkontusion) und/oder extrathorakal,
- Verbrennungen,
- akute Pankreatitis,
- Immunsuppression (z. B. nach Transplantation, Bestrahlung),
- Pneumonien (virale, mykoplasmale, bakterielle),
- Intoxikationen (z. B. Paraquat),
- Fruchtwasserembolie, disseminierte intravasale Gerinnung (DIC),
- Eingriffe unter extrakorporaler Zirkulation (Herz-Lungen-Maschine),
- Rauchvergiftung und Inhalation toxischer Gase
- und viele andere.

Das akute Lungenversagen ist ein zentrales Problem beim multiplen Organdysfunktionssyndrom (MODS) [23] bzw. Multiorganversagen (MOV). Dabei kann eine pulmonaI auslosende Ursache (etwa infolge Aspiration, als Pneumonie, als nosokomiale pulmonale Infektion u. a.) schlie©¬lich zum MODS fuhren, oft ist jedoch die akute respiratorische Insuf. zienz Folge einer extrapulmonal ausgelosten Sepsis oder eines SIRS [23] mit MOV bzw. MODS (z. B. infolge einer Peritonitis). Immerhin sind etwa 75 % aller auf der Intensivstation erworbenen Infektionen im Respirationstrakt lokalisiert, wie eine gro©¬e epidemiologische Studie mit 28 europaischen Intensivstationen ergab [2]. Eine entsprechende US-amerikanische Studie an 847 Krankenhausern zeigte, dass bei etwa 40 % aller Sepsispatienten der Respirationstrakt beteiligt [6] war. Nicht selten ist die fruhe Diagnose eines beginnenden akuten Lungenversagens praktisch nicht moglich, da die ersten Anzeichen, wie leichte Dyspnoe und Tachypnoe mit einer milden respiratorischen Alkalose, nicht spezi. sch sind. Außerdem ist der Beginn oft schleichend, protrahiert und von anderen Krankheitsgeschehen (z. B. Polytrauma, Pneumonie, Sepsis) überdeckt.