EMDR mit Kindern und Jugendlichen. Ein Handbuch

von: Thomas Hensel

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2006

ISBN: 9783840919411 , 364 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 26,99 EUR

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EMDR mit Kindern und Jugendlichen. Ein Handbuch


 

1 EMDR mit Kindern und Jugendlichen – Die Grundlagen (S. 10-11)

Thomas Hensel

1.1. Einführung

Wír erleben derzeit einen Paradigmenwechsel in der Psychotherapie. Immer deutlicher werden die Zusammenhänge zwischen belastenden und traumatisierenden Erfahrungen in der Kindheit und der Entwicklung psychischer, körperlicher und sozialer Störungen im weiteren Leben erkannt. Bahnbrechend sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse der Adverse Childhood Experiences (ACE) Study (Felitti et al., 1998), die eindrucksvoll belegen, „wie sich das Gold eines neugeborenen Kindes in das Blei eines psychisch, körperlich und sozial leidenden Erwachsenen verwandelt“ (Felitti, 2002). Innerhalb dieser Entwicklung hin zu einem traumabasierten Verstehensmodell psychischer Störungen steht EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) an prominenter Stelle. EMDR ist ein hoch wirksames, evidenzbasiertes Verfahren zur Behandlung von PTBS und anderen Traumafolgestörungen, das durch seine therapieschulenübergreifende Theorie und Praxis einen neuen Typ integrativer Psychotherapie darstellt.

1.1.1 Die Verwandlung von Gold in Blei
1.1.2 Grundlagen von EMDR
1.1.3 EMDR: Evidenzbasiert und eigenständig
1.1.4 Wirksamkeit von EMDR bei Kindern und Jugendlichen
1.1.5 Schlussfolgerungen

1.1.1 Die Verwandlung von Gold in Blei

Ein Meilenstein in der Erforschung der Auswirkungen von belastenden Kindheitserfahrungen stellt die Adverse Childhood Experiences (ACE) Study von Felitti et al. (1998) und Felitti (2002, 2003) dar. In ihr wurden über 17.400 Erwachsene aus der US-amerikanischen Mittelschicht daraufhin untersucht, inwieweit belastende Kindheitserfahrungen mit psychischen, körperlichen und sozialen Beinträchtigungen im späten Erwachsenenalter zusammenhängen. Folgende acht Belastungsfaktoren wurden im Vorhinein festgelegt und mit je einem Punkt bewertet (Prävalenz in Klammern):

• „wiederholter und schwerer körperlicher Missbrauch (11%)
• wiederholter und schwerer emotionaler Missbrauch (11%)
• sexueller Missbrauch (22%)

Aufwachsen in einem Haushalt (mit):

• einem Alkoholiker oder Drogenkonsumenten (25%)
• einem Familienmitglied im Gefängnis (3%)
• einem geistig kranken, chronisch depressiven oder einem in eine Anstalt einge- wiesenen Familienmitglied (19%)
• in dem die Mutter körperlich misshandelt wird (12%)
• beide biologischen Eltern nicht vorhanden waren (22%)“ (Felitti, 2003).

Für jeden Studienteilnehmer ergab sich somit ein Belastungswert (ACE-Punktzahl) zwischen 0 und 8 Punkten. Mit der Studie zeigt Felitti (2003), dass

• „belastende Kindheitserfahrungen überraschend häufig und in den besten Familien auftreten, obwohl sie meist verborgen und unerkannt bleiben,

• ACE auch nach 50 Jahren noch tiefgreifende Auswirkungen haben, obwohl sie sich jetzt von psychosozialen Erfahrungen in Erkrankungen (Essstörungen, Süchte, Depression, Suizidversuche, Diabetes, Herzerkrankungen) und soziale Beein- trächtigungen (eingeschränkte Arbeitsfähigkeit) gewandelt haben,

• belastende Kindheitserfahrungen Hauptdeterminanten für Gesundheit und sozi- ales Wohlergehen sind.“ (Kursivschrift T. H.).