Der lange Weg zum Fest - Die Geschichte der Moskauer Stadtgründungsfeiern von 1847 bis 1947

von: Kathleen Klotchkov

Frank & Timme, 2006

ISBN: 9783865960511 , 374 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 29,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Der lange Weg zum Fest - Die Geschichte der Moskauer Stadtgründungsfeiern von 1847 bis 1947


 

1. Methode – Mythos – Fest (S. 19-20)

1.1 Gedanken zur Methode

John Steinbeck, amerikanischer Schriftsteller und Journalist, reiste im August und September 1947 durch die Sowjetunion. Er erlebte dabei auch die 800-JF Moskaus, die vom 5. bis 7. September stattfand. Zu den Vorbereitungen schrieb er: „Moscow was in a state of feverish activity. Great gangs of men were covering the buildings with gigantic posters and portraits of national heroes, acres in extent. […] Every public building was floodlighted. In every public square dance stands had been put up, […] Delegations from many countries were arriving almost hourly. The busses and trains were loaded. The roads were full of people coming into the city“14. Steinbecks Beschreibung stellte das Fest als ein Fest von Menschen für Mensch dar. Die eine Gruppe bereitete das Fest vor, auch mit körperlicher Arbeit, wie das Aufhängen der Plakate demonstrierte. Die anderen reisten zum Fest an. Gleichzeitig wurden politische Repräsentationswünsche mit dem Fest verbunden, denn der Staat präsentierte sich und seine Helden über gigantische papierne Visualisierungen nicht nur der Moskauer und sowjetischen, sondern auch der internationalen Öffentlichkeit.

Auch in dem Eingangs zitierten Beispiel Gatčinas wird deutlich, dass Feste von Menschen für Menschen gemacht wurden, denn so fanden sich die beteiligten Akteure z.B. über Exklusion und Inklusion zu Gruppen zusammen, die sie sozial voneinander trennten bzw. zusammenschlossen. Das Volk feierte auf der Straße, der Adel und die Stadtelite in von diesem abgegrenzten Festräumen. Zum Festakt gesellten sich Zeichen und Symbole, Fahnen, Gastgeschenke und Reden, die von den beteiligten Akteuren selbst verwendet und ohne zusätzliche Erklärungen verstanden wurden. In beiden Beispielen, der Stadtgründungsfeier Gatčinas 1896 als auch in den Beobachtungen Steinbecks von 1947 wird eine Tatsache deutlich: Eine wissenschaftliche Arbeit über Feste zu schreiben ohne das Verständnis der Menschen, nämlich jener, die hinter und vor den Kulissen agierten, ist nicht möglich. Ebenso wenig kann dabei, auf eine Untersuchung der Formen von Repräsentation im Fest verzichtet werden.

Die Schwierigkeit, die sich nun im vorliegenden Forschungsvorhaben stellt, ist die der Methode. Drei Feste werden untersucht: das Stadtgründungsfest 1847, das Stadtgründungsfest 1897 und das Jubiläum 1947. Die beiden ersten Feste fielen in die Zeit des zaristischen Russland, wobei 1847 unter Nikolaus I. Russland den Ruf eines Polizeistaates hatte und fünfzig Jahre später unter Nikolaus II. Ideen von Nationalismus und Imperialismus die Staatspolitik bestimmten. 1947 war ein Fest im Spätstalinismus (1945-1953). Folglich muss eine Methode angewandt werden, die ungeachtet der unterschiedlichen Bedingungen die Feste, ihre Motivationen und Richtungen sowie die beteiligten Akteure zu begreifen versteht. Kurz: eine Vorgehensweise muss verwendet werden, die nach Bedeutungen sucht und gleichzeitig integriert, was Feste ausmacht: den Menschen und seine Formen der Repräsentation. Gemeint ist damit nicht ausschließlich der traditionelle Bereich der Repräsentation, der sich in der politikwissenschaftlichen Betrachtung von Herrschaftskonzepten konzeptionalisiert, sondern genauso die moderne Verwendung des Begriffes, der sich der Ikonografie und der Symbolforschung zuwendet15. Damit bewegt sich die Arbeit im Bereich der Kulturgeschichte, die sich Begriffen und nicht bestimmten Modellen und Theorien annimmt. Mit dem hermeneutischen Verfahren finden vor allem Schlüsselbegriffe Anwendung.