TCM mit westlichen Pflanzen - Phytotherapie - Akupunktur - Diätetik

von: Sieglinde Friedrich, Kurt Staudinger, Rita Traversier

Haug, 2012

ISBN: 9783830475941 , 560 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 81,99 EUR

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TCM mit westlichen Pflanzen - Phytotherapie - Akupunktur - Diätetik


 

2 Element Holz


2.1 Die Funktionskreise


2.1.1 Die Funktionen von Leber und Gallenblase


Leber
Gan (Zang-Organ)

Bereits im frühen Embryonalstadium, wenn die meisten Organe noch im Entstehen begriffen sind, beginnt die Leber (Gan) mit ihrer auf bauenden, bewegenden und speichernden Funktion. Wenig geformt und einem Schwamm im Wasser vergleichbar, zeigt die Leber Qualitäten des Yin. Zusammen mit Nieren, Milz-Pankreas, Herz, Lunge und Perikard gehört sie zu den sechs Zang-Organen, die für die Produktion, Umwandlung, Speicherung, Bewegung und Regulation der vitalen Substanzen wie Qi, Blut (Xue), Essenz (Jing) und Körperflüssigkeiten (Jin Ye) zuständig sind. Ihrer hohen Regenerationsfähigkeit verdankt die Leber, dass sie ihre wichtigen Aufgaben zeitlebens zuverlässig erfüllen kann.

Die wichtigste Aufgabe der Leber ist die Speicherung von Blut. Sie sorgt gleichzeitig dafür, dass das Blut abhängig von der physischen Aktivität dorthin im Körper gelangt, wo es gebraucht wird. Während des Schlafes kehrt das Blut in die Leber zurück; bei körperlicher Arbeit wird es dem Bewegungsapparat zur Verfügung gestellt, um Sehnen, Bänder und Muskeln zu nähren und zu befeuchten. Die Leber versorgt den Körper über das Blut mit nährenden, nützlichen Stoffen und transportiert schädliche, fremde Substanzen ab. Im Erkennen und Trennen der Substanzen liegt die eigentliche Entgiftungsleistung, die für den energetischen Zustand eines Organismus eine ganz zentrale Rolle einnimmt. Probleme bei der Entgiftung führen zu Energiemangel, zu Erschöpfung.

Eine weitere wichtige Funktion der Leber ist die Regulierung des freien Qi-Flusses. Das Blut steht in enger Verbindung zum Qi. Einerseits ist das Blut gemäß der Lehre der Traditionellen Chinesischen Medizin die „Mutter des Qi“, andererseits ist das Qi der „Befehlshaber des Blutes“. Das Blut der Leber stärkt unmittelbar das Lungen-Qi und das Abwehr-Qi (Wei Qi). So ist eine gesunde Leber eine wichtige Voraussetzung für ein funktionierendes Immunsystem.

Als Blutspeicher und Qi-Verteiler beeinflusst die Leber auch das Konzeptionsgefäß (Renmai) und das Durchdringungsgefäß (Chongmai) – beides Leitbahnen mit enger Beziehung zur Gebärmutter und großem Einfluss auf Menstruation, Fruchtbarkeit, Empfängnis und Menopause. Eine über längere Zeit gestaute Leber führt zu einer Stase des Leber-Blutes. Als Folge treten das Prämenstruelle Syndrom sowie schmerzhafte, dunkle und klumpige Regelblutungen auf. Ein Qi-Mangel, der zum Blutmangel führt, zieht eine Oligorrhöe oder Amenorrhöe nach sich. Bei einer Blut-Fülle oder -Hitze entsteht Metrorrhagie.

Ist das Leber-Qi gestaut, entwickelt sich Hitze. Schlafstörungen, Hypertonie, Kopfschmerzen, Tinnitus, Nasenbluten, Konjunktivitis, Gallenleiden, Verstopfung und viele andere Beschwerden können die Folge sein. Anzeichen für Leber-Wind sind dagegen alle unkontrollierten Bewegungen wie Zucken, Zittern, Tics, Muskelkrämpfe und Sehnenkontrakturen.

Außerdem manifestiert sich die Leber in den Finger- und Fußnägeln und nährt die Haut. Ist die Leber gesund, sind die Nägel elastisch, fest und glänzend, die Haut ist intakt und widerstandsfähig. Bei schlechter Qualität oder Mangel des Leber-Blutes werden die Nägel rissig oder brüchig und es entstehen Hauterkrankungen.

Die Leber steht in enger Beziehung zum Auge und zum Sehvermögen: Die Öffnung der Leber sind die Augen. „Wenn die Leber das Blut empfängt, können die Augen sehen.“ (Huangdi Neijing: Reine Fragen. 1979; Kap. 10) Bei Mangel kann es zu Mouches volantes, Farbenblindheit, trockenen Augen mit Fremdkörpergefühl, Kurzsichtigkeit und unscharfem Sehen kommen.

Auf psychischer Ebene ist die Leber Sitz der Wanderseele Hun. Westlich ausgedrückt kann Hun mit dem Unterbewusstsein oder mit der den Tod überlebenden Seele gleichgesetzt werden. Hun ist der Speicher sämtlicher Eindrücke, die wir bewusst oder unbewusst in unserem jetzigen oder auch in früheren Leben aufgenommen haben. Es prägt die Persönlichkeit eines Menschen und ist der individuelle Ausdruck seiner Kreativität, seiner Intuition und seines Willens. Dank Hun kann der Mensch träumen, kann er Pläne, Wünsche und Ziele entwickeln und auch nach ihrer Verwirklichung streben. Werden diese Sehnsüchte unterdrückt oder an der Entfaltung gehindert, kommt es zu einem Stau des Leber-Qi und der Mensch neigt neben den oben beschriebenen körperlichen Symptomen zu Unzufriedenheit, Ärger, Wut und Aggression. Gemäß der klassischen chinesischen Literatur ist der Wohnsitz von Hun das Leber-Blut. Wenn die Leber ins Ungleichgewicht gerät oder der Mensch an Blut-Leere leidet, wird Hun seiner sicheren Verankerung enthoben.

Eine gesunde Leber vermittelt Flexibilität, emotionale Harmonie, Elan und Entschlussfreude. Ist die Leber gestaut, wird der Mensch zunächst reizbar, zornig und cholerisch („gelbgallig“), später verschlossen, verstimmt und melancholisch („schwarzgallig“).

Gallenblase Dan (Fu-Organ)

Die Gallenblase (Dan) bildet mit der Leber ein funktionelles, energetisches Gespann und repräsentiert den Yang-Aspekt in der Wandlungsphase Holz. Zusammen mit Blase, Magen, Dünndarm, Dickdarm und Dreifachem Erwärmer gehört sie zu den sechs Fu-Organen, deren Aufgabe die Aufnahme, Weiterleitung und Absorption von Nahrung und Getränken sowie die Ausscheidung der „unreinen“Substanzen ist. Die Gallenblase speichert die Galle – eine gelbe, bittere Flüssigkeit, die in der Leber produziert wird. Zur Unterstützung des Verdauungsprozesses gibt sie bei Bedarf Gallenflüssigkeit an den Darm ab.

Während die Leber die Sehnen mit Blut nährt, bekommen sie von der Gallenblase ihr Qi.

Im psychischen Bereich verhilft die Gallenblase zur Entscheidungsfähigkeit. Sie macht Mut, verleiht Antrieb und stimuliert die persönliche Initiative zur Umsetzung der dank einer gesunden Leber geschmiedeten Lebenspläne. In der Mutter-Kind-Beziehung (Hervorbringungs-Sequenz) nährt das Element Holz das Element Feuer, steht die Gallenblase zum im Herzen verankerten Geist Shen: Sie verleiht Shen den Mut zur Verwirklichung von Entscheidungen. Ist Shen infolge einer Herz-Leere geschwächt, ist es deshalb notwendig, zur Unterstützung auch die Gallenblase zu tonisieren. Ein Qi-Mangel der Gallenblase führt zu Unentschlossenheit, Mutlosigkeit und Schüchternheit; ein Qi-Überschuss verleitet zu Ärger und vorschnellen Entscheidungen.

Tab. 2.1 Die wichtigsten Zuordnungen zum Funktionskreis Leber.

Bezugsfaktor Entsprechung
Jahreszeit Frühling
Himmelsrichtung Osten
Element Holz
komplementäres Organ Gallenblase
Tageszeit 23–3 Uhr
klimatischer Faktor Wind, Zugluft, Wetterschwankungen
Farbe blau-grün
Geschmack sauer
Emotion Zorn
spezifische Körperöffnung Augen
Schichten Sehnen und Muskeln
ausgeschiedene Flüssigkeit Tränen
stimmliche Manifestation Rufen
sichtbare Entfaltung Finger- und Fußnägel
korrespondierender Planet Jupiter

Die Leber ist der „Schmied der Lebenspläne“. Sie stimuliert Bewegung (Pläne, Wünsche, Ziele) oder hemmt sie, während ihr Partner, die Gallenblase, letztendlich entscheidet. „Das Element Holz steht für die gerichtete Bewegung der Existenz.“ (Hammer 2002, S. 202)

2.2 Organdisharmonien


2.2.1 Leber-Muster


Leber-Qi-Stagnation
Gan Qi Yu Jie

Inneres Fülle-Syndrom

Symptomatik
  • emotionale Probleme wie Gereiztheit, Ärger, psychische Labilität, Stimmungsschwankungen, Melancholie, Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, Depression, Antriebslosigkeit
  • schmerzhaftes Spannungsgefühl im Hypochondrium, Kloßgefühl in der Kehle, Engegefühl im Thorax, Schluckprobleme, Seufzen, Schluckauf
  • Verdauungsprobleme wie Blähungen, Appetitlosigkeit, Aufstoßen, Borborygmen, Übelkeit, Erbrechen, saurer Reflux, abdominelle Distension, Diarrhöe
  • prämenstruelles Syndrom (PMS), unregelmäßiger Zyklus, Dysmenorrhöe, Mastitis
  • Zunge: häufig normale Farbe oder blauviolett, dünner weißer Belag
  • Puls: saitenförmig, v. a. links
Westliche Krankheitsbilder

Verdauungsprobleme, Schmerzen im Hypochondrium, Obstipation, Colon irritabile, prämenstruelles Syndrom, Dysmenorrhöe, Knoten in der Brust, Laktationsstörungen, Mastitis,...