Die Herzensbrecherin - Roman

von: Susan Elizabeth Phillips

Blanvalet, 2013

ISBN: 9783641107543 , 608 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 7,99 EUR

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Die Herzensbrecherin - Roman


 

Prolog


1958 war die Braut drei schreckliche Tage lang das berühmteste Kind von Amerika.

Achtzehn Jahre später fühlte sich Susannah Faulconer wieder einmal wie jene Siebenjährige, die in panische Angst geraten war. Während sie an der Seite ihres Vaters über den weißen Teppich ging, den man schnurgerade, exakt in der Mitte des Faulconer-Gartens verlegt hatte, drohte ihr das kostbare Perlenhalsband, ein Familienerbstück, den Atem zu nehmen. Sie wusste, dass dieses Gefühl irrational war, denn das Halsband saß keineswegs zu eng, und sie hatte es oft genug getragen – zum ersten Mal mit achtzehn auf dem Debütantinnenball. Also gab es keinen Grund, warum sie ersticken sollte, und keine Erklärung für den fast überwältigenden Impuls, den Schmuck von ihrem Hals zu reißen und in die elegant gekleidete Gästeschar zu werfen.

Obwohl sie ein Rotschopf war, wurde sie nicht dafür gehalten, weil ihr Haar nicht im feurigen Rot einer schick gestylten Clairol-Reklame schimmerte, sondern in jenem edlen Kastanienrot, das Bilder aus einer vornehmeren Vergangenheit heraufbeschwor – von Fuchsjagden am frühen Morgen, klirrenden Teetassen und Damen, die Gainsborough porträtiert hatte. Unter einer Romeo-und-Julia-Kappe war Susannahs Haar straff aus dem Gesicht gekämmt und im Nacken zu einem schlichten Knoten geschlungen. Für eine Braut sah dieser Stil etwas zu streng aus, passte aber zu ihr. Statt einer pompösen Brautrobe hatte sie ein wadenlanges Kleid aus antiker Spitze gewählt. Der offene Mandarin-Kragen enthüllte einen schlanken aristokratischen Hals, von den fünfreihigen Perlen umgeben, die ihr solche Schwierigkeiten bereiteten. An ihrer Erscheinung kündete alles von Reichtum, guter Kinderstube und einer altmodischen Zurückhaltung, die bei einer modernen Fünfundzwanzigjährigen deplatziert erschien.

Hundert Jahre früher hätte man Susannah Faulconer als vollkommene Schönheit bezeichnet. Doch ihre fein gezeichneten Züge waren nicht so spektakulär, um mit den extravaganten Cover-Girl-Gesichtern der siebziger Jahre zu konkurrieren. Sie besaß eine dünne, lange, gerade Nase und schmale, aber schön geschwungene Lippen. Nur die hellgrauen, weit auseinander stehenden, exquisit geformten Augen wirkten modern. Und weil sie so unergründlich schimmerten, gewannen Susannahs Gesprächspartner manchmal den verwirrenden Eindruck, sie wäre mit ihren Gedanken ganz woanders und hätte sich an einen Ort zurückgezogen, den niemand außer ihr aufsuchen durfte.

Seit einer Stunde traf die kalifornische Oberschicht ein, die zur Hochzeit eingeladen war. Eine Limousine nach der anderen rollte die dreispurige Zufahrt herauf. Vor Falcon Hill, dem Familiensitz der Faulconers, hielten die Autos in einem halbmondförmigen Hof mit Kopfsteinpflaster. Das Gebäude erweckte den Eindruck, es würde schon jahrhundertelang zwischen den Hügeln südlich von San Francisco emporragen. In Wirklichkeit war es knapp zwanzig Jahre alt – von Susannahs Vater, Joel Faulconer, in der distinguierten Gemeinde Atherton errichtet, kurz nachdem er von ihrem Großvater die Leitung der Falconer Business Technologies übernommen hatte.

Trotz der Unterschiede im Alter und Geschlecht glichen sich die Gäste, die in den akkurat postierten Reihen der zierlichen, schmiedeeisernen weißen Stühle saßen. Alle sahen wohlhabend und konservativ aus, eindeutig Persönlichkeiten, die eher Befehle erteilten als befolgten – alle außer der schönen jungen Frau, die im Hintergrund Platz nahm. Von einem Meer aus Halston und Saint Laurent umgeben, fiel Paige Faulconer, die jüngere Schwester der Braut, in einem rötlich braunen Kleid aus einem Discountladen auf, dem Stil der dreißiger Jahre nachempfunden, mit einer exzentrischen rosa Marabu-Boa um die Schultern.

Als die Musik feierlich anschwoll, wandte Susannah den Kopf zur Seite und entdeckte das zynische Lächeln, das den Schmollmund ihrer Schwester umspielte. Doch die alten Konflikte mit Paige sollten ihr den Hochzeitstag nicht verderben.

Wenigstens hatte sich ihre Schwester dazu durchgerungen, an der Zeremonie teilzunehmen. Mehr durfte Susannah nach allem, was geschehen war, nicht erwarten. Jetzt irritierten sie die Perlen schon wieder. Sie zwang sich, Paige zu vergessen und den schönen Garten zu bewundern.

Dank der Marmorstatuen, in Vicenza gemeißelt, und der funkelnden Brunnen, die aus dem Park eines Loire-Schlosses stammten, verbreitete der Garten die Atmosphäre der Alten Welt. In zahlreichen steinernen Gefäßen, effektvoll zwischen Grünpflanzen platziert, wuchsen Rosenbüsche mit üppigen weißen Blüten. Gardenien schwammen in den Brunnenbecken. Von der sanften Junibrise bewegt, flatterten Girlanden aus weißen Bändern durch die Luft. Alles war perfekt – genauso, wie sie es arrangiert hatte.

Nun musterte sie den Bräutigam. Cal Theroux erwartete sie unter dem schneeweißen Baldachin, der sich über dem größten Brunnen wölbte. Wegen seiner gediegenen äußeren Erscheinung erinnerte er sie an die Männer in der Zeitschriftenwerbung für teuren Scotch. Zweiundvierzig Jahre alt, gehörte er zu den einflussreichsten Managern im Faulconer-Konzern. Trotz des Altersunterschieds von siebzehn Jahren galten Susannah und Cal als ideales Paar, und sie hatten tatsächlich viel gemeinsam. Beide waren im Luxus aufgewachsen – sie in San Francisco, er in Philadelphia –, hatten exklusive Privatschulen besucht und sich in den besten Gesellschaftskreisen bewegt. Natürlich war Cal nicht mit sieben Jahren gekidnappt worden. Aber dieses Schicksal hatten nur wenige Menschen erlitten.

Immer enger schienen sich die fünf Perlenreihen um Susannahs Hals zu schließen. Aus der Ferne klang das Geräusch eines Rasenmähers heran. Sie stellte sich vor, wie erbost ihr Vater reagieren würde, wenn er herausfand, dass der Gärtner des benachbarten Anwesens diese besondere Stunde an einem Samstagnachmittag ausgesucht hatte, um den Rasen zu mähen. Zweifellos würde er ihr vorwerfen, dass sie die Nachbarn nicht über den Zeitpunkt der Trauung informiert hatte.

Als sie den Altar erreichte, berührte Cal ihren Arm. »Wie zauberhaft du aussiehst ...«, flüsterte er, und ein Lächeln vertiefte die sonnengebräunten Fältchen in seinen Augenwinkeln.

Der Priester räusperte sich. »Nun, meine Lieben ...«

Sicher war es richtig, Cal zu heiraten. Das wusste Susannah, denn sie tat stets genau das Richtige. Er liebte sie, hatte sich als reif, rücksichtsvoll und charakterstark erwiesen, und er würde einen untadeligen Ehemann abgeben. Aber das Unbehagen, das sie schon seit einer ganzen Weile quälte, verflog nicht.

»Wer vertraut die Braut dem Bräutigam an?«

»Ich.« Väterlicher Stolz milderte Joel Faulconers harte, markante Züge, als er Susannahs Hand von seinem auf Cals Arm legte. Dann trat er zurück, und sie hörte, wie er sich in die zweite Stuhlreihe setzte.

Allmählich surrte der Rasenmäher immer lauter.

Die Brautjungfer übernahm den Brautstrauß, und Susannah griff sich diskret an die Kehle. Verstohlen schob sie ihren Zeigefinger unter das Bennett-Erbstück und zog es von ihrer Haut weg.

Davon bemerkte Cal nichts. Konzentriert hörte er dem Priester zu. »Ich, Calvin James Theroux, nehme dich, Susannah Bennett Faulconer ...«

Jetzt dröhnte der Rasenmäher so laut, dass es auch den anderen Anwesenden auffiel. Cals Nasenflügel bebten, als würde ihn ein unangenehmer Geruch stören. Reglos stand Susannah neben ihm und schaute geradeaus, von wachsender innerer Unrast erfüllt.

Und dann erkannte sie, dass der Lärm gar nicht von einem Rasenmäher verursacht wurde.

Sie holte tief Atem. Aus ihren Wangen wich alles Blut. Inzwischen sprach der Geistliche mit ihr. Doch sie achtete nicht mehr auf seine Worte. Der Krach näherte sich, brauste am Haus vorbei und steuerte den Garten an. Irritiert drehte sich Cal um, der Priester verstummte, und Susannah spürte, wie sie unter ihren Brüsten zu schwitzen begann.

Plötzlich geschah es – die festliche Idylle des Faulconer-Gartens wurde vom ohrenbetäubenden, vulgären Rattern einer großen, schwarzen Harley-Davidson mit Zwillingsmotor verscheucht, die ins Blickfeld raste.

Die Maschine überquerte den gepflegten Rasen. Beinahe streifte sie eine Andromeda-Statue. Der Schrei des Fahrers übertönte den Motorenlärm – ein wilder Urschrei.

»Suzie

Mühsam schluckte sie, wandte sich vom Altar ab und starrte den ungebetenen Gast an. In ihrem Hals pochte ein viel zu heftiger Puls.

Ihr Vater sprang auf und warf seinen Stuhl um. Fürsorglich umfasste Cal ihr Handgelenk. Das Motorrad stoppte abrupt am anderen Ende des Teppichs, über den sie vorhin gegangen war, und das Vorderrad beschmutzte den weißen Rand.

Nein, dachte sie, das geschieht nicht wirklich. Es ist ein Albtraum. Einfach nur ein weiterer Albtraum ...

»Suzie

Er trug eine schwarze Lederjacke und Blue Jeans, die seine Schenkel eng umspannten, während er rittlings auf der Harley-Davidson saß. Mit seinen durchdringenden dunklen Augen und den hohen, flachen Wangenknochen glich er einem Vollblut-Komantschen, obwohl nicht nur amerikanisches Blut in seinen Adern zu fließen schien. Vielleicht entstammte ein Elternteil dem Mittelmeerraum. Seine Haut war olivfarben, seine schmalen Lippen wirkten fast grausam. Von der San Francisco Bay wehte eine Brise herauf und strich das schulterlange Haar aus seinem Gesicht. Wie eine Fahne flatterte es hinter seinem Kopf.

»Was ist los, Suzie? Hast du vergessen, mir eine Einladung zu schicken?« Seine hypnotisierenden Augen schienen sie zu durchbohren.

Aufgeregt begannen die Gäste zu tuscheln – teils empört und verblüfft, teils in wohliger Sensationslust, weil sie eine so ungeheuerliche...