Arbeiten für wenig Geld - Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland

von: Gerhard Bosch, Claudia Weinkopf

Campus Verlag, 2007

ISBN: 9783593403830 , 319 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 38,99 EUR

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Arbeiten für wenig Geld - Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland


 

Unter Verwendung einer der gebräuchlichen Definitionen von 'Niedriglohnarbeit' arbeitet etwa ein Viertel aller Beschäftigten in den USA für einen Niedriglohn. Der entsprechende Anteil ist in anderen vergleichbar entwickelten kapitalistischen Ländern geringer, mitunter sogar deutlich geringer. Diese Tatsache ist nicht gut für das Selbstbildnis der Amerikaner. Sie ist sicherlich auch nicht gemeint mit 'crown(ing) thy good with brotherhood, from sea to shining sea.' Dieses Paradox, wenn dies der richtige Ausdruck ist, war der Ausgangspunkt für eine umfassende Studie, zu der dieses Buch einen wichtigen Beitrag leistet. Wie sehen die Vergleichszahlen aus, was bedeuten sie und warum haben sie sich so entwickelt? Eine Stiftung wie die Russell Sage Foundation, seit ihrer Gründung der 'Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen in den Vereinigten Staaten von Amerika' gewidmet, muss sich für Armut, ihre Ursachen, ihren Wandel, ihre Folgen und ihre mögliche Verringerung interessieren. Niedriglohnarbeit ist nicht gleichbedeutend mit Armut, noch weniger mit lebenslanger Armut. Manche Niedriglohnbeschäftigte leben in Familien mit mehreren Erwerbstätigen und teilen mit ihnen den gemeinsamen Lebensstandard, so dass sie nicht unbedingt arm sind. Andere Niedriglohnbeschäftigte sind auf einem sicheren Weg, der sie in absehbarer Zeit in besser bezahlte Beschäftigung bringen wird, so dass sie nicht lebenslang arm sein werden. Aber es gibt auch Beschäftigte, die über längere Zeit keinen Ausweg aus gering bezahlter Arbeit gefunden haben. Für sie bedeutet Niedriglohnarbeit Armut inmitten des Wohlstands. Selbstverständlich kann das Ausmaß von Armut durch Transferzahlungen außerhalb des Arbeitsmarktes verringert werden. Gleichwohl ist in einer Gesellschaft, in der Selbstvertrauen wichtig ist und in der Erwerbsarbeit Identität und Selbstwertgefühl sowie die Anerkennung der anderen verleiht, eine Umverteilung von Einkommen, die nicht oder unzureichend mit Arbeit verknüpft ist, nicht die beste Lösung, außer in besonderen Fällen. In solchen Gesellschaften wird andauernde Niedriglohnarbeit als besonderes soziales Problem empfunden. Sie muss allerdings erst verstanden werden, um geeignete Ansatzpunkte zu finden, ihr Ausmaß zu verringern oder ihre Folgen zu mildern. Eine offensichtliche Ursache für niedrige Löhne ist zu geringe Produktivität, die vorrangig in der Person begründet sein mag, wie häufig einfach unterstellt wird, sich aber ebenso aus der Art des Arbeitsplatzes ergeben kann. Wenn sie ein Charakteristikum des Arbeitsplatzes ist, kann man Fairness erreichen, indem jeder mal diese Arbeit ausübt, etwa so wie langweilige Gremientätigkeit oder den Wehrdienst, so dass es nicht zu kumulativen Effekten kommt. Worin auch immer die Ursache für niedrige Löhne liegt, eine Steigerung der Produktivität bietet einen doppelten Nutzen: Sie verringert das Ausmaß niedrig bezahlter Arbeit, die getan werden muss, und sie vermehrt die nützlichen Erträge der gesamten Wirtschaft. Geringe Produktivität, und deswegen auch Niedriglohnarbeit, tendiert dazu, sich von Generation zu Generation zu reproduzieren. Das ist ein zusätzlicher wichtiger Grund, warum ein hoher Anteil von Niedriglohnbeschäftigung ein 'sozialer Tatbestand' ist, der unbedingt verbessert werden muss. In einer Familie aufzuwachsen, in der dauerhaft niedrige Löhne verdient werden, begrenzt den Zugang zu guter Bildung, Gesundheitsversorgung und anderen Wegen zum sozialen Aufstieg. Deshalb ist ein dauerhaft hoher Niedriglohnanteil, der sich auf eine bestimmte soziale Gruppe konzentriert, mit dem weithin akzeptierten Ziel sozialer Gerechtigkeit nicht vereinbar. Dies sind einige der Gründe, warum die Russell Sage Foundation im Jahre 1994 ein großes Forschungsprogramm zum Wesen, den Ursachen und Folgen von Niedriglohnarbeit und den Perspektiven von gering bezahlten Beschäftigten eingeleitet hat. Diese Initiative trat an die Stelle eines erfolgreichen, aber eher konventionellen Programms zur Armut. Sie wurde ziemlich umfassend 'Future of Work' genannt, weil eines der wichtigsten Motive darin bestand, zu verstehen, wie sich gering qualifizierte Beschäftigte in einer Wirtschaft zurechtfinden, in der die meisten Arbeitsplätze technologisch anspruchsvoller werden und höhere Anforderungen an die kognitiven Fähigkeiten und fachlichen Kenntnisse stellen.