Theologie und Sprache - Erfahrungstheologie - Konventionelle Sprache. E-BOOK

von: Stylianos G. Papadopoulos

Vandenhoeck & Ruprecht Unipress, 2007

ISBN: 9783862340378 , 114 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 55,00 EUR

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Theologie und Sprache - Erfahrungstheologie - Konventionelle Sprache. E-BOOK


 

"Die Theologie ist möglich, sofern die Seele zu einem Spiegel der Wahrheit wird (S. 57-58)

Die kappadokischen Väter, besonders Gregor von Nyssa, erklären das Geschehen der Kommunion mit Gott, die auch Wahrheitserkenntnis von seiten des Menschen bedeutet, mit Hilfe des Bildes vom Spiegel und der göttlichen Schönheit97. Der Mensch ist »nach dem Bilde« Gottes geschaffen, der das Vorbild, die »ursprüngliche Schönheit« des Menschen im allgemeinen und der Seele im besonderen ist. Mit dem Begriff »Seele« bezeichnet Gregor von Nyssa das geistliche Sein des Menschen.

Durch den Fall der ersten Menschen wurde die Seele, das heißt das »Abbild«, verdunkelt und so verwundet, daß es nicht mehr funktioniert. Konkret gesagt, hatte die Seele vor dem Fall Gemeinschaft mit Gott. Solange sie gesund und rein war, erkannte sie Gott, weil sie das Sein Gottes in sich spiegelte, dessen Bild sie war. Die Seele war eine Art Spiegel, in dem Gott sich (nicht jedoch seine Natur) widerspiegelte. In der Erkenntnis Gottes, der Wahrheit, besaß der Mensch eine relative Glückseligkeit. Dieser Zustand wurde jedoch radikal auf den Kopf gestellt, als der Mensch sich einer widergöttlichen, unwahren Wirklichkeit zuwandte. Dadurch verdunkelte sich der Spiegel seiner Seele, und die Wahrheit spiegelte sich nicht mehr in ihm wider. Er erkannte Gott, die Wahrheit, nicht mehr.

Die Menschwerdung des Sohnes stellte eine Intervention Gottes auf dem widergöttlich-unwahren Weg des Menschen dar. Damit diese Intervention wirksam würde, nahm der Logos die menschliche Natur an und vergöttlichte sie. Er versetzte sie wieder in den Zustand der Reinheit der Seele, so daß sich Gott, die Wahrheit, wieder in der Seele spiegeln kann. Mehr noch: Der Mensch, der in der Eucharistie an der vergöttlichten menschlichen Natur Christi teilhat, erhält die Möglichkeit einer neuartigen Kommunion mit Gott, weil seinem geistlichen Streben jetzt die wirkliche, unteilbare, aber auch unvermischte Einheit der göttlichen Natur mit der menschlichen Natur in der Person Christi zugrundeliegt.

Die Einheit des Menschen mit Christus bedeutet, daß der Mensch nunmehr durch die Gnade des Heiligen Geistes und die Askese eine Seele erlangen kann, die so rein ist, daß sich in ihr die Wahrheit widerspiegelt, wie dies in der menschlichen Natur Christi der Fall ist, wo dieses Geschehen sich freilich in höchstem Grade vollzieht, weil bei Christus ein Prozeß anderer Ordnung vorliegt. Natürlich spiegelt sich im gereinigten und gesunden Spiegel der Seele nicht die göttliche Natur, sondern nur Eigenschaften des Daseins Gottes. Niemals kommt es zur Erkenntnis der göttlichen Natur an sich.

In der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts stellten Eunomius und seine Anhänger die Orthodoxen ironisch vor das Dilemma: Wenn ihr die Natur Gottes nicht kennt, kennt ihr Gott überhaupt nicht. Wenn ihr bekennt, nur die Unendlichkeit Gottes zu erkennen, bedeutet das, daß ihr einen Teil Gottes kennt und einen anderen nicht, denn Gott sei entweder ganz erkennbar (begreiflich) oder ganz unerkennbar (unbegreiflich)."