Carl Maria von Weber

von: Max Maria von Weber

Jazzybee Verlag, 2012

ISBN: 9783849602369 , 2200 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 6,99 EUR

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Carl Maria von Weber


 

Dritter Abschnitt. Uebersiedelung nach Freiberg 1800.


 

Um die Uebersiedelung des zur Zeit noch in München befindlichen Geräthes u.s.w. zu bewirken und Sennefelder's neueste Methoden, so viel möglich kennen zu lernen, kehrte Franz Anton im Mai 1800 mit Carl Maria nach München zurück, willens, dann das Geschäft mit größter Energie in Angriff zu nehmen.

Aber der Genius des Knaben, dem nur auf kurze Zeit durch äußere Einflüsse die Flügel gebunden worden waren, rüttelte mächtig an seinen Banden! Ein ganzes Jahr lang hatte er geduldig Steine geätzt und Pressen gezeichnet und gedreht, jetzt begann der gewaltsam von seinen Bahnen abgelenkte Geist sich seiner wahren Zwecke instinktiv wieder bewußt zu werden, die gravirten Noten begannen wieder zu klingen, durch das Girren des Grabstichels und das Knarren der Maschinen klang es gar verlockend draußen aus der schönen Welt der Kunst herein, die Erinnerung an das Mahnen der höheren Stimme aus dem brennenden Schranke war verblaßt, und als der Knabe den Händedruck seiner Meister Valesi und Kalcher in München wieder fühlte – hatte ihn auch die Kunst wieder! – Nach dreimonatlichem Aufenthalte in München wurde nun zwar die Uebersiedelung nach Freiberg bewirkt, und sogar die Errichtung einer Officin für lithographischen Notendruck in Freiberg durch den "Major" von Weber öffentlich angezeigt (Allg. Musikzeitung III., p. 69), aber in wie ganz andern Formen sollte sie geschehen. Die Reise wurde, vielleicht halb und halb nothgedrungen, zur Kunstreise, und Carl Maria spielte mit Beifall in Erfurt, Gotha und Leipzig zur Michaelismesse in Concerten. Im August hatten die Weber's in Freiberg die am 24. August dahin übergesiedelte Ritter Steinsberg'sche Theatertruppe wieder getroffen und der Direktor hatte wahrscheinlich, nothgedrängt, den jungen Musiker nun direkt aufgefordert, sein "Stummes Waldmädchen" für seine Gesellschaft zu componiren, da er, Steinsberg, etwas großsprecherisch, beim Antritte seiner Theaterunternehmung in Freiberg, das Publikum daselbst durch Erzählung von Original-Luft- und Trauerspielen, Balletten und Opern, die er vorführen wolle, nach Neuem und Außerordentlichem lüstern gemacht hatte. Der lange niedergehaltene spiritus familiaris des Weber'schen Blutes, die Bühnenleidenschaft, war dadurch in Carl Maria ohne Zweifel erwacht und hatte auch den alten Herrn, der bis dahin sauer auf das neue Kunsttreiben des Sohnes geblickt hatte, mit entzündet, die alte Lieblingsidee vom Musikwunderkinde erwachte, auch dem Knaben schien es noch Zeit zu sein, als jugendlicher Operncomponist die Welt in Staunen zu setzen, kurz; die Oper war, halb auf der Reise, halb in Freiberg geschrieben, im Oktober 1800 fertig. Carl Maria sagt selbst in seiner mehrerwähnten autobiographischen Skizze, daß er, verleitet von Wunderanekdoten von großen Meistern, den zweiten Akt des Werkes in zehn Tagen niedergeschrieben habe.

Es ist nicht gut erklärlich, warum diese Oper, deren Text vom Ritter Steinsberg geschrieben und die für dessen Gesellschaft componirt war, nicht auch zuerst von dieser gegeben worden ist.

Thatsächlich ist, daß die Oper in Chemnitz im Oktober 1800 von der Stenz'schen Schauspielergesellschaft zuerst gegeben worden ist; da sie auf dem Zettel als "Das Stumme Waldmädchen", "große, romantisch-komische Oper, in Musik gesetzt von C. M. von Weber, 13 Jahre alt, einem Zögling Haydn's" angekündigt war, so machte sie ein volles Haus, ohne daß irgend eine authentische Nachricht von Beifall, den sie erhalten habe berichtet, wohl aber ist in der Weglassung des Taufnamen "Haydn's" und der Herabdrückung des Alters des Componisten, der damals ganz nahe 14 Jahr alt war, auf dem Theaterzettel die redigirende Hand Franz Anton's wiederum nicht zu verkennen. Die Weber's befanden sich zur Zeit der Aufführung der Oper in Chemnitz, wohin sie wohl deshalb gereist waren. Damals schon knüpften sie Bekanntschaft mit zwei angesehenen Kaufleuten daselbst an, von denen der eine, Kunstmann mit Namen, Carl Maria's Freund bis an dessen Lebensende geblieben ist. Der andre, Dobritz, führte ein geselliges Haus, wo die Weber's, die mit dem Musikdirektor des Theaters, Nitzsche, dort viel musizirten (Carl Maria sang damals besonders gern), wohl aufgenommen waren.

In Freiberg herrschte, wie aus dem dort erschienenen öffentlichen Blatte hervorgeht, zu Ende des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts lebhaftes Interesse für die kleine Theaterwelt, die vom 19. Nov. bis 17. Dec. 1799 durch die Lucki'sche, vom 17. Januar bis 18. Mai 1800 die Karl Krüger'sche Truppe geschaffen wurde, obwohl beide kaum entfernt bescheidenen Ansprüchen gerecht werden konnten. Die Tendenz der letzteren Gesellschaft auf Vorführung von Werken, deren Dimension in jeder Beziehung über ihre Local-, Material- und dramatischen Kräfte hinausging, bereitete derselben im Mai 1800 ein jämmerliches Ende.

Die Freiberger, zu gebildet, um sich durch Vorstellungen des "Don Juan", des "Unterbrochenen Opferfestes", der "Zauberflöte", des "Hamlet" etc. die aus den Heroengestalten jener Werke drollige, kleine Krüppel machten, zu ergötzen, ließen das Theater immer mehr veröden und bald lichtete Contraktbruch, Desertion und Kündigung die hungernde Truppe so, daß ihre Wirksamkeit, in jeder Beziehung wie eine verlöschende Kerze, zu Ende ging.

Der Ritter Karl von Steinsberg, ein mit dem vielseitigsten Talente begabter, wohlhabender Mann, der zu jenen blinden und leidenschaftlichen Enthusiasten gehörte, deren die dramatische Kunst mehr als jede andere heranzieht, und die Geld, Gut und Stellung ihrer manieförmigen Neigung opfern, dirigirte bis zum August 1800 die k.k. privilegirte deutsche Schauspielergesellschaft in Carlsbad.

Der Ritter hatte dieselbe, mit unglaublichen Opfern, auf einen Standpunkt gebracht, der sie weit über das Niveau der herumziehenden Gesellschaften damaliger Zeit erhob. Sie bestand aus 30 gut bezahlten Mitgliedern, besaß geordnete wohlgehaltene Garderobe, anständige Decorationen und war bei weitem besser, als es solche Gesellschaften gewöhnlich sind, disciplinirt und polizirt.

Der Ritter von Steinsberg selbst war ein geistvoller Mann, nicht ohne schriftstellerisches Talent, sehr guter Schauspieler im Conversationsfach, das damals durch Iffland und Kotzebue Einfluß gewann, und viel Raum auf dem Repertoir aller Bühnen einnahm, auch vermöge Autorität und Beispiel ein guter Dirigent und Regisseur. Bei seiner Gesellschaft befanden sich zwei Frauen von Begabung, Düve, Mutter und Tochter, ebenfalls sehr brauchbar im Conversationsstück, ferner ein Hr. v. Harrer, jugendlicher Liebhaber an Gestalt und Leben, und endlich ein gutes Tänzerpaar Kees und Mad. Spania. Weniger gut war das große Schauspiel und die Oper vertreten, doch leistete man auch hierin, für den nicht verwöhnten Gaumen der Freiberger, immerhin sehr Genießbares. Steinsberg führte in Freiberg mehrere seiner eigenen Stücke auf, von denen vier "Die Rückkehr in's Vaterhaus", "Graf Helfenfeld", "die gute Laune" und "Liebe die Nebenmenschen" wohl gefielen. Seine Gesellschaft war fleißig, sie brachte in der Zeit vom 24. August bis 25. Novbr. 1800 55 Vorstellungen, von denen jedoch eine Anzahl in Oederan gegeben wurden, wo der Ritter, bei der Abnahme des Theaterbesuches in Freiberg gegen die Weihnachtszeit hin, einen Theil seiner Truppe spielen ließ. Der Stadtmusikus Siegert lieferte die Opernmusik.

Der Ritter Steinsberg that das Mögliche "das stumme Waldmädchen" gut in Scene zu setzen. Ob der jugendliche Componist die Proben leitete, ist nicht zu ermitteln gewesen. Gewiß ist, daß über das Werk, von dem Steinsberg und die Weber gleich viel hofften, in der Stadt sehr viel Aufhebens gemacht und die Erwartung darauf sehr hoch gespannt wurde, so daß sich schnell zwei Parteien im Publikum bildeten. Die Choragen der einen waren die alten Musiker, der Cantor Fischer und der Stadtmusikus Siegert, die auf den Streitrossen des contrapunktischen Wissens und des Herkommens gegen die Extravaganzen und die Fehler der Partitur und die Lehre des jungen Componisten zu Felde zogen, dessen Ruhm sein Papa zu laut posaunte, als daß es nicht übeltönende Echo's hätte wecken sollen. Die andere Partei bildete die akademische Jugend und die ganze fröhliche Gesellschaft zu Freiberg, deren Herz der kleine, witzige Lithograph und Musiker und sein sehr volltönend aber in gutmüthig süddeutschem Jargon sprechender, militärisch stramm aussehender alter Herr Papa im "goldnen Löwen" wo dieser wohnte und jene zechten, gewonnen hatte. Es ist während seines ganzen Lebens Carl Maria's Schicksal gewesen, die Jugend, das Volk, die Thatkraft für sich, die Aristokratie der Geburt und des Amtes, die Schulmeister der Kunst und die Blasirtheit des Lebens und Wissens gegen sich zu haben!

Alles verlief indeß gut bis zur Aufführung, die am 24. Novbr. stattfand und die, mit Absicht oder zufällig, zu einer jener mißglückten Darstellungen wurde, die, ohne daß ein großer Fehler vorkommt, tausend kleine Ungenauigkeiten und Lächerlichkeiten unheilbar verderben.

Schon der großsprechende, ungewohnte Ton der Ankündigung des Werks hatte das Publikum verstimmt, als es las:

"Das Waldmädchen". Romantisch-komische Oper in 2 Aufzügen vom Ritter von Steinsberg, in Musik gesetzt und ihrer kurfürstl. Durchlaucht Maria Amalie Auguste regierenden Kurfürstin von Sachsen in tiefster Ehrfurcht gewidmet, von Carl Maria Baron von Weber; 13 Jahr alt, einem...