Geschichte des Altertums, Band 4

von: Eduard Meyer

Jazzybee Verlag, 2012

ISBN: 9783849625191 , 662 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 2,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Geschichte des Altertums, Band 4


 

Die Stellung der Perser

 

Das Weltreich der Achämeniden war zugleich ein nationaler Staat. Auch wenn sie fern von der Heimat residierten und alle Völker Asiens ins Feld führten, haben die Großkönige doch nie vergessen können, wo die Wurzeln ihrer Kraft lagen. "Die Lanze des persischen Mannes ist weithin gedrungen", rühmt Darius in seiner Grabschrift; "der persische Mann hat fern von Persien Schlachten geschlagen", "er zittert vor keinem Feinde". In den Palastinschriften von Persepolis betet Darius für sein Land und sein Volk, voll Stolz rühmt er sich seiner Abstammung aus dem persischen Königsgeschlecht. – Erst durch Kyros sind alle persischen Stämme geeinigt worden; dadurch wird es sich erklären, daß Kyros vor der Besiegung des Astyages König von Anšan, nachher König von Persien genannt wird (Bd. III2 S. 182, 2. Den Kern, das eigentliche Persis, bildeten nach wie vor die Stämme, mit denen Kyros den Krieg gegen Astyages geführt hatte. In späterer Zeit und wahrscheinlich von Anfang an standen sie unter einem Statthalter, der an Stelle des abwesenden Königs die Verwaltung leitet. Aber Abgaben zahlten sie nicht; die Kosten der Reichsverwaltung und des Hofhalts wurden aus den Tributen der Untertanen bestritten. Die östlichen Stämme dagegen, die Sagartier, Karmanier, Utier, bilden einen besonderen Steuerbezirk, die Provinz Karmanien (s.o. S. 17, 1)24. Damit wird es zusammenhängen, daß hier bei den Utiern (Jautija) die Empörung des Vahjazdâta, des zweiten falschen Smerdis, ihren Hauptsitz hatte.

 

Für sein Volk ist der König das von Ahuramazda gesetzte Oberhaupt. Die Perser schwören, ihrem König treu zu Diensten zu sein25, der König gelobt, jeden Angriff auf ihr Land und seine Ordnungen abzuwehren. Nicht für sich und seine persönlichen Interessen betet der Perser zur Gottheit, sondern für das Wohl des ganzen Volks und des Königs26. Wer dem König bei einer Ausfahrt begegnet, bringt ihm das Beste, was er besitzt, die schönsten Erzeugnisse seines Gartens und seiner Felder27. Auch vor kurzem noch erwartete der Schah am Neujahrstage und sonst bei festlichen Anlässen oder außerordentlichen Ausgaben reiche Geschenke von seinen Magnaten. Dafür spendet der König seinem Volk aus seinen Schätzen mit freigebiger Hand. Meist hält sein Amt den Weltherrscher der Heimat fern; kehrt er in sie zurück, so erhalten alle Perser und Perserinnen Geschenke, vor allem die Frauen der Pasargaden, der Stammesgenossen des Herrscherhauses, jede ein Goldstück – die Legende erklärt das dadurch, daß die pasargadischen Frauen in dem letzten Entscheidungskampf gegen die Meder die schon weichenden Perser zum Stehen gebracht hätten28. Hier in seinem Heimatgau hat sich Kyros sein Grab gebaut und eine Stadt angelegt, die den Stammnamen trägt. In dem Heiligtum einer kriegerischen Göttin, die hier verehrt wird (Anaitis?), erhalten die Herrscher die Königsweihe29; sie bekleiden sich mit dem Gewande des Kyros und kosten von den Gerichten, die der alten einfachen Zeit als Nahrung dienten, einem Feigenbrei, Terebinthen und saurer Milch. – Im Mittelpunkt der hohlen Persis, am Pulvâr, hat Darius eine neue Hauptstadt für das gesamte Volk geschaffen. Auf hoher befestigter Terrasse am Fuß der Berge erbaute er einen Palast mit einem großen Säulensaal und einem Schatzhaus, dem Xerxes weitere Prachtbauten hinzugefügt hat, die freilich niemals vollendet worden sind – die Herrscher konnten eben die Metropole ihres Volkes nur äußerst selten aufsuchen und haben daher für die Vollendung der von ihnen befohlenen Bauten wenig Interesse gezeigt. Ihre Gräber dagegen haben sie alle in der Heimat angelegt. Oberhalb von Persepolis hoch in einer steilen Felswand liegt das Grab des Darius, teils daneben, teils unmittelbar über der Stadt die seiner Nachfolger. Es ist bezeichnend für den raschen Übergang aus den einfachen Zuständen eines Bauernvolkes, das nur Dörfer kannte, zu größeren kultivierten Verhältnissen, daß auch diese Stadt ihren Namen dem Volk entlehnt: als "dieses Persien" (anâ Pârsâ tja) bezeichnet sie Xerxes (Pers. a 3), "zu den Persern" (es Persas) sagen die Griechen, wenn sie von der Stadt sprechen. Später haben sie dafür den Namen Persepolis gebildet30. Auch andere Bauten der Könige werden erwähnt, so ein Schloß in Gabä im Berglande (Parätakene, = Isfahan), ein anderes in Taoke am Meer, in der Nähe von Bender Buschehr (Strabo XV 3, 3).

 

So unumschränkt der König über das Weltreich gebietet, seinen Persern gegenüber ist er durch Recht und Herkommen gebunden. Alle wichtigen Angelegenheiten berät er mit den Häuptern des Volks und den Heerführern gemeinsam; daraus ist die königliche Ratssitzung (s.u. S. 39) hervorgegangen. Unter den großen Familien stehen die Häuser der sechs Männer obenan, die mit Darius zusammen den Magier ermordet und die Herrschaft der Achämeniden wiederhergestellt haben. Ihnen hat Darius die höchsten Ehren gewährt; am Schlusse der Bisutuninschrift legt er ihr Wohlergehen seinen Nachfolgern ans Herz. Sie haben unangemeldet Zutritt zum König, nur aus ihren Häusern und aus dem Herrschergeschlecht soll der König seine Gemahlin nehmen (Herod. III 84); sie und ihre Nachkommen erhalten die wichtigsten und einträglichsten Statthalterschaften des Reichs. Sie alle sind mit reichen Landschenkungen in den Provinzen ausgestattet worden, so nachweisbar das Haus des Otanes, das auch sonst noch besondere Privilegien besaß (s.u. S. 56), in Kappadokien, das des Hydarnes in Armenien. Offenbar haben diese Magnaten in dem König mehr ihresgleichen als ihren Herrscher gesehen; die Sage erzählt, wie einer von ihnen, Intaphrenes (Vindafrâna), durch Anmaßung und jähzorniges Aufbrausen gegen Darius sich und seinem Hause den Untergang bereitet habe (vgl. u. S. 41, 1)31. – Die Rechtsprechung liegt in den Händen königlicher Richter, der "Rechtsträger" (dâtabara, das wäre griechisch tesmoporos), die vom König auf Lebenszeit ernannt werden und nur wegen Verbrechen oder Bestechung abgesetzt werden dürfen. Nicht selten vererbt sich ihr Amt auf ihre Söhne. Sie wachen über die Beobachtung der ererbten Satzungen und geben dem König in schwierigen Fällen Rechtsbelehrung32. Freilich steht daneben der Satz, daß der König tun darf, was er will; aber der echte König wird jede Willkür meiden und die Gebote Ahuramazdas und das Recht seines Volkes nie verletzen. Es sind Verhältnisse, wie sie sich später im makedonischen Reich und sonst überall entwickelt haben, wo ein Volkskönigtum zu einer größeren festbegründeten Monarchie erwachsen ist33.

 

Dem Könige zu dienen ist die Pflicht und der Stolz des Persers. Im Kriege folgt jeder waffenfähige Mann dem Ruf zu den Waffen: die Grundbesitzer und der Adel dienen zu Roß, der gemeine Mann zu Fuß. Im Frieden wird für die Besatzung der Provinzen und den Schutz des Königs und der Hauptstädte aus Persern und Medern ein stehendes Heer ausgehoben, dessen Kern die Gardereiterei und das Fußvolk der zehntausend "Unsterblichen" bildet, deren Zahl stets voll erhalten wird. Tausend von ihnen bilden die Leibwache des Königs und lagern im Palast; als Abzeichen tragen sie goldene Äpfel auf den Lanzenschäften. Ihr Kommandant, der Chiliarch, ist einer der höchsten Beamten des Reichs34. Im Frieden lebt der persische Bauer, der sich seinen Unterhalt selbst beschaffen muß, in der Heimat auf seinen Feldern und Gärten; von den Wohlhabenden und Vornehmen dagegen verlangt der König, daß sie so oft wie möglich an seinem Hof erscheinen und stets seiner Befehle gewärtig sind. Die jungen Perser aus den besseren Häusern wachsen nicht daheim auf dem väterlichen Gut auf, sondern "an den Toren des Königs" zusammen mit den Prinzen und dem Nachwuchs der Beamten und Hofleute. Mit dem fünften oder siebten Jahr beginnt die Erziehung im Bogenschießen und Speerwerfen und im Reiten; den heranwachsenden Knaben bietet die Jagd in den Parks des Königs und den Bergen der Heimat die beste Vorübung für den Krieg. Auch in den Staatsdienst werden sie eingeführt; sie hören den Richtersprüchen zu, sie sehen, wer vom König geehrt, wer bestraft wird, und lernen so von Kindheit auf zugleich befehlen und gehorchen. Daneben werden die Gebote der Religion eingeprägt, die Vorschrift, stets das Rechte zu tun und die Wahrheit zu reden35. Mit dem zwanzigsten Jahre tritt der Perser ins Heer und in die Ämterlaufbahn ein.

 

Die Weltherrschaft bringt den Persern reichen Gewinn. Freigebig spendet der König aus der Beute und aus den Schätzen, die sich in seinem Palaste sammeln, Ehrenketten und Spangen, Sklaven und goldgezäumte Rosse und gewaltige Summen Edelmetalls. Auch die Verleihung eines selbständigen Truppenkommandos, wohl vor allem als Leibwache, ist ein echt persisches Geschenk, das z.B. auch an Prinzessinnen gegeben wird36. Am einträglichsten aber ist die Verschenkung von Land und Leuten in den Provinzen zu Eigenbesitz. "Kyros hat vielen seiner Freunde in allen eroberten Gebieten37 Häuser (d.h. Güter) und Untertanen geschenkt", sagt Xenophon, "und noch jetzt gehören ihren Nachkommen die damals verliehenen Besitzungen" (vgl. u. S. 56). Die Masse der Perser bleibt in der Heimat – die Tradition erzählt, daß Kyros den Vorschlag, aus dem kleinen rauhen Heimatlande in reichere Gebiete hinabzuziehen, verworfen habe, weil die Steigerung des...