Ungewissheit und Eitelkeit aller Künste und Wissenschaften

von: Agrippa von Nettesheim

Jazzybee Verlag, 2012

ISBN: 9783849603755 , 342 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 0,99 EUR

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Ungewissheit und Eitelkeit aller Künste und Wissenschaften


 

Kapitel XXIV. De pictura oder Von der Malerkunst


 

Derohalben ist die Malerei eine recht wunderliche Kunst, welche bestehet in einer fleissigen Nachahmung der natürlichen Sachen, und Darstellung der Lineamenten mit allerhand Farben. Diese ist vor Zeiten in solchem Wert gewesen, dass ihr der erste Grad der freien Künste ist zugeteilet worden, und hat mit der Poesie gleiche Freiheit, wie der Poet Flaccus gesaget:

 

Pictoribus atque Poetis

Quaelibet audendi semper fuit aequa Potestas.

 

Das ist: Die Maler und Poeten haben allezeit gleiche Macht gehabt, sich etwas zu unterstehen. Daher wird auch die Malerei eine stillschweigende Erdichterkunst, die Erdichterkunst aber eine redende Malerei genennet, also sind sie miteinander verwandt. Denn gleich wie die Poeten also auch die Maler erdichten Historien und Fabeln, und exprimieren alleSachen durch Ähnlichkeit, Schatten und Licht. Überdieses hat die Malerkunst auch dieses aus der Optica, dass sie das Gesicht betrüget und dass sie in einem Bilde unterschiedene Entfernungen nach dem Standpunkt für Augen stellet, und was die Bildhauerkunst nicht verrichtet, dazu kann diese kommen.

 

Sie malet das Feuer, Strahlen, Licht, Donner, Hagel und Blitz, den Untergang, Morgenröte, Dämmerung, Nebel und repräsentiert der Menschen Gemütsbewegungen und Affekten, ja bald die Stimme selbsten und stellt mit ihren erdichteten Ausmessungen und Gleichförmigkeiten die Sachen, die da nicht sind als wären sie, und die da sind als wären sie nicht, uns für Augen; wie von dem Maler Zeuxi und Parrhasio die Historienschreiber erzählen, welche, als sie miteinander wegen des Vorzugs gestritten, und der erste so ähnliche Weintrauben, dass die Vögel davon zu fressen dazu geflogen, der andere aber einen Vorhang gemalt; als nun der, so die Vögel hierzu fliegend gemacht, begehrte, man sollte das Tuch wegnehmen, dass man das Gemälde sehen könnte, so ist dieser gezwungen worden, jenem den Vorzug zu lassen, weil er die Vögel, jener aber den Künstler selber betrogen hätte. Und Plinius erzählet, dass in des Claudii Gemache ein solch admirabel Bild gewesen, dass die Raben wären zugeflogen und betrogen worden. So hat man auch zur Zeit des berühmten Triumvirats erfahren, wie eben Plinius schreibt, dass man durch einen gemachten Drachen den Vögeln den Gesang hat verbieten können.

 

Überdieses hat die Malerkunst auch dieses an sich, dass mehr unter derselben verstanden als gesehen wird, wie solches der Plutarchus fleissig in seinen »Bildern« erforschet und gesaget hat: obgleich diese Kunst gross ist, so ist doch das Judicium darüber noch grösser.

 

Kapitel XXV. De statuaria et plastica oder Von der Bildhauereikunst


 

Der Malerkunst Gefährte ist die Bildhauerei, gegossen oder gehauen, eine Kunst eines ungestümen Nachsinnens, welche auch unter die Baukunst kann gezählet werden. Diese Kunst macht aus Holz, Stein und Elfenbein Götzen, und aus Erdenklössen gewisse Formen.

 

Aber alle diese Künste nebst der Malerei, welche zu nichts anderes als zur Pracht, Üppigkeit und Aberglauben dienen, sind eine rechte Erfindung von bösen Geistern; deren Meister sind gewesen, welche erstlich nach S. Pauli Worten die Ehre des unsterblichen Gottes verwandelt in ein Bild eines sterblichen Menschen, in Vögel oder vierfüssige Tiere und Schlangen, welche wider Gottes Gebot die geschnitzten Götzen und Bildnisse, sowohl derjenigen Sachen, welche auf Erden als im Himmel sind, zu setzen, als einen schändlichen Götzendienst eingeführet haben, von welchen der weise Salomon saget: Idolum ipsum maledictum est et qui fecit illud et quod factum est, tormenta patientur. Das ist: Des Fluches wert ist das, so mit Händen geschnitzet wird, sowohl als der, der es schnitzet. Denn Gott ist beiden gleich feind, und wird das Werk samt dem Meister gequälet werden. Denn der Menschen Eitelkeit, wie er saget, hat diese Kunst erfunden zur Versuchung der Menschen und zur Falle der Unweisen, und ihre Erfindung ist ein Verderben des Leidens. Nichts aber desto weniger sind wir Christen vor andern Heiden so närrisch, dass wir zum höchsten Verderb unserer Sitten und guten Lebens in allen Sälen, Häusern und Kammern solche zu setzen uns nicht schämen, damit ja durch dergleichen leichtfertige Bilder unsere Weiber und Töchter zur Wollust angereizet werden möchten; ja wir führen auch solche in unsern Kirchen, Kapellen und Altären mit grösster Ehrerbietung, nicht ohne Gefahr des Götzendienstes ein. Aber von dieser Materie wollen wir bei dem Kapitul von der Religion weitläuftiger reden und disputieren.

 

Dass aber in den Bildern und Statuen etwas Sonderliches stecke, welches nicht zu verachten, das habe ich in Italien gelernet. Denn als die Augustinermönche mit den Canonicis Regularibus vor dem römischen Papste selbst von des heiligen Augustini Kleidung heftig stritten, nämlich, ob er einen schwarzen Rock überm weissen Leibrock, oder einen weissen über den schwarzen hätte angezogen, und man aus den Schriften diese Sache zu schlichten nichts finden konnte, so ist es für gut befunden worden, diese Sache den Malern und Bildschnitzern zu übergeben, und was diese den alten Gemälden und Statuen nachsagen würden, dabei sollte es bleiben.

 

Durch dieses Exempel bin ich auch konfirmiert worden. Denn als ich einstmals mit sonderbarem Fleisse den Ursprung der Mönschskappen erforschen wollte, und in den Schriften nichts finden konnte, so begab ich mich endlich zu den Malern, und ging in der Mönche Kreuzgänge, da meistenteils das Alte und Neue Testament abgemalet ist, und dachte der Sache nach, und als ich im ganzen Alten Testament keinen Priester noch Propheten, noch den Eliam selbst, welchen die Karmelitaner zu ihrem Patron gemachet, der eine Mönchskappe hätte, sahe, so betrachtete ich das Neue Testament, da funde ich Zachariam, Simonem, Johannem den Täufer, Josephum, Christum, die Apostel und Discipul, die gelehrten Pharisäer und Hohenpriester, den Caipham, Hannam, den Herodem, Pilatum und viel andere mehr. Ich fand aber noch bei keinem eine Kutte oder Mönchskappe, da dachte ich den Sachen weiter nach und funde bei der abgemalten biblischen Historie den Teufel in einer solchen Kutte oder Mönchskappe abgemalet, nämlich diesen, der den Herrn Christum in der Wüste versuchet. Da entstunde bei mir eine sonderbare Freude, dass ich das, was ich in den Schriften nicht finden konnte, bei diesem Gemälde gefunden hätte; nämlich, dass der Teufel der erste Erfinder einer solchen Mönchskappe sei, von welchem hernach die andern Mönche und Brüder diese, nur mit andern Farben, entweder geborgt oder dieselben als ein Erbteil von ihm vermacht worden wäre.

 

Kapitel XXVI. De specularia oder Spiegelkunst


 

Aber nun kommen wir wieder auf die Optik, welche zu der Spiegelkunst nicht wenig hilft, indem sie die Wirkungen und Betrügereien anzeiget, welche aus vielen Arten der Spiegel entstehen, als da sind die hohlen, die runden, die platten, die hohen, die pyramidalischen, die spitzigen, die erhöheten, die eckigten, die umgekehrten, die durchsichtigen und dergleichen mehr. Also lesen wir bei dem Coelio, dass zu Zeiten des Augusti Hostius, sonsten ein unflätiger Mann, eine Art Spiegel gemacht, der ein Bild viel grösser repräsentiert hat, also, dass ein Finger die Grösse und Dicke eines Armes übertroffen; so ist auch ein Spiegel gewesen, da einer eines andern und nicht sein Bildnis gesehen hat, auch wieder ein anderer, der nichts präsentieret hat, wenn er nicht an einen gewissen Ort ist getragen worden; wiederum eine andere Art, die von einer Sache viel Bilder vorgestellet, noch eine andere, die wider des Spiegels Eigenschaft, was rechtisch gewest ist, auch rechtisch, und was linkisch gewesen ist, linkisch gewiesen hat. Es sind auch Brennspiegel hinten und vorn, und welche die Strahlen weit in die Luft werfen, und dergleichen noch viel andere, welche wir heutigen Tages, dass sie verfertig werden, zu sehen bekommen.

 

Es haben auch die Perspektivspiegel ihre Betrügereien, nämlich, dass sie eine kleine Sache gross und eine grosse klein, nahe und weit, über und unter sich zu unterschiedlichen malen, mit allerhand Farben, einem Regenbogen gleich, repräsentieren. Und ich verstehe mich darauf, Spiegel zu machen, in welchen bei hellem Sonnenschein alles dasjenige, was damit überstrahlet wird, über drei oder vier Meilen vollkommen kann gesehen werden; und dieses ist in den ebenen Spiegeln zu verwundern, dass sie eine Sache, wenn sie klein sind, wohl kleiner, aber wenn sie noch so gross sind, niemals grösser als sie selbsten ist, repräsentieren, welches der Augustinus bei sich betrachtet hat, indem er an den Nebridium geschrieben, dass hierunter etwas Sonderliches verborgen liegen müsste. Aber was es ist, es ist doch eitel und nichts nütze, auch nur zur Pracht und Belustigung erfunden. Von Spiegeln haben sowohl viel Griechen als Lateiner geschrieben, unter welchen allen Vitellius der beste ist.

 

Kapitel XXVII. De cosmimetria oder Von der Weltbeschreibung


 

Hierauf wollen wir nun von der Weltbeschreibung ein wenig reden, welche an sich selbst geteilet wird in Cosmographiam und Geographiam;...