Mehr als 'nur' Manga und Anime: Geschichte, Verlage, Künstler und Fernsehsender. Die Manga- und Animeszene stellt sich vor - Band II

von: Eva Mertens

Diplomica Verlag GmbH, 2012

ISBN: 9783842831001 , 201 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: frei

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Preis: 19,99 EUR

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Mehr als 'nur' Manga und Anime: Geschichte, Verlage, Künstler und Fernsehsender. Die Manga- und Animeszene stellt sich vor - Band II


 

Textprobe: Kapitel 2, Ursprünge, die Edozeit: Wie vorher bereits erwähnt sind Manga nicht erst in der Moderne entstanden, sondern haben eine Historie, die weit zurückreicht. Ihren Ursprung haben die Manga, darüber ist sich die Fachwelt weitestgehend einig, in der Edo-Zeit, die auf die Zeitspanne von 1603-1868 datiert wird. Edo-Zeit hieß sie deshalb, weil der damalige Kaiser beschlossen hatte die Hauptstadt in das kleine Dorf Edo zu verlegen, woraufhin es sehr bald zu einer großen Metropole anwuchs. Aufgrund eines Erlasses von 1635, der durch die legitimierte Militärregierung in Person des Shoguns umgesetzt wurde, musste jeder Landesfürst einen Hofstaat in Edo unterhalten. Dabei fallen Parallelen zum Hof des absolutistischen König Ludwig der XIV ins Auge. Auch er zwang seine Adligen sich in Versailles aufzuhalten und einen zumeist sehr teuren Hofstaat zu halten. In Versailles wie auch in Edo mussten die Menschen unterhalten werden. Dies brachte in der neuen kaiserlichen Hauptstadt Japans die unterschiedlichsten Gewerbe zum Erblühen. Der Männeranteil in Edo betrug laut Stephan Köhn etwa 80 %. Diese waren häufig sehr weit von zu Hause fort, ohne ihre Ehefrauen oder die Chance weiblicher Gesellschaft. Es war die Zeit der humoristischen und erotischen Bilder bzw. Zeichnungen. Jemand, der alte Bücher aus dem Mittelalter schon einmal gesehen hat, weiß, dass in vielen Ausgaben bzw. Abschriften kunstvoll ausgestaltete Buchstaben oder auch Zeichnungen enthalten waren. So ähnlich kann man es sich auch im Japan der Edozeit vorstellen. Wie im Europa des Mittelalters war es bis zum 17. Jahrhundert das Privileg der Klöster und Tempel Bücher zu drucken und erst mit Fall dieses Monopols im frühen 17. Jh. entwickelte sich der Buchdruck sehr schnell weiter. Vielleicht vergleichbar mit dem Buchdruck hierzulande, nachdem Gutenberg das Verfahren entwickelt hatte. Auf jeden Fall war es damals schon in Japan üblich, Texte von Bildern begleiten zu lassen. Teilweise hatten diese Bilder erläuternden Charakter, teilweise waren sie aber Kaufanreiz, also Werbung. Mit der Zeit entwickelte sich daraus ein eigener Berufsstand, der Illustrator. Er war von der Ausbildung her ein Künstler, ein Maler. Wurde anfangs noch mit der Hand gezeichnet, versuchten einzelne Künstler wie Hishikawa Moronobu (bis 1694) schon bald einseitige Drucke zu vermarkten. Dies war zu Beginn noch mit Problemen behaftet, da die Drucke schwarz-weiß waren und nachkoloriert werden mussten, um mit den handgezeichneten konkurrieren zu können. Obwohl schon zu Beginn des 18. Jh. der Mehrfachfarbdruck entstand, kam aber erst Mitte des gleichen Jahrhunderts der Durchbruch durch Suzuki Harunobu (bis1770). Er entwickelte den sogenannten Brokatdruck oder auch 'nishikie'. Mit dem Entstehen dieses Verfahrens entstand nicht nur ein neuer Berufszweig, die 'ukiyoe'-Künstler, sondern es entstanden um die jeweiligen Künstler Schulen. Dies ist auch in Europa später nicht anders gewesen. Man denke an Rembrandt oder Titian. Allerdings waren die Ukiyoe-Darstellungen aufgrund der großen Konkurrenz ein Konsum- und Wegwerfprodukt so wie im heutigen Japan die Manga. Sehr interessant sind hierbei die Parallelen zu Entwicklungen in Europa bei gleichzeitiger Unterschiedlichkeit. Betrachten wir einmal die Entwicklung von Schulen um Künstler, wie wir sie hier in Europa ja auch hatten. Der Unterschied liegt jedoch in der Massenproduktion. Auch ein Rembrandt musste möglichst viele Bilder erzeugen, aber er druckte sie nicht, sondern malte sie aufwendig von Hand und sie wurden in der Regel auch nicht weggeworfen, sondern an die Wand gehängt. Flugblätter und Druckerzeugnisse für die Einmalnutzung kamen hierzulande erst sehr viel später auf. Ebenfalls auffällig ist die Parallele zum heutigen Verhalten in Japan. In etlichen Artikeln und auch Büchern wird davon berichtet, dass man den normalen Manga nicht aufbewahrt, wie dies die deutschen Fans im Normalfall tun, sondern ihn nach dem Lesen wegwirft oder einfach in der Straßenbahn, im Bus oder der U-Bahn für den nächsten Interessenten liegen lässt. Unbestritten ist hierbei, dass der Manga damals, wie auch heute in Japan ein Wegwerfartikel ist, da er günstig zu haben war und ist. Einwände jedoch wurden erhoben gegen die Praxis 'des-in-den-öffentlichen-Verkehrsmitteln-liegen-lassen', denn dies sei ein Verhalten, dass nicht mit den gesellschaftlichen Normen in Japan konform ginge. Es ist demnach anzunehmen, dass ein Japaner zwar seinen erworbenen Manga nicht in ein Bücherregal stellt, sondern ihn in den meisten Fällen wegwirft, zumal die Manga in Japan auch nicht in einzelgebundener Form vertrieben werden, sondern in Sammelbänden. Eine weitere Parallele zu damals, sind die Inhalte, die nachwievor heute wie ehedem gerne aus dem Übersinnlichen und / oder Fantastischen kommen. Als eine Vorstufe des Manga gelten zum Beispiel die toba-e, die nach dem großen Schriftrollenzeichner, gleichen Namens bezeichnet wurden. Toba, der von 1053-1140 lebte, erstellte bereits Schriftrollen, die Geschichten, Legenden, Schlachten und Szenen (teilweise auch humoristisch) erzählten, indem er auf den sechs Meter langenSchriftrollen die Bilder so anordnete, dass dies möglich war. Sie bestanden größtenteils aus humoristischen Bildern, die nur von wenig Text begleitet wurden. Der erste, der diese Form als 'Manga' herausbrachte war Ooka Shumboku der im frühen 18. Jahrhundert in Osaka lebte. Im 18. Jh. erregte der Druck, die Geschichte, das Theaterstück die meiste Aufmerksamkeit, welche/r/s am fantasievollsten war. Dies ist vielleicht vergleichbar mit der heutigen Werbung. Wer die beste Idee hat, die witzigste Kampagne, die schrillsten Bilder oder Techniken verwendet fällt auf. Derjenige hat dann die Aussicht sein Produkt aus der Masse der Produkte herauszuheben und es bestmöglichst zu vermarkten. Etwas später begann man dann schon die Anordnung der Bilder komplexer zu gestalten und sogenannte Traumblasen einzufügen.