Weiterbildung Homöopathie - Band D: Chronische Krankheiten - Verlaufsbeobachtung und zweite Verschreibung

von: Gerhard Bleul

Sonntag, 2009

ISBN: 9783830492665 , 232 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 44,99 EUR

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Weiterbildung Homöopathie - Band D: Chronische Krankheiten - Verlaufsbeobachtung und zweite Verschreibung


 

3 Einführung in die Behandlung von Geistes- und Gemütskrankheiten (S. 20-21)

Ulrich Koch Lernziele I Die Besonderheiten der Behandlung von Geistes- und Gemütsstörungen kennen, I die historische Entwicklung in der homöopathischen Behandlung von psychischen Störungen kennen, I die Bedeutung von Geistes- und Gemütssymptomen in der homöopathischen Behandlung psychisch Kranker verstehen und das Vorgehen bei der Gewichtung der Symptome kennen, I ähnlich lautende Geistes- und Gemütssymptome des Repertoriums differenzieren können, I Behandlungsschwierigkeiten, Grenzen und begleitende Therapiemaßnahmen in ihrer Bedeutung einschätzen können, I die Homöopathie als tragfähige Möglichkeit in der Therapie psychischer Krankheiten kennen lernen.

3.1 Einleitung

Homöopathie als phänomenologisch orientiertes Behandlungsverfahren umfasst sämtliche Bereiche der Medizin, sodass unter selbstverständlicher Einbeziehung von körperlichen sowie Geistes- und Gemütssymptomen die Therapie psychischer Störungen keinen gesonderten Bereich darstellen kann. Gerade dadurch gelingt eine ganzheitliche Betrachtungsweise, die, den Leib- Seele-Dualismus überwindend, psychische Störungen als Erkrankungen des ganzen Organismus begreift und zu behandeln ermöglicht.

Aufgrund der Akzentuierung von Geistes- und Gemütssymptomen wird aber auch im individuellsten Ausdruck des Menschseins die Persona als Gegenstand eines tiefgreifenden, konstitutionellen Behandlungsansatzes sichtbar. Dennoch gibt es in der Behandlung psychischer Erkrankungen einige Aspekte, die ein gesondertes Kapitel darüber sinnvoll erscheinen lassen. Diese beginnen historisch mit Hahnemanns Darstellung in den Organon-Paragraphen 211 bis 230 und führen zu der Entwicklung und den wissenschaftlichen Erkenntnissen der modernen Psychiatrie des 21. Jahrhunderts.

3.2 Hahnemanns Anschauung der Gemütskrankheiten

Ende des 18. Jahrhunderts existierte die Psychiatrie als eigenständiges medizinisches Fachgebiet noch nicht und es gab keine im weitesten Sinne kurativen Behandlungsansätze. Das Schicksal von psychisch Kranken war dementsprechend unerfreulich, sofern sie nicht zu der wohlhabenden Bevölkerungsminderheit gehörten, die in Privatkliniken eine ärztliche Einzelbetreuung erhalten konnten. Die anderen gehörten bald, wenn sie nicht in ihren Familien aufgefangen werden konnten, zu den unteren sozialen Randgruppen oder wurden gar in Irrenhäusern und psychiatrischen Asylen weggeschlossen und teilweise sogar schlimmer als Verbrecher behandelt. Zeitgenössische Abbildungen zeigen angekettete Kranke in Eisenringen, Zwangs- und Drehstühlen, sie mussten nach heutigem Verständnis unfassbare Be handlungsmethoden wie lang andauernde Kaltwasserbäder, kopfüber Aufhängen und andere folterähnliche Behandlungen über sich ergehen lassen.

Erst mit der zunehmenden Verbreitung des Gedankenguts der Aufklärung und der damit verbundenenWandlung des Menschenbildes konnte sich die Grundidee einer menschenwürdigen Psychiatrie entwickeln. Aus dieser Perspektive kritisiert Hahnemann die Zustände in den damaligen psychiatrischen Anstalten in der Fußnote des § 228 des Organons scharf:

Man muß über die Hartherzigkeit und Unbesonnenheit der Aerzte in mehreren Krankenanstalten dieser Art erstaunen, ohne die wahre Heilart solcher Krankheiten auf dem einzig hülfreichen homöopathisch arzneilichen (antipsorischen) Wege zu suchen, begnügen sich diese Grausamen, jene bedauernswürdigsten aller Menschen durch die heftigsten Schläge und andre qualvolle Martern zu peinigen. Sie erniedrigen sich durch dieß gewissenlose und empörende Verfahren tief unter den Stand der Zuchtmeister in Strafanstalten, denn diese vollführen solche Züchtigungen nur nach Pflicht ihres Amtes und an Verbrechern, jene aber scheinen ihre Bosheit gegen die vorausgesetzte Unheilbarkeit der Geistes- und Gemüthskrankheiten, im demüthigenden Gefühle ihrer ärztlichen Nichtigkeit, durch Härte an den bedauernswürdigen, schuldlosen Leidenden selbst auszulassen, da sie zur Hülfe zu unwissend und zu träge zur Annahme eines zweckmäßigen Heilverfahrens sind.