Psychologie - Experten als Zeitzeugen

von: Günter Krampen

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2009

ISBN: 9783840922176 , 343 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 52,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Psychologie - Experten als Zeitzeugen


 

2 Einordnung des Bandes in die Modelle und Methoden der Fachhistoriographie (S. 10-11)

Ebenso wie in den allgemeinen Geschichtswissenschaften folgen auch die Fachhistoriographien unterschiedlichen historischen Rekonstruktionsmodellen (oder auch Mischformen verschiedener Modelle). Traditionell unterschieden werden

- das ideengeschichtliche Modell, das chronologisch angelegt ist und einem Entfaltungsmodell "von den frühesten nachweisbaren Anfängen bis zur Gegenwart", folgt (für die Fachhistoriographie der Psychologie siehe etwa Lück, 2002, Schönpflug, 2004). Seine Probleme und Gefahren bestehen darin, dass historische Zusammenhänge unscharf bleiben und alleine oder vor allem der "Zeitgeist", als Charakteristikum historischer Abfolgen dient und für diese verantwortlich gemacht wird (vgl. hierzu etwa Rheinberger, 2007),

- der Ansatz der Problemgeschichte vermeidet die Probleme des Ideengeschichtlichen, da konzeptuelle Entwicklungen in den Vordergrund gestellt werden (für die Psychologie vgl. etwa Pongratz, 1984). Die Problemgeschichte ist inhaltlich-logisch angelegt und rückt dabei vom Chronologischen ab, birgt durch das Vor-und-Zurück-Springen die Gefahr, dass Diskontinuitäten in der historischen Entwicklung übertont werden,

- der sogenannte great men approach, der selbstverständlich auch great women - also große historisch bedeutsame Menschen allgemein - und deren Biographie, Werk sowie historische Relevanz umfasst (für die Psychologie vgl. etwa Galliker, Klein & Rykart, 2007, Jüttemann, 1995, Kimble, Wertheimer & White, 1991, Volkmann-Raue & Lück, 2004, autobiographisch siehe etwa Pongratz, Traxel & Wehner, 1972, 1979, Wehner, 1992). Nach diesem personalistischen Ansatz werden allzu leicht die Beiträge einzelner Personen absolut gestellt und damit überhöht, ihr sozialhistorisches Umfeld sowie ihre Vorläufer vernachlässigt und historische Entwicklungen "zerhackt",, da von einem "großen Namen", zum nächsten gesprungen wird,

- das Modell der Sozialgeschichte, in dem die klassische Politikgeschichte auf die Sozial- und Kulturgeschichte der Menschheit ausgeweitet wird und in der Fachhistoriographie etwa die Geschichte der Fachinstitutionalisierung (etwa anhand von Curricula, Prüfungsordnungen, Berufsverbänden etc.) sowie politische, gesellschaftliche und institutionelle Bedingungen der (psychologischen) Forschungs- und Anwendungspraxis fokussiert (für die Psychologie vgl. etwa Ash & Geuter, 1985, Krampen, 1992).

Dieser wohl breiteste Ansatz der Historiographie steht in der Gefahr, dadurch zu verfransen, dass Einzelheiten fokussiert werden, durch die größere historische Zusammenhänge verdeckt werden, und damit unübersichtlich zu werden. Spiegelt man die Kapitel des vorliegenden Buches an diesen vier prototypischen Modellen der Fachhistoriographie, so ist festzustellen, dass die meisten einem Mischmodell aus Problem- und Ideengeschichte folgen.

Dabei steht zumeist der problemgeschichtliche Ansatz im Vordergrund und wird in einigen Kapiteln zudem durch sozialgeschichtliche und persönliche (mithin personalistische und auch autobiographische) Elemente ergänzt. ähnlich komplex ist die Verwendung fachhistoriographischer Methoden der Autoren des Bandes: Gewollt sind persönliche Darlegungen zur erlebten Geschichte des jeweils ausgewählten psychologischen Forschungs- und/oder Anwendungsthemas in den vergangenen 30 bis 40 Jahren aus der Sicht des persönlich involvierten Zeitzeugen - ähnlich zur Methode der sogenannten oral history, die hier allerdings nicht über Interviews mit Zeitzeugen (vgl. etwa Geuter, 1984, Lifton, 1986), sondern in Form schriftlicher Berichte gewonnen wurden.

Bei den Experten basiert dies selbstverständlich nicht nur auf den eigenen Beiträgen zur Forschungs- und/oder Anwendungsentwicklung im jeweiligen Bereich der Psychologie, sondern auch auf der kontinuierlichen Rezeption der Fachliteratur, also dem Quellenstudium als historiographischer Methode par excellence. Der Einsatz anderer historiographischer Zugänge (etwa über Archive und Museen, nicht reaktive Erhebungen oder Zeitreihenanalysen) ist unwahrscheinlich, jedoch als Hintergrund der Darlegungen nicht ausgeschlossen."