Erfolgreiches Stillen

von: Royal College of Midwives (RCM) (Ed.)

Hogrefe AG, 2004

ISBN: 9783456939810 , 171 Seiten

7. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 25,99 EUR

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Erfolgreiches Stillen


 

6 Erwiesenermaßen schädliche Faktoren (S. 97-98)

6.1 Zusätzliche Flüssigkeiten für gestillte Säuglinge

Ein ergänzendes oder zusätzliches Füttern mit Wasser, Glukose bzw. Dextrose oder Muttermilchersatzprodukten hat sich für gesunde, zum Termin geborene, gestillte Kinder weder in einer der im Folgenden dargestellten Studien noch in einer der randomisierten kontrollierten Studien in der Cochrane Library für Perinatalstudien als irgendwie vorteilhaft erwiesen. Hebammen sollten bedenken, dass ein Füttern mit der Flasche keine Lösung für Probleme beim Stillen darstellt, wohl aber eine kenntnisreiche, enthusiastische und mitfühlende Hilfe.

Dehydratation

Die Menge an Kolostrum bzw. Milch, die dem Neugeborenen zur Verfügung steht, steigt in den ersten drei Tagen nach der Geburt von 7 bis 122,5 ml/24 h (Saint et al., 1984) und einem Durchschnitt von 7,5 ml pro Stillmahlzeit in den ersten 24 Stunden nach der Geburt rasch auf 98 bis 775 ml/24 h und einen Durchschnitt von 38 ml pro Stillmahlzeit am dritten Tag nach der Geburt an (Houston et al., 1983) (s. Tab. 2-1, S. 50). Es gibt keine Belege, die dafür sprächen, dass ein gesundes, zum Termin geborenes Kind große Flüssigkeitsmengen früher benötigt, als sie physiologischerweise zur Verfügung gestellt werden (Williams, 1997). Bislang wurden mindestens sechs Studien durchgeführt, um die Empfehlung zu untersuchen, dass ältere voll gestillte Kinder bei Hitze zusätzlich Wasser benötigen. In den Studien wurde der Konzentrationsgrad des Urins der Kinder gemessen, und es fand sich, dass er durchaus im Normalbereich lag. So kam man zu dem Schluss, dass zusätzliches Wasser auch bei heißem Wetter nicht notwendig ist (Almroth, 1978; Almroth/Bidinger, 1990; Armelini/Gonzales, 1979; Ashraf et al., 1993; Goldberg/Adams, 1983; Sachdev et al., 1991).

Ikterus

Verschiedene ForscherInnen haben die anscheinend weit verbreitete Überzeugung untersucht, der zufolge zusätzliche Flüssigkeiten bei einem gestillten Kind einen physiologischen Ikterus verhindern oder auflösen. Nicoll et al. (1982) teilten 49 gestillte Kinder randomisiert in drei Gruppen ein: 1) nichts dazu, 2) Wasser und 3) Dextrose. Trotz der Beobachtung, dass die Kinder in der Dextrose-Gruppe Wasser-Gruppe, hatten die Kinder in der Gruppe ohne jeden Zusatz am sechsten Tag die niedrigsten durchschnittlichen Bilirubinspiegel.

Carvalho et al. (1981) verglichen zwei Gruppen gestillter Kinder, von denen die eine zusätzlich Wasser erhielt und die andere nicht, und Herrera (1984) verglich in ähnlicher Weise zwei Gruppen, von denen die eine Glukose erhielt und die andere nicht. Beide fanden keine Unterschiede zwischen den Gruppen, und zwar weder hinsichtlich der Anzahl der Kinder, die einen Ikterus entwickelten, noch hinsichtlich der Anzahl der Kinder, die eine Fototherapie benötigten, oder der durchschnittlichen Bilirubinkonzentration im Serum. Kuhr und Paneth (1982) dokumentierten die Gesamtmenge an Dextrose, die 77 nacheinander am Termin geborenen, gesunden, gestillten Kindern im Zeitraum von 72 Stunden verabreicht wurde, führten am vierten Tag eine Wiegeprobe durch und analysierten die Ergebnisse in Bezug auf diejenigen Kinder, welche ikterisch erschienen, und ließen deren Serum-Bilirubinspiegel bestimmen.

Sie stellten fest, dass Kinder, die in den ersten drei Lebenstagen zusätzlich große Mengen an Dextrose bekamen, am vierten Tag tendenziell nicht nur weniger Milch pro Stillmahlzeit aufnahmen, sondern auch eher einen Ikterus entwickelten als Kinder, die keine zusätzliche Dextrose erhielten. Keine/r der Forschenden fand eine Beziehung zwischen dem Ausmaß des Gewichtsverlustes und dem Entstehen eines physiologischen Ikterus (Carvalho et al., 1981, 1982; Herrera, 1984; Kuhr/ Paneth, 1982). Vor dem Hintergrund dieser Belege besteht der effektivste Weg, das Auftreten eines physiologischen Ikterus bei gestillten Kindern zu senken, anscheinend darin, dafür zu sorgen, dass weder hinsichtlich der Häufigkeit noch in Bezug auf die Dauer der Stillmahlzeiten irgendwelche Einschränkungen gemacht werden.

Hypoglykämie

Auf Bedenken, gesunde, am Termin geborene Kinder, die in den ersten 24 bis 48 Stunden nach der Geburt nur selten nach der Brust verlangen, könnten der Gefahr einer Hypoglykämie ausgesetzt sein, gehen britische Richtlinien ein, die auf einer durch die WHO unterstützten Literaturübersicht beruhen (National Childbirth Trust, 1997). Darin kommt man zu dem Schluss, dass es keine Belege dafür gibt, dass sich große Abstände zwischen den Stillmahlzeiten negativ auf ein gesundes, zum Termin geborenes Kind auswirken. Kinder benötigen weder ein Hypoglykämie-Screening noch zusätzliche Flüssigkeiten.