Aktuelle Rechtsfragen der Beratungspflichten von Versicherern und Vermittlern (§§ 6, 61 VVG) / Die praktischen Auswirkungen der Beratungspflichten des Vermittlers - Vorträge, gehalten auf dem 26. Münsterischen Versicherungstag am 22. November 2008

von: Christian Armbrüster, Frank Baumann, Heinrich Dörner, Dirk Ehlers

Verlag Versicherungswirtschaft, 2009

ISBN: 9783862981083 , 43 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 10,99 EUR

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Aktuelle Rechtsfragen der Beratungspflichten von Versicherern und Vermittlern (§§ 6, 61 VVG) / Die praktischen Auswirkungen der Beratungspflichten des Vermittlers - Vorträge, gehalten auf dem 26. Münsterischen Versicherungstag am 22. November 2008


 

Aktuelle Rechtsfragen der Beratungspflichten von Versicherern und Vermittlern (§§ 6, 61 VVG) (S. 1-2)

Prof. Dr. Christian Armbrüster, Freie Universität Berlin

I. Einleitung

Im Folgenden soll es um die Beratungspflichten von Versicherern und Vermittlern gehen. Dabei sind aktuelle Rechtsfragen zu beleuchten, die sich insbesondere seit der gesetzlichen Festschreibung dieser Pflichten stellen; anhand der Überlegungen werden zwölf Thesen entwickelt. Die Beratungspflichten sind durch die VVG-Reform stärker ins Blickfeld gerückt worden. Freilich handelt es sich nur hinsichtlich der Versicherer (§ 6 VVG) um eine durch jene Reform gebrachte Neuerung.

Die Beratungspflicht des Vermittlers war hingegen bereits mit der Umsetzung der Vermittlerrichtlinie ins Gesetz aufgenommen worden, und zwar in § 42c VVG a. F. Diese Vorschrift war freilich erst wenige Monate vor Verabschiedung der VVGReform, nämlich am 22. Mai 2007, in Kraft getreten und hatte zwischenzeitlich kaum Beachtung gefunden. Sie ist im Zuge der Reform ohne inhaltliche Änderung in § 61 VVG überführt worden. Zugleich hat der Gesetzgeber in weitgehend wörtlicher Übernahme der Formulierungen jener Vorschrift die Beratungspflicht des Versicherers nach § 6 VVG eingeführt. Letzteres spricht dafür, dass beide Tatbestände, jedenfalls soweit sie wörtlich im Wesentlichen übereinstimmen (§ 6 Abs. 1 und § 61 Abs. 1; § 6 Abs. 3 und § 61 Abs. 2, § 6 Abs. 5 und § 63 VVG), auch im selben Sinne auszulegen sind.

Die Vermittlerrichtlinie sieht nach zutreffender Sichtweise1 keine Beratungspflicht des Vermittlers vor, sondern ordnet in ihrem Art. 12 Abs. 3 S. 1 lediglich an, dass ein erteilter Rat zu dokumentieren ist. Wenn gegen dieses am Wortlaut des Richtlinientextes orientierte Verständnis bisweilen eingewandt wird, ohne Beratungspflicht mache die in der Richtlinie vorgesehene Dokumentationspflicht keinen Sinn,2 so ist dem zu widersprechen; vielmehr liegt es schon zur Vermeidung von Missverständnissen und zu Beweiszwecken im Interesse beider Vertragsparteien, dass ein erteilter Rat dokumentiert wird.

Der Richtliniengeber hätte ohne weiteres eine Beratungspflicht anordnen können, was er gerade nicht getan hat.3 Für Versicherer bestehen ohnehin keine Richtlinienvorgaben. Es handelt sich mithin bei den Beratungspflichten von Versicherer und Vermittler um eine nicht europarechtlich vorgegebene Materie. Dies führt zu der Frage, welche Regelungsziele der Gesetzgeber mit der Kodifizierung verfolgt hat. Hinsichtlich der Vermittler glaubte er sich offenbar europarechtlich gebunden.

Was die Versicherer angeht, so ist es ihm ausweislich der Gesetzesbegründung darum gegangen, „dass die Versicherungsnehmer ihre Entscheidung auf der Grundlage einer rationalen Auswahl aus den unterschiedlichen Versicherungsangeboten treffen können“5. Bemerkenswert ist an dieser Begründung, dass sich jenes Ziel auch mit einer Aufklärungspflicht hätte erreichen lassen. Beratung geht über Aufklärung hinaus. Sie umfasst nämlich nicht nur eine auf die Bedürfnisse des konkreten Versicherungsnehmers ausgerichtete Information, sondern darüber hinaus eine konkrete Handlungsempfehlung (= These 1). Bei einer Aufklärungspflicht handelt es sich hingegen lediglich um eine Unterrichtungspflicht, die zwar auf die konkreten Verhältnisse des Versicherungsnehmers bezogen ist und sich darin von einer abstrakten Information unterscheidet, bei der aber die Erteilung eines Rates fehlt.