Die Quotelung bei Obliegenheitsverletzungen nach § 28 VVG 2008

von: Michael C. Feifel, Manfred Wandt, Christian Laux

Verlag Versicherungswirtschaft, 2011

ISBN: 9783862980871 , 222 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 34,99 EUR

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Die Quotelung bei Obliegenheitsverletzungen nach § 28 VVG 2008


 

A. Die Vorschläge der Reformkommission (S. 41-42)

I. Die Analyse des Alles-oder-Nichts-Prinzips und der Vorschlag eines einheitlichen Sanktionensystems


Die Reformkommission äußert sowohl in ihrem Zwischen- als auch in ihrem Abschlußbericht die Auffassung, daß die im alten Recht festgelegten, unterschiedlichen Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit des Versicherers oft weder sachlich gerechtfertigt noch für den Versicherungsnehmer durchschaubar seien. Überdies basiere die Leistungsfreiheit auf dem Alles-oder-Nichts-Prinzip, so daß der Versicherungsnehmer entweder die volle vertragliche Versicherungsleistung erhalte oder der Versicherer insgesamt leistungsfrei werde.

Als Illustration dieser als prekär empfundenen Rechtslage dient dem Zwischenbericht die Abgrenzungsproblematik zwischen grober und einfacher Fahrlässigkeit im Rahmen des § 61 VVG a.F.; hier müsse sich die Rechtsprechung bei der Auslegung der Begriffe einfacher und grober Fahrlässigkeit verbiegen, um Einzelfallgerechtigkeit zu schaffen123; dies sei nicht wünschenswert.

Demgegenüber geht der Abschlußbericht der Reformkommission aus dem Jahre 2004 in seiner Argumentation über den Zwischenbericht hinaus. Zwar gesteht er zu, daß das Alles-oder-Nichts- Prinzip eine relativ einfach handhabbare Regelung sei, weil die Leistungsfreiheit nach Feststellung einer Vertragsverletzung und eines hinreichenden Verschuldens des Versicherungsnehmers ohne weiteres und insgesamt eintrete; das Prinzip erfordere aber eine exakte Feststellung des Verschuldens, weil die Grenze z. B. zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, zwischen bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit oder zwischen grober und einfacher Fahrlässigkeit über die Versicherungsleistung entscheide.

Besonders aber, so der Abschlußbericht weiter, befriedige die bisherige Regelung deswegen nicht, weil bei nur geringem Unterschied des Verschuldens – die Grenze zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit sei gerade überschritten – gegensätzliche Rechtsfolgen einträten – in dem einen Fall voller Versicherungsschutz und in dem anderen, fast identischen Fall völlige Leistungsfreiheit125. Dies sei allenfalls weiterhin vertretbar, wenn das Verschulden des Versicherungsnehmers rechnerisch feststellbar sei; in Wirklichkeit könne das Verschulden aber nur aufgrund einer Bewertung festgestellt werden, die nie frei von subjektiven Einschätzungen desjenigen sei, der sie vornehme.

Vor diesem Hintergrund spricht sich die Reformkommission dafür aus, nicht nur Korrekturen bei den einzelnen Vorschriften vorzunehmen, sondern das bisherige System zu ändern. An seine Stelle solle für sämtliche Verletzungen vertraglicher Verpflichtungen des Versicherungsnehmers ein einheitliches Regime von Rechtsfolgen treten126, das für alle Beteiligten verständlich sein und ihre Interessen angemessen berücksichtigen solle.

Dafür spricht aus Sicht der Reformkommission auch die „komplizierte Fassung”128 des § 6 VVG a.F., die zwischen Verletzungen vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls unterschied, was ihr Verständnis erschwere. Freilich räumt die Kommission ein, damit die schon gemäß § 6 VVG a.F. bestehenden Möglichkeiten der Sanktionierung einer Verletzung von vertraglich vereinbarten Obliegenheiten weiter einzuschränken; dieses hält sie aber für gerechtfertigt. Auf eine Definition des Begriffs der Obliegenheit wird verzichtet, um dessen Weiterentwicklung durch die Rechtsprechung nicht zu erschweren; im übrigen hätte eine Definition das Abgrenzungsproblem der sog. „verdeckten Obliegenheiten” nicht beseitigen können129. Zu Grundsätzen dieses neuen, einheitlichen Sanktionensystems bestimmen der Zwischen- und Abschlußbericht130 der Reformkommission folgende: