Über die »Gedanken und Erinnerungen« von Otto Fürst von Bismarck. - Mit einem Nachwort von Hans-Christof Kraus.

von: Gustav Schmoller

Duncker & Humblot GmbH, 2011

ISBN: 9783428535262 , 49 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,90 EUR

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Über die »Gedanken und Erinnerungen« von Otto Fürst von Bismarck. - Mit einem Nachwort von Hans-Christof Kraus.


 

(S. 27-28)

Ich glaube daher auch, daß die vollständige Aufdeckung dieser Konflikte und der jedesmaligen Versöhnung, welche hier zum erstenmal rückhaltlos geschieht, nicht nur nicht Schaden, sondern Segen stiften wird. Die volle Wahrheit gleicht auch hier dem Speere, der wohl Wunden schlagen kann, aber sie stets auch heilt. Nur wenn die Menschen endlich zu begreifen anfangen, wie unendlich schwierig das Regieren, das Zusammenfassen vieler zu einem Willen, ja nur das einheitliche Zusammenwirken zweier großer und edler Männer durch Jahre hindurch ist, werden sie beginnen, etwas verständiger über politische Fragen zu urteilen.

Und der letzte Eindruck der „Erinnerungen“ wird nach dem ersten tragischen doch am Ende der versöhnliche sein; gerade durch die Art, wie Bismarck sein Verhältnis zu Kaiser Wilhelm schildert. Nicht ohne Absicht sind die Kapitel über die beiden letzten Kaiser ans Ende gestellt. Nicht mit Worten des Grolls, wie er sie vorher reichlich nach den verschiedensten Seiten ausgeschüttet, scheidet der eiserne Kanzler von seinem Volke, sondern mit Worten der Liebe, der Pietät, der Dankbarkeit. Kaiser Wilhelm wird freilich in den ganzen zwei Bänden nur mit Verehrung behandelt.

Als er in Nikolsburg Bismarck vorgeworfen hatte, er lasse ihn vor dem Feinde im Stich und zwinge ihn zu schmachvollem Frieden, fügt Bismarck bei, er habe sich an dieser unverbindlichen Form der Zustimmung zu seinen Vorschlägen nicht gestoßen und beklagt es, daß er seinen geliebten Herrn so habe verstimmen müssen. Erst im vorletzten Kapitel schildert er im Zusammenhang die Persönlichkeit des Kaisers; ohne übertreibendes Lobwort, ja die Eigenheiten und Grenzen scharf bestimmend, aber die schönen ritterlichen und großen Züge in so rührender Weise, so hinreißend zeichnend, daß man sagen muß: so schön und so wahr ist entfernt kein anderes Porträt.

Bismarck erscheint nur als der Lehnsmann, der treue Diener des treuen Herrn, der sich jede Verstimmung, ja jede Ungerechtigkeit gern gefallen läßt, wie der Sohn es vom Vater hinnimmt. Er erzählt, wie der Kaiser offen sagt, er wisse, daß er von ihm geleitet werde, daß er ohne ihn sich in seinem Alter „blamieren“ würde, wie aber all das seiner königlichen Würde nie Eintrag getan, weil er sich seiner hohen Stellung und seines Wertes stets bewußt gewesen sei, daher er nie eine Spur von Eifersucht auf den Kanzler gezeigt habe. Und fast wie ein Jubel klingt es, wenn er zuletzt außer den vorher schon eingestreuten Dankesbriefen des Kaisers nun noch eine ganze Serie von solchen abdruckt, als wolle er sagen:

Seht, ihr Mäkler und Feinde, dieser e i n e, mein Herr, der mich kannte, er hat mich verstanden und gewürdigt! Auch was über Kaiser Friedrich gesagt wird, ist in ähnlichem Geiste gehalten. Ihr Verhältnis zueinander habe bis 1866 ab und zu geschwankt, später nie mehr. In den entscheidenden Konflikten mit Wilhelm I. war der Kronprinz stets auf Bismarcks Seite. Bei der Besprechung der Frage, ob Bismarck später bei ihm bleiben werde, hatte sich ein vollständiges Einverständnis ergeben auf Grundlage von dem Worte des Ministers: „Keine Parlamentsregierung und kein auswärtiger Einfluß in der Politik.“