Konsumentenverhalten und Warteschlangen-Management. Die psychologischen Einflussfaktoren in Warteschlangen besser verstehen und gezielt beeinflussen

von: Claudia Rauphold

Diplomica Verlag GmbH, 2009

ISBN: 9783836627122 , 120 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: frei

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Preis: 53,00 EUR

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Konsumentenverhalten und Warteschlangen-Management. Die psychologischen Einflussfaktoren in Warteschlangen besser verstehen und gezielt beeinflussen


 


"Kapitel 3.2, Einfluss des Zeitpunktes der Warteschlange im Service-Prozess:
Die Wartezeit vor dem Service dauert subjektiv länger, als die Wartezeit während der eigentlichen Serviceleistung. Ein Grund dafür ist, dass Kunden vor der Leistung ungeduldiger sind als währenddessen. Weiters ist das Angstniveau höher, wenn man darauf wartet bedient zu werden, als wenn man bereits bedient wird, auch wenn vielleicht letztere Wartezeit objektiv länger dauert. Konsumenten haben Angst vergessen zu werden und fühlen sich erst sicher, wenn sie an der Reihe sind. Außerdem ist die Geschwindigkeit des Vorankommens in der Warteschlange außerhalb der Kontrolle des Kunden und macht somit die Wartezeit häufig unerträglich.
In einem einstufigen Prozess ist es einfach, die Länge der Warteschlange festzustellen. „When what you see is what you get, the feedback mechanism in a system will be working perfectly“. Schwieriger wird es in einem mehrstufigen Prozess, bei dem die sichtbare Warteschlange oft nur einen kleinen Teil der gesamten Warteschlange repräsentiert. Ein Beispiel für einen solchen mehrstufigen Prozess ist der Arztbesuch. Die Anzahl der Patienten im Warteraum ist kein Anzeichen dafür, wie schnell man medizinische Betreuung erhält, da es noch weitere Warteräume geben könnte, in denen ebenfalls Patienten warten. Auch in einem Restaurant können mindestens drei verschiedene Warteabschnitte beobachtet werden: Erstens jene Personen, die darauf warten zu bestellen, zweitens Personen, die auf ihr Essen warten, und drittens jene, die auf ihre Rechnung warten.
Der Einfluss des Zeitpunktes der Warteschlange ist auch für Telefon-Warteschlangen von großer Bedeutung. Obwohl die Warteschlange für den Kunden nicht sichtbar ist, sollte man das Gefühl des Kunden, in eine Wartestellung versetzt zu werden, nicht unterschätzen. Kunden, die telefonische Reservierungen durchführen möchten oder Informationen telefonisch einholen, sind während der Zeit des unbeantworteten Telefonats ungeduldiger als bei Wartezeiten, die während des Telefonats entstehen können. Der Grund dafür ist, dass sich Kunden bei vorgelagerten Wartezeiten außerhalb des Leistungsablaufs fühlen, wohingegen sie sich während des Services innerhalb des Leistungsablaufs fühlen. Dies verstärkt die Erwartungen an eine ordnungsgemäße Abwicklung. Egal ob telefonischer oder persönlicher Kontakt, lange Wartezeiten, egal zu welchem Zeitpunkt im Leistungsablauf, sind für Kunden nicht akzeptabel.
Einfluss von Angst und Unbehaglichkeit:
Jeder kennt das Gefühl von Ärger, Frustration und Ungeduld, das normalerweise in Wartesituationen aufkommt. Dieses Phänomen kann durch physiologische Größen wie zB Herzfrequenz, Atmung, Blutdruck oder Transpiration gemessen werden. Die genannten Gefühle führen zu Angst oder Stress.
Die Angst vergessen zu werden, ist nur eine der möglichen Ängste, die man in Wartesituationen beobachten kann. Eine weitere Angstquelle ist die Wahl der richtigen Warteschlange. Nahezu jeder hat schon die Erfahrung gemacht, im Supermarkt zwischen mehreren Kassen wählen zu müssen. Man weiß im Vorhinein nicht, welche Warteschlange die schnellere sein wird, und dieses ungewisse Gefühl löst bei den meisten Konsumenten Angst vor der falschen Einscheidung und Unbehaglichkeit aus.
Angst kann auch durch bestimmte Arten von Leistungen, wie zB Arztbesuche, ausgelöst werden. Dienstleistungsunternehmen dürfen weder die Angst vor dem Service selbst, noch die Unbehaglichkeit der Konsumenten während der Wartezeit unterschätzen. Es ist nicht möglich diese negativen Gefühle vollkommen zu beseitigen, aber es können Maßnahmen getroffen werden, um mit Angst verbundene Wartezeiten angenehmer zu gestalten.
Jones/Peppiatt fanden heraus, dass Stammkunden oder häufige Nutzer weniger von Angst und Unbehaglichkeit betroffen sind, als gelegentliche Käufer oder Erstkäufer. Stammkunden sind sicherer, weil sie bereits den Ablauf und mögliche Gründe für längere Wartezeiten kennen.
Einfluss von bestimmten, zeitlich limitierten und unbestimmten Wartezeiten:
Die tiefgründigste Angst im Zusammenhang mit Wartesituationen ist die Angst vor der Dauer des Wartens. Wenn ein Patient im Wartezimmer erfährt, dass sich der Arzt eine halbe Stunde verspäten wird, ist er zunächst verärgert, wird jedoch die unvermeidbare Wartezeit akzeptieren. Erzählt man dem selben Patienten in der gleichen Situation, dass der Arzt bald für ihn Zeit hat, wird er die gesamte Wartezeit in einem nervösen und angespannten Zustand verbringen. Dies führt zu verstimmten Kunden, die aufgrund der Unehrlichkeit und der unbestimmten Wartezeit in eine unangenehme Situation gebracht werden. Dieses Phänomen kann man auch bei Verabredungen feststellen: Wenn jemand zu früh zu einem Termin kommt, wird die Wartezeit bis zum Beginn des Termins akzeptiert, weil diese Zeit begrenzt ist. Die Wartezeit nach diesem Zeitpunkt hat kein Limit mehr und dauert dadurch subjektiv länger.
Kunden, die über die Dauer der Wartezeit bescheid wissen, empfinden die Wartezeit angenehmer und entspannter und überschätzen sie in geringerem Ausmaß. Zeitlich limitierte Wartezeiten erscheinen zwar deutlich kürzer als unbestimmte Wartezeiten, haben aber nach der Studie von Katz et al. keinen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit. Weiters stellten Katz et. al in ihrer Untersuchung fest, dass sich eine Information über die Wartezeit auch auf die Form der Warteschlange selbst auswirkt. Die Wartenden standen nicht wie üblich hintereinander, sondern Schulter an Schulter und empfanden die Warteschlange dadurch weniger bedrängend.
Unternehmen sollen auch vor übermäßigen Versprechungen bezüglich der Dauer der Wartezeit gewarnt werden. Wenn sich ein Geschäft im Bereich des schnellen Services positioniert und Versprechungen bezüglich der raschen Abwicklung abgibt, wie zB Fast-Food-Restaurants, einstündige Filmentwicklungen oder Supermärkte mit Öffnung einer neuen Kasse ab dem 6. wartenden Kunden, werden die Erwartungen der Kunden an die Geschwindigkeit des Services erhöht. Überzogene Wartezeiten in solchen Situationen erscheinen dem Kunden subjektiv länger, weil seine Erwartungen aufgrund der Versprechungen des Unternehmens nicht erfüllt werden."