Betreuung von Demenzkranken in der stationären Altenpflege. Eine Utopie?

von: Michael Skawran

Diplomica Verlag GmbH, 2009

ISBN: 9783836625647 , 102 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: frei

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Preis: 33,00 EUR

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Betreuung von Demenzkranken in der stationären Altenpflege. Eine Utopie?


 


"Kapitel 8, Die nicht medikamentöse Behandlung der Alzheimer- Krankheit:
Weyerer führte aus, dass es heute genügend nichtmedikamentöse Behandlungsformen und neue Arzneimittel gibt, die das Fortschreiten kognitiver Störungen verzögern. Es ist jedoch nicht möglich den degenerativen Prozess aufzuhalten.
Neben Medikamenten gibt es viele Interventionsstrategien bei Demenz, die das Wohlbefinden und die Lebensqualität verbessern.
Psychologische Interventionen:
Vor allem bei einer beginnenden Demenz sind kognitive, verhaltensnahe und realitätsbewältigende Interventionen möglich. Darunter gehört das von Plattner und Erhard entwickelte verhaltenstherapeutische Kompetenztraining (VKT). Andere Therapieformen wären, die Selbsterhaltungstherapie (SET) nach Romero und Eder, die biographieorientierte Erinnerungstherapie oder verschiedene Musik-, Tanz- und Maltherapien zur Anwendung im fortgeschrittenen Stadium.
Validation dient dazu, um mit Demenzkranken Menschen zu kommunizieren. Insbesondere die integrative Validation und z. B. die basale Stimmulation wurden als Therapieansätze zur Behandlung von Demenz im fortgeschrittenem Stadium entwickelt. Bei der Validation handelt es sich um eine weitverbreitete Interaktionsform zwischen Pflegenden und dementen Menschen. Obwohl die Wirksamkeit der genannten Methoden nicht ausreichend belegt sind, gelten sie in der Praxis als hilfreich und für die Betroffenen zugänglich.
Ökologische und soziale Interventionen:
Demenzkranke sind auf eine materielle Umwelt angewiesen, die sich dem Krankheitsverlauf anpasst. Eine optimale Umgebung für demente Menschen sollte nach Lawton et al folgende Funktionen erfüllen:
- übersichtlich sein sowie Sicherheit und Geborgenheit ausstrahlen.
- Kompetenzerhaltung unterstützen und maximale Bewegungsfreiheit gewährleisten sowie stimulierend wirken. Dies wird unter anderem erreicht durch eine Abgrenzung der Tages- und Therapieräume von den Fluren durch Glaswände bzw. breite Türen oder über angenehme Düfte, anregende ‘Geräuschskulisse’ und unterschiedliche Beschaffenheit der Tastflächen.
- Kontinuität und Bezug zum bisherigen Lebenszusammenhang herstellen z. B. durch eigene Möbel eine häusliche Atmosphäre schaffen.
- Physikalische Umweltfaktoren den Kranken anpassen z. B. durch diffuses schattenfreies Licht von mindestens 500 Lux in Augenhöhe und möglichst gleichmäßige Lichtstärke in allen Räumen, zeitweise ausgesuchte Hintergrundmusik, jedoch keine schwer lokalisierbare Geräusche.
- Unterstützung der Orientierung, das heißt Armaturen und Spiegel sollen dort angebracht werden, wo man sie erwartet.
- Erfahrungen und Kontakt mit Tieren zu lassen.
- Rückzugsgebiete mit gesonderten Ruheräumen bieten.
Vor dem Hintergrund der wachsenden Probleme in der stationären Versorgung dementer Personen, wurden neue Betreuungsansätze unter Berücksichtigung der Empfehlungen von Lawton eingeführt.
Bei der Umsetzung neuer Konzepte zur Versorgung demenzkranker Bewohner bezog sich Weyerer auf ein von 1991 bis 1994 entwickeltes Modellprojekt in Hamburg
Laut Gutzmann ist eine stabile und verlässliche Umwelt für Demenzkranke Personen unerlässlich. Eine nicht medikamentöse Therapie kann einen leistungs- oder stimmungsmäßigen Fortschritt bedeuten, wenn sie aus der Unterforderung in den Bereich positiv erlebter Leistungsfähigkeit führt. Auf der anderen Seite kann sie sich negativ auswirken, wenn die dementen Personen überfordert werden. Respekt gegenüber Demenzkranken und die Berücksichtigung begrenzter Bewältigungsmöglichkeiten sind für die nicht medikamentöse Therapie sehr wichtig.
Im nächsten Abschnitt werden Vorschläge aufgezeigt, die es laut Gutzmann zu den nicht medikamentösen Therapieformen gibt:
- Verhaltenstherapien: Verhaltenstherapeutische Techniken gelten als die erprobtesten Verfahren. Es werden vor allem positive Anreize (Belohnungen) gesetzt. Sie ermöglicht eine Verhaltensänderung ohne die aktive Mitarbeit des Demenzkranken. Mit Hilfe der Verhaltenstherapie werden störende Sozialverhalten abgebaut, eine größere Selbstständigkeit erreicht und verloren gegangene Kompetenzen (z. B. essen oder sich waschen) wieder gewonnen.
- Kognitives Training: Spielen und gleichzeitiges lernen ist in keiner Gruppe mehr wegzudenken. Je mehr die körperlichen Bewegungen mit einbezogen und geübt werden, desto eher ist ein Erfolg zu erwarten. Wenn aber nur das trainiert wird, was beeinträchtigt ist (z. B. das verbale Gedächtnis), dann droht Überforderung. Gegen einen demetiellen Prozess anzukämpfen ist somit wenig erfolgversprechend. Je ausgeprägter die Demenz, desto weniger ist ein kognitives Training sinnvoll
Realitätsorientierung (ROT): Sie ist vor allem für Demenzpatienten mit fortgeschrittenem Stadium geeignet. Zwei Modelle werden eingesetzt. Beim ersten Modell werden Personen, Zeit und Ort wie in der Schule ständig wiederholt. Dieses Modell hatte sich jedoch als nicht nützlich festgestellt. Das zweite Modell bietet den PatientInnen ‘Realitätsanker’, in Form der direkten Ansprach oder als optische und akustische Orientierungshilfe. In der stationären Altenhilfe können eine Vielzahl realitätsorientierter Interventionsmöglichkeiten angewendet werden.
Erinnerungstherapie: Bei der Erinnerungstherapie geht es darum, die Lebenszufriedenheit von dementen Menschen anhand von positiven Erinnerungen aufzufrischen. Alte Photographien und Musikstücke aus bestimmten Lebensbereichen, dienen hierbei als ‘Erinnerungsanker’.
Selbst-Erhaltungs-Therapie (SET): Die SET bezieht sich direkter auf die Alzheimer-Krankheit als die bisher genannten Therapieformen. Sie ist eine Art Trainingsverfahren, dass das längere Erhaltenbleiben der Persönlichkeit anstrebt, die durch vier Prozesse gefährdet sind: Verletzung der personalen Kontinuität, Erlebnisarmut, Veränderungen der Persönlichkeit und des Gefühlslebens sowie des Selbstwissensverlustes. Die Therapie knüpft gezielt an weniger beeinträchtigte Kompetenzen an und ermöglicht somit Erfolge.
Kunsttherapie: Die Kunst- und Musiktherapie richtet sich vor allem auf die Emotionalität und Kreativität Demenzkranker. Hiermit sollen sie Gelegenheit erhalten, mit der künstlicheren Gestaltung als Medium Gefühle zu erleben. Bis ins fortgeschrittene Demenzstadium lassen sich somit mit Hilfe von Musik und Bildern den kreativen Zugang zu den Betroffenen offen halten.
Validation: Bei der Validation handelt es sich mehr um ein Bündel von Umgangsprinzipien und nicht um ein eigentliches Therapieverfahren. Es geht darum, dem Kranken durch Validieren (das heißt für gültig Erklären) seiner Äußerungen oder Verhaltensweisen, durch Respektierung seiner Individualität und Entschlüsselung seiner Verhaltensauffälligkeiten mit Hilfe des biographischen Wissens zu helfen. Eine wissenschaftliche Überprüfung fand noch nicht statt.
Milieutherapie: Sie umfasst die gesamte Veränderung des Wohn- und Lebensbereiches. Es werden vermehrt nichtgenutzte Fähigkeiten angeregt. Die demente Person kann sich durch eine Anpassung der Umgebung an die Störungen von Gedächtnis und Orientierung in der Umgebung besser zu Recht finden. Dies würde ein höherer Grad an Autonomie bedeuten."