Aktien für alle - Neuauflage - So verdienen Privatanleger an der Börse

von: Peter Lynch, John Rothchild

Börsenbuchverlag, 2019

ISBN: 9783864706356 , 416 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 15,99 EUR

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Aktien für alle - Neuauflage - So verdienen Privatanleger an der Börse


 

Vorwort


Am 31. Mai 1990 schaltete ich meinen Quotron beim Fidelity Magellan Fund ab. Exakt 13 Jahre nachdem ich angefangen hatte, dort zu arbeiten. Damals war gerade Jimmy Carter Präsident gewesen, und er gab offen zu, dass er von einer Sucht befallen war. Auch ich lebte mit einer Sucht – der Sucht nach Aktien. Insgesamt habe ich schätzungsweise mehr als 15.000 verschiedene Aktien für Investoren des Magellan-Fonds gekauft – und viele davon mehr als nur einmal. Es ist kein Wunder, dass man von mir sagt, ich sei niemals auf eine Aktie gestoßen, die ich nicht positiv bewertete. Mein Abschied war plötzlich, aber er war mir nicht über Nacht in den Sinn gekommen. In den Mittachtzigern, als der Dow an der 2.000er-Marke und ich an meinem 43. Geburtstag angekommen war, hatte die Aufgabe, derart vielen Firmen auf der Spur zu bleiben, ihren Tribut gefordert. So sehr ich es auch genoss, ein Portfolio zu managen, das dem Bruttosozialprodukt von Ecuador entsprach, so sehr vermisste ich es, zu Hause zu sein und mitzuerleben, wie meine Kinder größer wurden. Sie veränderten sich schnell. Sie mussten sich beinahe jedes Wochenende neu bei mir vorstellen. Ich verbrachte mehr Zeit mit Fannie Mae, Freddie Mac und Sallie Mae* als mit meinen Kindern.

Wenn Sie erst einmal anfangen, Freddie Mac, Sallie Mae und Fannie Mae mit Ihren Familienmitgliedern zu verwechseln, und Sie sich an 2.000 Aktienkürzel erinnern, aber den Geburtstag der Kinder vergessen, dann könnte es möglicherweise sein, dass Sie zu sehr von Ihrer Arbeit in Beschlag genommen worden sind.

1989, als wir die große Korrektur von 1987 hinter uns hatten und die Börse ruhig dahinglitt, feierte ich mit meiner Frau Carolyn und meinen Töchtern Mary, Annie und Beth meinen 46. Geburtstag. Inmitten der Feier fiel mir plötzlich etwas ein. Ich erinnerte mich, dass mein Vater im Alter von 46 Jahren gestorben war. Man beginnt sich sterblich zu fühlen, wenn man erkennt, dass man seine Eltern bereits überlebt hat. Man erkennt, dass man nur für eine sehr kurze Zeit existiert, wohingegen man für eine sehr lange Zeit tot ist. Man wünscht sich plötzlich, mehr Schulaufführungen, Skiausflüge und Fußballspiele erlebt zu haben. Man erinnert sich daran, dass noch nie jemand auf seinem Sterbebett gesagt hat: „Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit im Büro verbracht.“

Ich versuchte, mich davon zu überzeugen, dass meine Kinder jetzt weniger Aufmerksamkeit von mir benötigten als damals, als sie noch kleiner waren. In meinem Herzen wusste ich jedoch, dass die Wahrheit genau dem Gegenteil entsprach. Während der ersten beiden chaotischen Jahre schießen sie umher und rennen alle möglichen Dinge über den Haufen, und die Eltern müssen die Tränen trocknen. Allerdings kostet es sehr viel weniger Zeit und Mühe, ein Kleinkind zu trösten, als einer Jugendlichen bei den Spanischhausaufgaben oder den mathematischen Formeln, die wir als Erwachsene längst vergessen haben, zu helfen, oder sie zum tausendsten Mal zum Tennisplatz oder zum Stadtbummel zu fahren oder sie nach den neuesten Schicksalsschlägen, die ein Teenagerdasein so mit sich bringt, wieder aufzurichten.

Um auch nur annähernd mit Teenagern und ihren Gedanken mithalten zu können, müssen die Eltern am Wochenende ihre Musik hören und automatisch die Namen der Rockgruppen speichern. Sie müssen Kinovorstellungen besuchen, die kein Erwachsener sonst freiwillig besuchen würde. Ich hatte das zwar alles getan, aber sehr unregelmäßig. Wenn ich mit den Kindern ab und an ins Kino oder in die Pizzeria ging, betrachtete ich das Ganze immer vom Investorenstandpunkt aus. Es waren die Kinder, die mich auf Pizza Time Theater gebracht hatten, eine Aktie, von der ich wünschte, ich hätte sie nicht gekauft, und Chi-Chi's, eine Aktie, von der ich wünschte, ich hätte sie gekauft.

1990 waren Mary, Annie und Beth 15, 11, und 7 Jahre alt geworden, genau in dieser Reihenfolge. Mary war in einem Internat und kam nur an jedem zweiten Wochenende nach Hause. Im Herbst spielte sie bei sieben Fußballspielen mit, und ich schaffte es gerade mal, mir eines anzusehen. Das war das Jahr, in dem die Weihnachtskarte der Familie Lynch mit dreimonatiger Verspätung verschickt wurde. Wir hatten ein Album für die wichtigen Ereignisse im Leben unserer Kinder angelegt, aus dem die nicht eingeklebten Erinnerungen nur so hervorquollen.

An den Abenden, an denen ich nicht bis spät in die Nacht im Büro blieb, konnte man mich auf den Meetings einer von zahlreichen wohltätigen oder kommunalen Organisationen finden, deren Ausschüssen ich freiwillig meine Dienste zur Verfügung stellte. Diese Organisationen teilten mich sehr oft ihren Investmentkomitees zu. Es ist die beste Sache der Welt, Aktien für eine gute Sache auszusuchen, aber die Ansprüche meiner ehrenamtlichen Aktivitäten waren gestiegen, zeitgleich mit den Ansprüchen des Magellan-Fonds und natürlich mit denen meiner Töchter, deren Hausaufgaben immer schwieriger wurden und die täglich zu immer mehr Unterrichtsstunden und Aktivitäten chauffiert werden mussten.

Inzwischen erschien mir Sallie Mae im Traum, und ich hatte höchst romantische Begegnungen mit meiner Frau Carolyn, wenn unsere Wagen in der Einfahrt aneinander vorbeifuhren. Bei meinem jährlichen Check-up gestand ich dem Arzt, dass meine einzige sportliche Betätigung die sei, meine Zähne mit Zahnseide zu bearbeiten. Ich war mir bewusst, dass ich in den letzten 18 Monaten kein einziges Buch gelesen hatte. Innerhalb von zwei Jahren hatte ich drei Opern gesehen, Der fliegende Holländer, La Bohème und Faust, aber kein einziges Footballspiel. Das bringt mich zu Peters Prinzip Nummer 1:

Schlagen die Opern die Footballspiele 3:0,
dann weißt du, dass in deinem Leben etwas schiefläuft
.

Mitte 1990 wurde mir allmählich klar, dass ich mich von meinem Job verabschieden musste. Ich erinnerte mich, dass der Namensvetter meines Fonds, Ferdinand Magellan, sich ebenfalls frühzeitig auf eine einsame Insel im Pazifik zurückgezogen hatte, auch wenn mich seine dortigen Erlebnisse (er wurde von wütenden Eingeborenen in Stücke zerfetzt) erst einmal innehalten ließen. In der Hoffnung, ein ähnliches Schicksal durch die Hände wütender Aktionäre zu vermeiden, traf ich mich mit Ned Johnson, meinem Boss bei Fidelity, und mit Gary Burkhead, dem Direktor of Operations, um einen allmählichen Ausstieg zu besprechen.

Unser Powwow war direkt und freundschaftlich. Ned Johnson schlug vor, ich solle als Gruppenleiter für alle Fidelity-Fonds im Geschäft bleiben. Er bot mir einen kleineren Fonds an, mit dem ich operieren sollte, einen, sagen wir mal mit 100 Millionen Dollar an Vermögenswerten im Gegensatz zu den zwölf Milliarden, die ich derzeit bewältigen musste. Ich hatte jedoch den Eindruck. dass ein neuer Fonds trotz ein paar Nullen weniger am Ende genauso viel Arbeit wie der alte erfordern und ich meine Samstagnachmittage doch wieder im Büro verbringen würde. Ich lehnte Neds wohlwollendes Angebot ab.

Ohne dass die meisten Leute davon wussten, hatte ich zusätzlich für einige größere Unternehmen, darunter mit den größten Anteilen Kodak, Ford und Eaton, einen Pensionsfonds für Angestellte in Höhe von einer Milliarde Dollar geleitet. Dieser Pensionsfonds erzielte bessere Ergebnisse als der Magellan, weil ich dort mit weitaus weniger Restriktionen investieren konnte. Zum Beispiel durfte man bei einem Pensionsfonds mehr als fünf Prozent des Vermögens in eine einzige Aktie investieren, was bei einem Publikumsfonds nicht möglich war.

Die Leute von Kodak, Ford und Eaton wollten, dass ich ihren Fonds auch weiterhin manage, egal ob ich mich vom Magellan trennte oder nicht, aber ich lehnte ihr gut gemeintes Angebot ebenfalls ab. Abgesehen von Fidelity bekam ich sehr viele externe Angebote dafür, einen Lynch-Fonds zu starten, einen geschlossenen, der an der New Yorker Börse gehandelt wird. Die Promoter in spe sagten, von einem Lynch-Fonds könnten sie auf einer schnellen Road Show durch ein paar Städte Anteile in Milliardenhöhe verkaufen.

Für einen Manager ist das Reizvolle an einem geschlossenen Fonds, dass der Fonds niemals seinen Kundenstamm verlieren wird, egal wie miserabel ihn der Manager auch leitet. Das kommt daher, dass geschlossene Fonds genauso wie Merck oder Polaroid oder jede andere Aktie an den Börsen gehandelt werden. Zu jedem Verkäufer eines Anteils eines geschlossenen Fonds muss es einen Käufer geben, sodass die Anzahl der Anteile immer gleich bleibt.

Bei einem offenen Fonds wie dem Magellan ist das nicht so. Will ein Aktionär aus einem offenen Fonds aussteigen, dann muss ihm der Fonds seine Anteile ausbezahlen, und das Fondsvolumen reduziert sich um diesen Betrag. Ein unbeliebter offener Fonds kann sehr schnell schrumpfen, wenn seine Kunden zu Konkurrenzfonds oder auf die Geldmärkte entschwinden. Aus diesem Grund schläft der Manager eines offenen Fonds nicht so tief und fest wie der Manager eines geschlossenen.

Ein Lynch-Fonds im Wert von zwei Milliarden Dollar an der New Yorker Börse wäre...